Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Vorfahrt für das Rad?
Vertreter der Landtagsparteien uneins über Zuständigkeit für die Wege. ADFC wünscht Bekenntnis zur Mobilität
Jena.
Das Thüringer Radnetz weist aktuell eine Gesamtlänge von 3200 Kilometer auf, wovon sich 1500 Kilometer auf die 13 Fernradwege verteilen. Doch der Freistaat gilt nach dem Saarland als das radfahrfaulste Bundesland. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) aus Thüringen will das schnell ändern und hat in einer Podiumsdiskussion in Jena mit Vertretern verschiedener Parteien über Visionen für den Radverkehr gesprochen.
Der Anteil des Radverkehrs in Thüringen liegt mit sieben Prozent (letzte Erhebung 2017) deutlich unter dem Bundesdurchschnitt (elf Prozent). Doch wie kann man ihn erhöhen? Guntram Wothly von der CDU und Denny Jankowski (AfD) verweisen mit Blick auf den Alltags-Radverkehr auf die Zuständigkeit der Kommunen, die sie finanziell besser ausstatten wollen. Dagegen sehen sie den touristischen Radverkehr, durch den jährlich ein Umsatz von 60 Millionen Euro erwirtschaftet wird, als Landesaufgabe. Vertreter der anderen drei im Thüringer Parlament sitzenden Parteien wollen beide Varianten mit Fördermitteln unterstützen.
Roberto Kobelt von Bündnis 90/Die Grünen merkt an, dass die Regierung den Radverkehrsanteil am Verkehrsbudget von etwa 3 auf 10 Prozent gesteigert hat. Es gelte „nicht irgendeine Restfläche“, sondern „mindestens die Hälfte“der Verkehrsflächen den Radfahrern zukommen zu lassen. Die Vertreterin der Linken, Lena Saniye Güngör, sprach sich für eine Umverteilung der Räumlichkeiten im Zug aus: für mehr Fahrradmitnahmen und zulasten der ihrer Meinung nach zu viel Platz einnehmenden 1. Klasse. Auch Lutz Liebscher (SPD) meinte, dass so eine Veränderung automatisch zu einem Rückgang des individuellen Pkw-Verkehrs führen würde.
Einen Konsens gab es beim Thema Öffentlicher Personennahverkehr – so müssten sich die Chancen der Fahrradmitnahmeund die Abstellmöglichkeiten vor Ort verbessern. Bemängelt wurde, dass bei den Fahrradverkehrsprojekten die Kommunen sowie Straßenbauämter oft zu wenig Vorlauf hätten. Auch deshalb konnten nicht alle Fördermittel ausgeschöpft werden.
Die Politiker sehen sich immer mehr Forderungen aus der Bevölkerung konfrontiert, dass das Fahrrad schnell als kostengünstigstes, gesündestes und klimafreundlichstes Verkehrsmittel Beachtung und Unterstützung findet. Tina Feddersen, Referentin des ADFC, sagt: „Trotz Hinderungsgründen wie Planungsund Finanzunsicherheiten wünschen wir uns mehr Mut von Politik und Verwaltung und das Bekenntnis: Ja, wir setzen uns für nachhaltige Mobilität ein.“ Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, Texte zu kürzen. Leserbriefe per E-Mail senden Sie bitte an leserbrief@otz.de