Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Alles auf Rot
Charles Leclerc setzt seinen Höhenflug in der Formel fort und beschert Ferrari den ersten Heimsieg seit
Monza.
Zum zweiten Mal binnen einer Woche gilt in der Formel 1: Alles auf Rot! Mit einer ebenso starken wie rücksichtslosen Darbietung sichert sich Charles Leclerc den Triumph auch beim Großen Preis von Italien, es ist der erste Ferrari-Sieg im Autodromo Nazionale seit 2010. Die neue Nummer eins der Scuderia siegt vor dem MercedesDoppelpack mit Valtteri Bottas und Lewis Hamilton. Sebastian Vettel belegt nach einem schweren Fahrfehler und einer Zeitstrafe den indiskutablen 13. Platz.
„Mamma mia, mamma mia“stöhnt der Sieger ins Helmmikrofon, der in der WM-Gesamtwertung mit 182 Punkten jetzt an Vettel (169) vorbei ist und nur noch drei Zähler hinter Max Verstappen auf Rang vier liegt. Vorn bleibt weiterhin souverän Hamilton (284) vor Bottas (221).
„So müde hat mich noch nie ein Rennen gemacht“, sagt Leclerc nach seiner erfolgreichen Verteidigungsschlacht, dann verfällt er zur Freude der 90.000 Zuschauer in eine italienische Liebeserklärung. Er spürt, was dieser Erfolg auch intern bedeutet. Vettel, maßlos enttäuscht, spricht von einer „kleinen Unachtsamkeit“, danach habe er „das Auto verloren“und es sei klar gewesen, dass das „Rennen gelaufen“ist. Die Bilanz ist wortgleich die vom letzten Wochenende, als er Vierter wurde: „Ein guter Tag fürs Team, kein guter für mich.“
Nach der Windschatten-Farce, mit der Leclerc sich die PolePosition beim Ferrari-Heimspiel sichern konnte, absolviert der MonegassedenStartmitabsoluter Coolness. Er kommt am besten weg, dahinter rangeln die Mercedes-Verfolger Hamilton und Bottas kurz – und schon ist der Spitzenreiter um eine Sekunde enteilt. Für Vettel beginnt das Rennen nicht gut, er muss sich trotz PS-Übermacht im deutsch-deutschen Duell dem Renault von Nico Hülkenberg geschlagen geben. Bis zur siebten Runde ist er klar hinter dem Führungstrio zurückgefallen. Er kommt mit dem SF 90 und dessen instabilen Heck nicht klar.
Was sich in der siebten Runde mehr als deutlich zeigt. Unbedrängt dreht sich der Heppenheimer in der Ascari-Kurve. Das kann passieren, auch einem Champion, gleichwohl es dem unter Druck stehenden vierfachen Weltmeister in diesem Jahr viel zu oft passiert. Dass er dann jedoch im Scheitelpunkt der Kurve ohne Rücksicht auf den heranrasenden Verkehr einfach wieder auf die Piste einbiegt, und damit nicht nur sein Leben, sondern auch das des Kanadiers Lance Stroll riskiert, das hätte er vermeiden können und müssen.
Stroll dreht sich, und gefährdet beim Einfädeln ebenfalls einen Gegner. An Vettels Auto hängt der Frontflügel herunter, er muss zum vorgezogenen Boxenstopp. Und gleich danach noch einmal, um eine Zehn-Sekunden-Strafe abzusitzen. So ruiniert er sich nicht nur das Rennen, sondern auch seine Position bei Ferrari. Denn nun ist Leclerc allein auf sich gegen die beiden Silberpfeile gestellt.
Leclerc wehrt sich im Kamikaze-Stil, als Hamilton dicht dran ist. In der ersten Schikane kürzt der Ferrari-Pilot ab, eigentlich ein klarer Regelverstoß – die Rennleitung sieht das anders.
So geht das Katz- und MausSpiel weiter, ein epischer Zweikampf bei Spitzentempo 360. Elf Runden vor Schluss wird auch Hamilton die Schikane zum Verhängnis, er muss richtig Slalom fahren. Damit übernimmt Bottas die Verfolgungsjagd.
Der Finne tastet sich heran, doch Bottas verbremst sich beim entscheidenden Angriff. Mercedes-Sportchef Toto Wolff erleidet körperliche Schmerzen, es wird erneut der große Tag von Charles Leclerc.