Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Stadt der Müllwächter
Schanghai setzt auf Kontrolle bei der Abfalltrennung. Wer sich nicht dran hält, muss Strafe zahlen
Die Frau ist sichtlich überfordert. Ratlos steht sie vor den Tonnen, die neuerdings am Eingang ihres Wohnblocks platziert wurden. „Ich möchte es ja richtig machen“, sagt sie. Aber diese Unterteilung sei ihr dann doch zu kompliziert. Yang Hu beruhigt sie. „Keine Sorge“, sagt er.
Der Mittfünfziger, der stolz seine blaue Mülluniform mit dazugehöriger Schirmmütze zur Schau stellt, erklärt ihr, welcher Müll in welche Tonne gehört. Yang Hu ist einer von stadtweit 30.000 freiwilligen Helfern, die in diesen Tagen in ihren Wohnvierteln den Mitbürgern das Mülltrennen erklären.
Und er gibt sich dabei größte Mühe: Toilettenpapier, Thermoschalen – sofern sie ausgespült sind –, Staubsaugerbeutel und sauber abgenagte Rinderknochen könnten in die Tonne für trockenen Müll, erklärt er freundlich und geduldig. Fischgräten, Wassermelonenschalen und Gemüsereste gehörten in die Tonne für Nassmüll. Alles aus Plastik, Glas, Papier und Tetra-Paks dürfe wie gehabt in die Recyclingtonne. Und dann ist da noch die Gifttonne, sagt Yang und zeigt auf die orangefarbene Tonne. Die sei ausschließlich für alte Akkus, Medikamentenreste und Fieberthermometer. Seit Wochen gibt es in Schanghai kaum ein Thema, das die Menschen in der 23-MillionenMetropole so beschäftigt wie der Müll. Chinas reichste Stadt hat sich zum Ziel gesetzt, der 22.000 Tonnen Müll am Tag Herr zu werden und die Mülltrennung konsequent durchzusetzen. Und zwar ganz in Manier der Kommunistischen Partei: mit einer groß angelegten Kampagne, vielen Kontrolleuren und saftigen Strafen. Unterschiedliche Tonnen für den Abfall hat es vorher zwar auch schon gegeben, aber kaum einer hat sich daran gehalten. Plastikverpackungen, Glas, volle Windeln, alte Klamotten, Elektroschrott – alles landete in einer Tonne.
Damit soll in Schanghai nun Schluss sein. An nahezu jedem Hauseingang hängen Plakate mit Erläuterungen zum richtigen Mülltrennen. Die abendliche Lichtshow der Skyline von Schanghai entlang des Huangpu-Flusses besteht nun aus Werbeclips, in denen ebenfalls die Mülltrennung erklärt wird. Zudem hat die Stadtverwaltung jede Starbucks- und jede McDonald’s-Filiale dazu verpflichtet, zusätzlich jemanden einzustellen, der allein damit beschäftigt ist, den Kunden die Mülltrennung zu erklären.
Seit dem 1. Juli ist das neue Gesetz in Schanghai in Kraft. Wer erwischt wird, den Müll falsch zu trennen, muss mit zum Teil harten Strafen rechnen. Privatpersonen drohen Bußgelder in Höhe von 250 Yuan (rund 32 Euro). Sollten aber Geschäftstreibende oder Unternehmer gegen die Regeln verstoßen, drohen ihnen Bußgelder bis zu einer halben Million Yuan (64.000 Euro). In den Wohnund Häuserblocks patrouillieren nun die extra ausgebildeten Müllwächter.
Das Ziel der Schanghaier Stadtregierung: Noch in diesem Jahr soll die Recyclingquote von aktuell unter 20 auf 35 Prozent steigen und dann jedes Jahr um weitere zehn Prozentpunkte. Bereits im kommenden Jahr sollen 46 weitere Städte dem Vorbild Schanghais folgen. 2025 soll das Mülltrennungssystem dann landesweit gelten.
22.000 Tonnen Müll am Tag sollen sortiert werden