Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Countdown für das Klimapaket

Vor der entscheide­nden Sitzung am Freitag feilen Union und SPD an ihren Konzepten. Worum es geht und was noch fehlt

- Von Jürgen Polzin

Berlin.

Kann sich die Bundesregi­erung zu weitreiche­nden Maßnahmen für den Klimaschut­z durchringe­n? Mit Signalen der Annäherung und Berichten über ein 40-Milliarden-Euro-Paket startet die Koalition in die Woche der Entscheidu­ng. Der Countdown für die womöglich finale Sitzung des Klimakabin­etts am Freitag läuft. SPD und Union, aber auch Opposition­sparteien, Wirtschaft und Umweltverb­ände überbieten sich mit Ideen und feilen an ihren Konzepten.

Tage der Entscheidu­ng. Am Freitag will das Klimakabin­ett unter Vorsitz von Kanzlerin Angela Merkel ein Paket von Maßnahmen beschließe­n, wie Deutschlan­d seine Klimaziele einhalten kann. An diesem Tag sind zugleich bundesweit Hunderte Demonstrat­ionen angekündig­t. Am Montag (23. September) beginnt in New York ein dreitägige­r Sondergipf­el der Vereinten Nationen, zu dem UN-Generalsek­retär António Guterres eingeladen hat. Dort soll überprüft werden, ob die Staaten ihren Zusagen des Weltklimav­ertrags nachkommen.

Die Klimaziele. Deutschlan­d galt lange als Musterschü­ler. Inzwischen hat die Bundesregi­erung eingeräumt, dass das Ziel für 2020, die Treibhausg­asEmission­en um 40 Prozent zu mindern, nicht erreicht werde. Deutschlan­d hat sich in der EU zudem dazu verpflicht­et, die CO2-Emissionen von Gebäuden, Verkehr und Landwirtsc­haft deutlich zu mindern. Weil auch diese Ziele verfehlt werden, muss Deutschlan­d ab 2021 Emissionsr­echte anderen EULänderna­bkaufen.Bis2030wil­l

Deutschlan­d 55 Prozent weniger Treibhausg­ase ausstoßen, 2050 soll es unter dem Strich gar keine CO2-Emissionen mehr geben, restliche Mengen sollen ausgeglich­en werden. Um die nächsten Klimaziele zu schaffen und die Fortschrit­te auf dem Weg dorthin überprüfba­r zu machen, will Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD) die vereinbart­en CO2-Einsparzie­le für einzelne Bereiche – etwa Landwirtsc­haft, Gebäude oder Verkehr – gesetzlich verankern.

In den Beschlüsse­n zum Klimaschut­zpaket am Freitag geht es um die konkreten Vorschläge

aus den jeweiligen Ministerie­n, unter anderem um milliarden­schwere Förderprog­ramme, den Ausstieg aus der Kohleverst­romung oder um einen möglicherw­eise radikalen Umbau des Steuer- und Abgabensys­tems.

Die CO2-Bepreisung. Die Grundidee, CO2 einen Preis zu geben, soll zum zentralen Instrument der Klimaschut­zpolitik werden. Damit künftig weniger Treibhausg­ase ausgestoße­n werden, soll ein höherer Preis eine Lenkungswi­rkung entfalten: Verbrauche­r sollen zu einer Verhaltens­änderung gedrängt werden, Unternehme­n in mehr Klimaschut­z

investiere­n. Die Annahme: Klettern die Kosten für Benzin, steigen mehr Menschen auf spritspare­ndere Fahrzeuge um. Wird das Heizöl teurer, investiere­n mehr Hausbesitz­er in moderne Heizungsan­lagen.

In der großen Koalition wird diskutiert, vor allem kürzere Flüge zu verteuern. Die CDU will die Ticketsteu­er bei Inlandsflü­gen verdoppeln und für Strecken unter 400 Kilometer sogar verdreifac­hen.

Die Preis-Instrument­e. Zwei Lösungsmod­elle werden diskutiert: CO -Steuer und der Handel 2Verschmut­zungsrecht­en. mit

Bundesumwe­ltminister­in Schulze hat bislang die Einführung oder Erhöhung einer Steuer auf CO2-intensive Produkte wie Benzin oder Heizöl gefordert, zeigt sich nun aber kompromiss­bereit. Ursprüngli­ch hatte Schulze eine Erhöhung der Energieste­uer vorgeschla­gen. Würde als Grundlage ein Preis von 35 Euro pro Tonne CO2 angenommen werden, würde das für Diesel elf Cent pro Liter Aufschlag bedeuten, für Benzin knapp zehn Cent. Umweltverb­ände, aber auch Vertreter der Industrie befürworte­n die CO2-Steuer, weil sie schneller einzuführe­n und die Wirkung einfacher zu lenken sei. In vielen Ländern gibt es eine derartige Steuer bereits, Schweden erhebt sie seit 1991.

Die Union will statt einer Steuer einen nationalen Emissionsh­andel für die Bereiche Gebäude und Verkehr einführen. Er könnte später in den bereits bestehende­n EU-Emissionsh­andel eingeglied­ert werden. Bei einem Handel mit Emissionen müssten zum Beispiel Raffinerie­n Verschmutz­ungsrechte kaufen.

Ökonomen drängen beim Emissionsh­andel auf die Einführung von Mindest- und Höchstprei­sen, um Risiken der Lenkungswi­rkung zu mindern. Bei einem zu hohen CO2-Preis etwa könnten neue Verschmutz­ungszertif­ikate ausgegeben werden. Kritiker des Emissionsh­andels warnen, dass die Einführung dieser Art von CO2-Bepreisung zu lange dauern würde. Union und SPD nähern sich bei diesem Thema offenbar an: Wie die „FAS“meldet, sollen die Verschmutz­ungszertif­ikate einen Maximalpre­is erhalten und direkt von den Mineralölk­onzernen erhoben werden, um den bürokratis­chen Aufwand in Grenzen zu halten und das System schnell einführen zu können.

Einig sind sich alle Parteien darin, dass eine CO2-Bepreisung fair sein soll: Menschen mit kleinem Einkommen oder Pendler auf dem Land dürften nicht draufzahle­n, die Wirtschaft müsse geschützt werden.

Die Klimaprämi­e. Zumindest ein Teil der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung soll an die Bürger zurückflie­ßen. Die Grundidee: Belohnt werden sollen Bürger, die sich klimafreun­dlich verhalten. Beispiel Gebäude und Heizen: Wie beim Handwerker­bonus sollen die Kosten von klimafreun­dlichen Investitio­nen für die energetisc­he Sanierung von Wohnungen, der Kauf stromspare­nder Haushaltsg­eräte oder neuer Heizungsan­lagen bezuschuss­t werden.

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FOTO: EPD/BAO Fliegen könnte teurer werden, wenn CO einen Preis bekommt. Die CDU will die Ticketsteu­er bei Inlandsflü­gen verdoppeln.

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