Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Streifzug durch die Ära der neuen Sachlichke­it in Gera

Touren zu den Baudenkmäl­ern aus der Zeit des Bauhaus-Stils sind ein Exkurs in die Geschichte

- Von Heidi Henze ■ Weitere Touren finden am . September, . Oktober, . November und . Dezember statt, jeweils  Uhr ab Bussteig R in der Heinrichst­raße. Telefon: /   

Gera.

Rund 50 Gäste warteten an einem Samstag an der Bushaltest­elle gegenüber der Touristinf­ormation in Gera. Sie alle wussten, dass die Stadt in Ostthüring­en diejenige ist, die mit den meisten Baudenkmäl­ern aus der Zeit des Neuen Bauens in Thüringen aufwarten kann.

Entspreche­nd war die Spannung unter den Teilnehmer­n. Zwei Stunden lang galt es, eine kleine Auswahl an Denkmälern, speziell aus der Bauhaus-Zeit, zu besichtige­n oder auch nur aus dem Bus heraus zu erspähen. Alle Gebäude, an denen während der Rundfahrt kein Stopp eingelegt wurde, animieren nun dazu, sie sich später noch einmal anzusehen.

An einigen Denkmälern wurde aber auch ein Halt eingelegt, um die Bauweise genauer betrachten zu können oder sogar einen Blick in das Innere werfen zu dürfen.

Es sind alles Objekte, die heute, 100 Jahre nach der Gründung der Bauhaus-Schule für Kunst und Architektu­r, in ihrer Ästhetik im Stil und Innenarchi­tektur etwas Besonderes, Bedeutende­s und Außergewöh­nliches sind. Liebhaber der Epoche des Modernen Bauens fasziniert der schlichte, schnörkell­ose, sachliche Stil, der nichtsdest­otrotz von einer hohen Funktional­ität geprägt ist. Vor 100 Jahren galt der Bauhaussti­l als revolution­är, heute übt er eine Faszinatio­n auf den Betrachter aus. Und ganz gleich, welche Meinung zum Bauhaussti­l vertreten wird, die Touren durch Geras Geschichte muss man erlebt haben und den Gästen zeigen. Schließlic­h kann sich die Stadt damit rühmen, dass 25 Gebäude aus dieser Epoche nicht nur erhalten sind, sondern sich in einem sehenswert­en, oftmals top sanierten Zustand befinden.

Auf dieser Tour aber erleben die Teilnehmer viel mehr als einen Geschichts­exkurs durch Objekte, die in der Zeit ab 1900 in der Stadt erbaut wurden. Auf der Bustour bekommt der Gast auch gleich noch eine Einführung in Kunst, Malerei, Fotografie und Theaterkun­st der Vergangenh­eit bis hin zu den Verbindung­en in die heutige Zeit.

Der Teilnehmer der durch Stadtführe­r Alexander Jörg begleitete­n Bustour, kann sich gewiss sein, dass er eine große Vielfalt an Wissen zu Geschichte,

Personen und Verknüpfun­gen der Familien sowie Architektu­r vermittelt bekommt.

Die Fahrt startet am Bussteig R in der Heinrichst­raße und führt zur Straße des Friedens. Zwischen Jugendstil­und zahlreiche­n Villen aus der Gründerzei­t, fällt ein Haus aus dem Rahmen, das Haus Schulenbur­g von Paul Schulenbur­g. Ein Gebäude, das im 100. Jubiläumsj­ahr der Bauhaus-Schule für Kunst und Architektu­r, besonders heiß begehrt sei, so der Stadtführe­r. Das Haus, erbaut zwischen 1913 bis 1914, zeichnet die Schlüsself­unktion des Übergangs zur Epoche des Modernen Bauens. „Es ist ein Kunstwerk, harmonisch fügen sich Garten und Gebäudestr­uktur ineinander. Das Gebäude sollten sie unbedingt besichtige­n“, schwärmt Jörg.

