Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
CDU-Programm erfährt umgehend Gegenwind
Linke-Chefin Hennig-Wellsow: „Schlechte Botschaften“. Mohring: Linke haben ihre Chance nicht genutzt
Geisa. Susanne Hennig-Wellsow (Linke) war am Samstag flott. Das CDU-Wahlprogramm war noch gar nicht verabschiedet, da ließ die Linke-Landeschefin per Pressemitteilung ausrichten, dass es sich bei dem Entwurf um ein arbeitnehmerfeindliches Programm handele. Sie hätte darin Forderungen nach der Aufweichung des Arbeitnehmerschutzes ausgemacht und nach einer Verlängerung der Sonn- und Feiertagsarbeit. Das seien „ausnahmslos schlechte Botschaften“für Menschen, die „einer abhängigen Beschäftigung“nachgingen. Kritik kommt zu den Plänen der Union, nach der Wahl das Vergabegesetz noch einmal anzufassen und die Bildungsfreistellung zu streichen.
CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring ließ die Kritik am Samstag unwidersprochen. Er machte indes deutlich: „Wir stellen heute fest, dass die linke Landesregierung, die ihre Chance bekommen hat, diese nicht genutzt hat“. Stefan Gruhner, Chef der Jungen Union in Thüringen, ging direkt auf die Kritik Hennig-Wellsows ein. Das zeige ihm sehr deutlich, sagte er, dass die Linkspartei mittlerweile nervös werde.
Geisa.
Der Mann will nichts dem Zufall überlassen. Deshalb prüft Mike Mohring (CDU) Minuten vor Beginn die Bühne selbst, stellt dabei schnell noch ein auf dem Boden liegendes Band mit CDU-Emblem sicher.
Es kann losgehen. Mohring redet beim 35. Landesparteitag der CDU – wie immer in der Vergangenheit – frei. Dass er die Kraft zurückerlangt hat, die es braucht, die heiße WahlkampfPhase bis zum 27. Oktober zu meistern, nimmt man ihm ab.
Die 123 Delegierten muss er ohnehin nicht überzeugen. Sie stehen zu ihrem Spitzenkandidaten, applaudieren nach seiner Rede und signalisieren viel Zustimmung. Eigentlich hätten es aber 166 Delegierte sein sollen. Allerdings liegt Geisa, das sehen selbst die Unions-Verantwortlichen ein, nicht gerade um die Ecke. Im 30. Jahr des Mauerfalls hatte man aber am Fuße von Point Alpha und damit an einem symbolischen Ort tagen wollen.
Mike Mohring wiederholt auf der Bühne die Dinge, die man in den vergangenen Wochen häufig vernommen hat. Er greift die Linke dafür an, dass in Thüringen der Unterrichtsausfall auf einem niemals vorher dagewesenem Höchststand angekommen sei. Auch, dass die Zahl der Angriffe auf Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungskräfte zugenommen habe, verortet er in diese Legislaturperiode, in der die Thüringer Union erstmals in der freistaatlichen Geschichte Oppositionspartei gewesen ist. Mit der Union in Regierungsverantwortung verspricht er Veränderungen. Keinen Deut Toleranz dürfe es für die Angreifer geben. „Sicherheit funktioniert nur, wenn wir die stark machen und schützen, die für unsere Sicherheit jeden Tag im Haupt- oder Ehrenamt unterwegs sind.“
Dass CDU-Programm steht an diesem Tag im Kulturhaus in Geisa zum Beschluss an, der vollkommenunspektakulär–also ohne Debatte – einstimmig erfolgt. Damit ist die Union die letzte Partei, die sagt, was sie nach der Wahl vorhat. Eckpunkte sind in den vergangenen Wochen bekannt geworden – so beispielsweise eine 5000-EuroPrämie, die die CDU den Thüringern zahlen will, die wieder zurückkommen und hier im Freistaat ihren Wohnsitz nehmen. Insgesamt, so erklärt es der Programmverantwortliche Stefan Gruhner, seien „323 konkrete Maßnahmen und Ideen“in dem Regierungsprogramm festgeschrieben.
Vermerkt ist darin natürlich auch, dass die Straßenausbaubeiträge an die Thüringerinnen und Thüringer zurückgezahlt werden sollen. In seiner Rede verliert Mohring über diese Forderung, die seine politischen Gegner als teures Wahlkampfmanöver und blanken Populismus bezeichnen, kein Wort. Erst, als der Parteitag schon lange fortgeschritten und die Rede von Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) verklungen ist, tritt der Spitzenkandidat ans Pult und erklärt: „Wir haben die Rechtsgrundlagen für die Erhebung der Straßenausbaubeiträge als CDU in einer Zeit geschaffen, in der das Geld knapp war. Aber die Zeiten haben sich geändert.“Die Rückerstattung, bis zu 600 Millionen Euro, deutet er an, könne aus der Rücklage des Landes zu einem Gutteil finanziert werden.
Dass selbst in der Landtagsfraktion der CDU einige Mitglieder von dem Vorstoß überrascht gewesen zu sein scheinen, bleibt am Samstag nur Randgespräch hinter vorgehaltener Hand. Nichts, darüber scheinen sich die Christdemokraten einig, soll die gelebte Einigkeit stören.
Zumal der Union mit Blick auf die anstehenden Klimabeschlüsse in Berlin ohnehin ausreichend Gegenwind von der eigenen Bundespartei droht. Mohring fordert deshalb auch, dass der Staat mit Klimaschutz kein Geld verdienen dürfe und schickt einen Gruß nach Berlin, die Landesinteressen in den Blick zu nehmen: „Wenn man mit dem Tretroller in Berlin unterwegs ist, weht ein anderer Wind, als wenn man auf dem Land mit dem Bus fährt.“
Nach fünf Stunden steht der Spitzenkandidat im Foyer des Kulturhauses. Er verabschiedet fast alle Delegierte mit Handschlag – dann geht es zum nächsten Termin, die Zeit drängt. Der Perfektionist überlässt den Abbau der Bühne dann anderen.