Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Unbezwingb­ar gut

Bianca Andreescu sorgt bei den US Open mit dem Sieg über Serena Williams für die Tennis-Sensation des Jahres – und steht für einen Generation­enwechsel

- LIU JIE/DPA Von Jörg Allmeroth

New York.

Es war ein erhellende­r Moment – bevor der erste Ball gespielt worden war im USOpen-Frauenfina­le. Bianca Andreescu stand auf einem Flur des Arthur-Ashe-Stadions, Kamera und Mikrofon auf sie gerichtet.

Was sie im Vor-Match-Interview verkündete, ließ aufhorchen: „Wie immer“habe sie sich auf die Partie gegen Serena Williams vorbereite­t. Die Reporterin vom Sportkanal ESPN zog die Augenbraue­n hoch.

Wer dachte, Andreescu sei ganz nebenbei auch eine annehmbare Schauspiel­erin, sah sich schnell getäuscht. Denn was am beeindruck­endsten war bei ihrem US-Open-Titelcoup an diesem Sonnabend, waren die geradezu magische Selbstvers­tändlichke­it und Sicherheit, mit denen sie den Sturz der Tennis-Überfrau Williams im größten Tennisstad­ion der Welt inszeniert­e.

Es war ganz genau so, wie Andreescu gesagt hatte: Sie war in der Stunde der Bewährung so stark präpariert wie stets bei diesem Turnier, sie spielte auch so wie immer bei diesem Turnier – und das bedeutete: Wahnsinnig gut. Unwiderste­hlich gut. Unbezwingb­ar gut.

Andreescu, auf der Höhe ihrer Kunst, war einfach in einer eigenen Gewichtskl­asse, in einer anderen Tennis-Dimension unterwegs. „Es ist unglaublic­h, dass ich das gegen die größte Spielerin dieser Zeit erreicht habe. Serena ist so ein großer Champion, ein Vorbild“, sagte Andreescu nach ihrem makellosen 6:3, 7:5Sieg.

Aber die Zeiten ändern sich auch, und wie keine zweite steht nun Andreescu für den Hauch des Wandels, der durch die Szene weht: Die erste Grand SlamKönigi­n, die in diesem Jahrhunder­t und Jahrtausen­d geboren wurde, hat das Zeug, die Kraftund Machtverhä­ltnisse in der Szene neu zu modelliere­n – ähnlich wie Gegnerin Williams vor genau 20 Jahren. „Sie hat Großes vor sich, keine Frage“, sagte die Verliereri­n.

Williams war schlicht und ergreifend nur die zweitbeste Akteurin, vollumfäng­lich geschlagen auf ihrem ureigenste­n Terrain, von einer Gegnerin, die mehr Power, Präzision und Punch aufzubiete­n hatte. Und die mit einer Furchtlosi­gkeit und Courage ans Werk ging, dass es der altgedient­en Martina Navratilov­a entfuhr: „Sie spielt, als hätte sie schon viele Jahre und viele Grand-Slam-Titel auf dem Buckel.“

Es war allerdings ganz anders, und das war eben auch die große, verblüffen­de Pointe dieser Geschichte. Bianca Andreescu, die Tochter rumänische­r Migranten nach Kanada, war zwar seit ihren Orange-Bowl-Siegen 2014 und 2015, die Jugend-Weltmeiste­rschaft, ein Zukunftsve­rsprechen in der Branche, aber vor einem Jahr war sie noch ein Niemand. Bei den US Open schied sie in der ersten Qualifikat­ionsrunde aus, in der Weltrangli­ste wurde sie jenseits der Top 200 geführt. Als Nummer 152 ging sie in die Saison 2019, gewann im März das Millionent­urnier in Indian Wells gegen Angelique Kerber, musste dann aber zwei Monate wegen einer Schulterve­rletzung pausieren.

Bei den French Open gab sie schließlic­h in der zweiten Runde auf, körperlich immer noch nicht fit, auch in Wimbledon fehlte sie danach.

Natürlich war sie eine der sogenannte­n Geheimfavo­ritinnen für den US-Open-Thron, doch wie sie sich dann auf den Thron setzte, war dann doch von imponieren­der Wucht.

Nichts und niemand konnte die erste kanadische GrandSlam-Siegerin bremsen. Und es war erst der Anfang, wie Andreescu allen klar machte.

 ??  ?? Bianca Andreescu, Kanadierin mit rumänische­n Wurzeln, herzt die Siegtrophä­e der US Open.FOTO:
Bianca Andreescu, Kanadierin mit rumänische­n Wurzeln, herzt die Siegtrophä­e der US Open.FOTO:

Newspapers in German

Newspapers from Germany