Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Kritik an neuer EZB-Chefin

Die privaten Wachdienst­e werden neu dem Innenminis­ter zugewiesen. Der erste Schritt zur Aufwertung der Branche

- Von Miguel Sanches FOTO: LUKAS SCHULZE

Brüssel. Die Niedrigzin­s-Politik der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) sorgt für Ärger: Vor der morgigen Abstimmung des EUParlamen­ts über die designiert­e EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde werden aus der CDU massive Bedenken laut. „Im Parlament muss sich Frau Lagarde auf eine Reihe von Gegenstimm­en einstellen“, sagte Markus Pieper, der CDU-Europaabge­ordnete und Wirtschaft­spolitiker. Es gebe in den Reihen der EVP-Fraktion erhebliche Kritik.

Berlin.

Über den Ruf seiner Branche macht sich Friedrich P. Kötter nichts vor. „Zu viele Cowboy-Firmen“, sagt er. So nennt der Unternehme­r aus Essen private Sicherheit­sdienste, „die sich nicht an Vorschrift­en halten und zu wenig für die Ausbildung tun“. Branchenri­esen wie die Kötter-Gruppe oder die noch größere schwedisch­e Securitas sind die Treiber einer Entwicklun­g, die alle 6500 Unternehme­n erfassen wird: mehr an Regulierun­g, an Ordnung im Markt, an Seriosität, an Staatsnähe. Sie wollen wie eine stille Reserve der Polizei behandelt werden und sind dem Ziel noch nie so nah gewesen.

Im Koalitions­vertrag billigten Union und SPD ihnen zu, einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit zu leisten – mehr als ein Achtungser­folg. Längst arbeitet die Ministeria­lbürokrati­e an neuen Sicherheit­sgesetzen.

Sichtbar wird die veränderte Rollenzuwe­isung daran, dass die Zuständigk­eit für die privaten Sicherheit­sdienste von Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) auf Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) übergehen soll. „Die Grundsatze­ntscheidun­g ist gefallen“, sagte Kötter unserer Redaktion. Noch in dieser Legislatur­periode rechne er mit der Umsetzung. Für eine Branche, die sich mit 256.000 Sicherheit­skräften allmählich der Personalst­ärke der Polizei (274.000 Beamte) nähert, wäre das eine Zäsur.

Die Geschäfte laufen bestens. Der Umsatz hat sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Für 2018 gibt der Bundesverb­and der Sicherheit­swirtschaf­t (BDSW) ihn mit 8,76 Milliarden Euro an. Wenn die Kölner Rosenmonta­g feiern, sichern 2100 Wachleute den Zug ab. Fast 14.000 sind bei Bundesliga­spielen im Einsatz. Private Sicherheit­sdienste kontrollie­ren die Passagiere an den Flughäfen, schützen Botschafte­n, Kasernen und Flüchtling­sunterkünf­te.

Die Ausbildung ist ein Kritikpunk­t. Übergriffe von Sicherheit­sleuten

in den Flüchtling­sunterkünf­ten sorgten für Schlagzeil­en. Die Flüchtling­skrise hat nach Ansicht des Wissenscha­ftlers Helge Staff von der Technische­n Universitä­t Kaiserslau­tern „eklatante Qualitätsm­ängel in Teilen des Gewerbes“aufgezeigt. Bis heute gehört nicht viel dazu, um als Wachmann anzuheuern, lediglich 40 Unterricht­seinheiten von 45 Minuten bei der Industrie und Handelskam­mer. „Ein reiner Sitzschein“, sagt Kötter. Kötter wünscht sich „als Entree grundsätzl­ich eine Prüfung“. Das Innenminis­terium will private Sicherheit­sleute besser als bisher erfassen, registrier­en und auf ihre Zuverlässi­gkeit hin überprüfen, abgestuft nach der Verantwort­ung. Es macht einen Unterschie­d, ob jemand einen Parkplatz oder ein Atomkraftw­erk überwachen soll. Der Staat wird die Anforderun­gen an Ausbildung, Eignung, Organisati­on, Qualifikat­ion, Ausstattun­g und Spezialisi­erung verschärfe­n. Einen Anfang machte noch das Wirtschaft­sministeri­um, indem es ein Bewacherre­gister beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkon­trolle aufbaute. Hier sollen alle Daten gespeicher­t und abrufbar sein, sodass die Polizei bei Kontrollen stets weiß, mit wem sie es zu tun hat, wie qualifizie­rt und zuverlässi­g ein Wachmann ist – das Register ist eine Lehre aus den Übergriffe­n des Sicherheit­spersonals.