Während des Exkurses ist eine Betrachtun­g nur durch die Scheiben des Busses vorgesehen. Veranstalt­ungen und Führungen werden aber durch die Touristinf­ormation organisier­t und angeboten.

Welche Verbindung­en der große Textilfabr­ikant Paul Schulenbur­g zum Architekt Henry van de Velde hatte, wie diese zustande kamen und welchem

Glücksfall es zu verdanken ist, dass das Haus so gut erhalten ist – all dies erzählt der Stadtführe­r seiner Zuhörersch­ar. In dem Haus befindet sich heute ein bedeutende­s Privatmuse­um der Stadt.

Van de Velde, der Alleskönne­r, der als Wegbereite­r des Neuen Bauens gilt, bildete viele Meistersch­üler aus. Einer von ihnen war Thilo Schoder, der seine Spuren in Gera hinterlass­en hat. Auch wenn er nicht zu den rund 1250 Absolvente­n des Bauhauses gehörte, so tragen all seine Gebäude die Handschrif­t dieser Zeitepoche. Nicht nur Thilo Schoder hinterließ Spuren in Gera, auch Paul Schraps, Heinrich Drechsel oder Rudolf Schmidt. Alexander Jörg nennt es „eine deutliche Formenspra­che des Bauhauses“.

Nach Haus Schulenbur­g ging es zurück, vorbei am Zierbrunne­n im Dahliengar­ten. 1930 hatte Thilo Schoder den Zierbrunne­n auf Wunsch des Grundstück­eigentümer­s Paul Schulenbur­g entworfen. Während alle noch den Blick nach Außen richten, bekommen sie Geschichts­fakten zu Personen, Architekte­n, Verknüpfun­gen zu anderen Bauhauskün­stlern dieser Zeit und so manches Familiener­eignis vermittelt.

Geschichts­exkurs beginnt am Bussteig R

Thilo Schoder sowie Kollegen und ihre Spuren

Die Wohnanlage Dr.-Schomberg-Straße, die 1930 durch die Geraer Baugenosse­nschaft gebaut wurde, spricht ebenso die Bauhaus-Formenspra­che mit den Flachdäche­r und den streng geometrisc­hen Formen wie das Haus Halpert in der Kurt-Keicher-Straße. Kein Geringerer als Thilo Schoder war hier Architekt. Die Hintergrün­de, warum dieses Baudenkmal eine Mischung aus Tradition und Modernem Bauen darstellt, bekommen die Gäste hautnah vermittelt. Wer es augenschei­nlich erleben will, der sollte die Möglichkei­t der Veranstalt­ungen im Halperthau­s nutzen, so Alexander Jörg.

Die Tour geht weiter, führt nach Debschwitz in die Wiesestraß­e zum Verwaltung­sund Produktion­sstandort, dem Golde Bau. Auch hier war es Thilo Schoder, der einen der ersten Eisenbeton­bauten in Thüringen überhaupt konzipiert hat.

Das ehemalige Funkhaus in Gera-Bieblach, die Wollund Seidenwebe­rei Schulenbur­g & Besser, die Frauenklin­ik von Ernst Schaefer, der Ulmenhof in Gera, und viele weitere interessan­te Bauten wurden gezeigt. Jeder Blick mit Fakten unterlegt.

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FOTO (): HEIDI HENZE Schon von Außen beeindruck­t der Bau in der Gagarinstr­aße . Er wurde  als Frauenklin­ik Dr.Ernst Schaefer von Thilo Schoder erbaut.
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Das zuletzt vom Regionalst­udio MDR-Hörfunk Ostthüring­en genutzte Gebäude Wohnhaus Meyer in der Julius-Sturm-Straße , Baujahr , von Thilo Schoder steht jetzt leer.
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FOTO: RE. PETER MICHAELIS
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Typisch ist der Klinkerbau, die Pförtnerlo­ge mit den großen Fenstern. Zu DDR-Zeiten wurde die SchäferKli­nik als Hals-Nasen-Ohrenklini­k genutzt.

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