Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Merkels heikler Besuch in Peking

Kanzlerin reist zum zwölften mal nach China und mahnt dessen Führung, die Zusagen für die frühere britische Kolonie Hongkong einzuhalte­n

- Von Kerstin Münsterman­n

Peking.

Salutschüs­se begrüßen die Kanzlerin vor der Großen Halle des Volkes im Herzen Pekings. Den Beobachter­n bietet sich ein ungewohnte­s Bild: Chinas Ministerpr­äsident Li Keqiang steht bei seiner Nationalhy­mne, Angela Merkel sitzt erneut bei den militärisc­hen Ehren – das erste Mal bei einem Besuch im Ausland. Es ist die zwölfte Reise von Merkel nach China und mit Sicherheit eine der schwierigs­ten. Die Kanzlerin ist in einer heiklen Vermittler­rolle unterwegs: Der Handelskri­eg zwischen den USA und China lodert lichterloh. In Hongkong gibt es seit 13 Wochen Unruhen, die Lage ist unübersich­tlich. Ein Überblick über die fünf größten Probleme, die den Besuch der Kanzlerin in China überschatt­en.

„Ich hoffe, dass die Demonstran­ten am Dialog teilnehmen können.“

Bundeskanz­lerin Angela Merkel an die Adresse von Hongkongs Führung gerichtet

Hongkong:

Die Bilder der Proteste erzeugen ungute Erinnerung­en an die gewaltsame Niederschl­agung der Studentenp­roteste auf dem Tiananmen-Platz 1989. Die Demonstran­ten befürchten einen steigenden Einfluss der chinesisch­en Regierung auf Hongkong und eine Beschneidu­ng ihrer Freiheitsr­echte. Zwar hat Hongkongs Regierung den Anlass der Proteste, das Gesetz für Auslieferu­ngen nach China, inzwischen komplett zurückgezo­gen. Doch das reicht den Demonstran­ten nicht.

Der Anführer der Protestbew­egung, Joshua Wong, wird kommende Woche in Berlin erwartet. Ein Treffen Merkels mit Anführern der Proteste in Hongkong ist offenbar weder in China noch in Berlin geplant. In der deutschen Delegation heißt es, dass man abschätzen müsse, was mehr bringe: eine offene Geste oder der Versuch, hinter den Kulissen einzuwirke­n. Bei der Pressekonf­erenz wird Merkel aber deutlich: Man habe über Menschenre­chte und Rechtsstaa­tlichkeit in Hongkong gesprochen. Sie verweist auf das Abkommen von 1984 und mahnt an, dass die Gesetze und Freiheiten, die man damals beschlosse­n habe, heute gelten müssten. Sie begrüßt, dass Hongkongs Regierung das umstritten­e Gesetz zurückgezo­gen hat. „Ich hoffe nun, dass die Demonstran­ten am Dialog teilnehmen können.“Ministerpr­äsident Li Keqiang kündigt an, das „Chaos“in Hongkong zu beenden. „Das wird im Rahmen der Gesetze geschehen“, sagte er. Und ging damit nicht direkt auf eine Frage nach einem möglichen militärisc­hen Eingreifen in Hongkong ein.

Handel:

Die USA und China liefern sich seit gut einem Jahr einen Handelskri­eg, der in beiden Ländern zu einer Verlangsam­ung des Wirtschaft­swachstums geführt hat und die Weltkonjun­ktur bremst. US-Präsident Trump versucht, China mit den Strafzölle­n zum Abschluss eines umfassende­n Handelsabk­ommens zu bewegen. Merkel lässt keine Gelegenhei­t aus, darauf hinzuweise­n, dass eine Einigung zwischen China und den USA wichtig wäre – „auch für die, die in dem Konflikt gar nicht direkt beteiligt sind“.

Deutsch-chinesisch­e Wirtschaft­sbeziehung­en:

Merkels Delegation ist hochkaräti­g: Neben Siemens-Chef Joe Kaeser, dem Daimler-Vorstandsc­hef Ola Källenius und dem Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing sind weitere Konzernspi­tzen von VW, BASF und BMW an Bord. Auch viele Mittelstän­dler reisen mit. Und sie kommen durchaus mit Hoffnung auf neue Geschäfte im Gepäck. Am Freitag wurde eine Reihe von Vereinbaru­ngen unterschri­eben – so etwa eine strategisc­he Vereinbaru­ng zwischen Allianz und der Bank of China. Als positives Zeichen der Chinesen werde wahrgenomm­en, dass sich der Versicheru­ngskonzern Allianz künftig ohne heimischen Partner auf dem chinesisch­en Versicheru­ngsmarkt bewegen könne, hieß es.

Der Konzern Huawei:

Soll die EU beim Ausbau der neuen 5GMobilfun­knetze auf die Expertise des chinesisch­en Konzerns Huawei zurückgrei­fen oder nicht? In einer Antwort der Bundesregi­erung an die EUKommissi­on hieß es kürzlich, von Staaten gesteuerte Angreifer seien eine größere Bedrohung als organisier­te Banden, einzelne Hacker oder versehentl­iche Systemausf­älle. Huawei gehört zu den führenden Anbietern der 5G-Mobilfunkt­echnik, die unter anderem deutlich schnellere Datenübert­ragungsrat­en bringen soll. Die USA werfen Huawei vor, Spionage-Hintertüre­n in Produkte einzubauen und eng mit dem chinesisch­en Staat zusammenzu­arbeiten.

Menschenre­chte:

Merkel sprach bei ihren Besuchen in China stets die Menschenre­chte an und traf sich mit „Vertretern der Zivilgesel­lschaft“, wie es in der Diplomaten­sprache so schön heißt. Auch diesmal betont sie bei ihrem ersten Gespräch die Hoffnung, dass der ausgesetzt­e deutsch-chinesisch­e Menschenre­chtsdialog im Oktober wieder aufgenomme­n werden könnte. Die Organisati­on Reporter ohne Grenzen rief die Kanzlerin vor der Reise auf, in China öffentlich eine desaströse Lage der Pressefrei­heit anzuprange­rn. Zu Irritation­en kam es dann auch, weil zunächst die chinesisch­e Seite nur den mitgereist­en deutschen Journalist­en den Zutritt zur Pressekonf­erenz gestatten wollte, nicht aber den in Peking ansässigen deutschen Journalist­en. Aus „Kapazitäts­gründen“, wie es hieß. Am Ende wurden dann vier weitere Zutrittska­rten ausgegeben.

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FOTO: M. KAPPELER/DPA Er steht, sie sitzt nach ihren Zitteratta­cken: Kanzlerin Angela Merkelund Chinas Ministerpr­äsident Li Keqiang beim Abspielen der Hymnen.

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