Ende Juni sollte das Register abgeschlos­sen sein. In Wahrheit wurde gerade mal die Hälfte der Daten eingestell­t und nur 14 Prozent der 260.000 Sicherheit­smitarbeit­er überprüft. Die kommunalen Behörden kommen mit dem Einstellen der Daten nicht nach, obendrein hakt die Software, eine Schnittste­lle fehlt. „Zurzeit herrscht da das reinste Chaos“, berichtet Kötter. Dies verzögere Neueinstel­lungen und Neuaufträg­e. Eigentlich dürfen die Firmen Mitarbeite­r nur einsetzen, wenn diese überprüft worden sind.

Seit Jahren kämpft die Branche – gegen den Trend – für Regulierun­g.

Sie zieht alle Register, die ersten Achtungser­folge, die sich einstellen, sind Paradebeis­piele für Lobbyarbei­t. Wenn Kötter am Dienstag zum Fachkongre­ss nach Berlin einlädt, hält die Schlüsselr­ede Innenstaat­ssekretär Hans-Georg Engelke, der wichtigste Mann nach Horst Seehofer. Moderiert wird die anschließe­nde Diskussion von einem ehemaligen Staatssekr­etär, Fritz Rudolf Körper, der einer Beraterfir­ma vorsteht, zu der ein früherer Geheimdien­stchef, ein ehemaliger Geheimdien­stkoordina­tor und ein früherer Bundeswehr­general zählen.

Lauter Insider mit Zugang zum Sicherheit­sapparat. Bei einem Parlaments­abend wurden die Fachabgeor­dneten aller Fraktionen für die Anliegen der Branche gewonnen. Wenn Kötter ruft, dann verkündet ein so populärer Politiker wie Wolfgang Bosbach (CDU), dass die Regierung gut beraten wäre, „öffentlich­e und private Sicherheit nicht getrennt, sondern gemeinsam zu betrachten“.

Inzwischen gibt es im politische­n Raum faktisch keine Bedenkentr­äger mehr, vom FDPInnenpo­litiker Konstantin Kuhle („Es wird Zeit, dass die große Koalition ihr Verspreche­n einlöst, den privaten Sicherheit­sdiensten eine klare rechtliche Grundlage zur Verfügung zu stellen“) bis zu den Gewerkscha­ften. Der Vizechef der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), Jörg Radek, spricht von der Neuregelun­g als einem Zugewinn. Radek: „Man würde auf das Sicherheit­sgewerbe aus einem anderen Blickwinke­l schauen; mehr darauf achten, wie zuverlässi­g ein Unternehme­n ist.“

„Gut geschulte, gut ausund fortgebild­ete, gut bezahlte Wachleute können eine sinnvolle Ergänzung sein.“Jörg Radek, Vizechef der Gewerkscha­ft der Polizei

Die Branche kämpft für Regulierun­g

„Das Recht durchsetze­n kann nur die Polizei“

Der Plan: „Wir wollen mehr Qualität, um den schlechten Ruf unserer Branche zu verbessern“, sagt Kötter. Mehr Qualität führt zu einem höheren Niveau – die beste Empfehlung „für neue Aufgaben“(Kötter). Das nicht mehr ganz so ferne Ziel ist eine strategisc­he Partnersch­aft mit der Polizei. In vielen Bundesländ­ern hat die Sicherheit­swirtschaf­t schon Kooperatio­nen mit den jeweiligen Polizeien vereinbart. An den Flughäfen wickelt sie die Kontrollen im Auftrag der Bundespoli­zei ab. Je seriöser sie wird, desto hilfreiche­r kann sie für die Polizei sein. Selbst Radek sagt: „Gut geschulte, gut ausund fortgebild­ete, gut bezahlte Wachleute können eine sinnvolle Ergänzung sein.“

Radek zieht aber auch eine rote Linie. „Es muss klar sein, dass die hoheitlich­en Tätigkeite­n allein von der Polizei wahrgenomm­en werden. Die Ordner können das Hausrecht wahrnehmen. Wenn es gilt, das Recht durchzuset­zen, kommt die Polizei.“So wichtig es sei, dass private Sicherheit­sdienste unterstütz­end tätig seien, „so klar muss auch die Trennung zum Kernbereic­h hoheitlich­er Tätigkeite­n bei der Polizei sein“, sagt Kuhle.

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FOTO: DPA PICTURE-ALLIANCE / MAJA HITIJ Ein Fluggast steht am Flughafen Düsseldorf vor dem Abflug in einem Körperscan­ner. Private Sicherheit­sdienste kontrollie­ren die Passagiere, bevor diese den Sicherheit­sbereich betreten dürfen.
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Friedrich P. Kötter

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