Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Für einen Moment ruht die Feindschaft
Die Ukraine und Russland tauschen Dutzende Gefangene aus. Selenskyj will rasch Gipfeltreffen
Moskau/Kiew.
Nach Jahren der Konfrontation im Ukraine-Konflikt haben Moskau und Kiew einen beispiellosen Gefangenenaustausch vollzogen. Vor allem auf dem ukrainischen Flughafen Borispol in Kiew kam es zu ergreifenden Szenen mit innigen Umarmungen und Freudentränen. Dort landeten die seit November in Russland inhaftierten 24 ukrainischen Seeleute. Nach mehr als fünf Jahren in russischer Gefangenschaft kam auch der Regisseur Oleg Senzow frei.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßte die Männer persönlich mit Handschlag und umarmte einige. Er und Kremlchef Wladimir Putin hoben in einem Telefonat am Sonnabendabend vor allem den humanitären Aspekt der Aktion hervor. Der Austausch habe eine große Bedeutung für die Normalisierung und Gesundung der bilateralen Beziehungen, teilten die Präsidialverwaltungen in Moskau und Kiew mit.
Der ukrainische Präsident sagte, dass er und Putin das Vorhaben gemeinsam umgesetzt hätten. „Ich denke, das ist die erste Etappe. Und wir müssen alle Schritte unternehmen, um diesen schrecklichen Krieg zu beenden“, sagte Selenskyj auf dem Flughafen. Gemeint ist der Krieg in der Ostukraine zwischen Kiews Regierungstruppen und den von Moskau unterstützten Separatisten. Präsident Selenskyj will möglichst schnell einen Gipfel im NormandieFormat – mit Russland, Deutschland und Frankreich – organisieren, um den Friedensprozess wieder zu beleben. In ihrem mittlerweile dritten Telefonat hätten Putin und Selenskyj auch betont, wie wichtig die Einhaltung der Waffenruhe im Kriegsgebiet Ostukraine sei, hieß es.
Die Feuerpause ist brüchig. Immer wieder kommt es zu Scharmützeln mit Todesfällen auf beiden Seiten. Die beiden Staatschefs bekräftigten demnach auch das Ziel, die bewaffneten Kräfte von der Demarkationslinie abzuziehen.
Grundlage für diesen Friedensprozess ist ein 2015 in Minsk vereinbartes Abkommen für die Ostukraine, das auf Eis liegt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte den Austausch ein „hoffnungsvolles Zeichen“. Mehrere russische Politiker sprachen von einem „historischen Ereignis“im Verhältnis beider Länder.
In Kiew sagte die Menschenrechtsbeauftragte des Parlaments, Ljudmila Denissowa, dass noch 110 Ukrainer in russischer Haft seien. Unklar war, wie viele russische Gefangene noch in der Ukraine sind. (dpa)