Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Beschuldigte Kindergärtnerinnen sagen vor Gericht aus
Im Fall Nimritz ringt das Verwaltungsgericht Gera um jeden Fall. Strafermittlungen wurden eingestellt
Nimritz.
Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen zwei Erzieherinnen der kommunalen Kindertagesstätte Zwergenland aus Nimritz bei Pößneck, denen Kindeswohlgefährdung vorgeworfen wurde, sind eingestellt. Einem entsprechenden Antrag muss nur noch das zuständige Amtsgericht zustimmen. Das teilte die Rechtsanwältin Sabine Kraft-Zörcher als Vertreterin der Gemeinde Nimritz mit und wurde von Rechtsanwalt Arne Dorow, Verteidiger der beiden Erzieherinnen, bestätigt.
Das strafrechtliche Verfahren soll gegen eine Geldauflage von jeweils 300 Euro zu Gunsten einer gemeinnützigen Einrichtung eingestellt werden, die beiden Erzieherinnen seien damit einverstanden.
Die Einstellung der Ermittlungen wurde am Dienstag auch im Laufe einer weiteren NimritzVerhandlung vor der 6. Kammer des Verwaltungsgerichtes Gera vom Vorsitzenden Richter Siegfried Sobotta erwähnt.
In einer zeitaufwändigen Beweisaufnahme wurden über mehrere Stunden zunächst die beiden beschuldigten Erzieherinnen gehört, die vor dem Verwaltungsgericht allerdings als Klägerinnen auftreten, weil sie sich gegen die Berufsverbote wehren, die ihnen vom Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport auferlegt wurden. Anschließend wurde wiederum über Stunden jene Erzieherin gehört, die gemeinsam mit einer Kollegin am 22. März die Kindeswohlgefährdung gemeldet und damit die Ermittlungen ins Rollen gebracht hatte. Desweitern stand die Leiterin des Kindergartens im Zeugenstand.
Die Erzieherinnen N. und S., die zu neun beziehungsweise zwölf Vorwürfen im Zusammenhang mit einer ganzen Reihe namentlich genannter Kinder befragt wurden, wiesen die Vorwürfe der Kindeswohlgefährdung wiederholt und entschieden zurück.
„Ich bin froh, dass mich endlich mal einer anhört“, erklärte N. das Gericht. Sie beklagte, dass ihre Arbeit von Landratsamts- und Ministeriumsmitarbeitern zu ihrem Nachteil beurteilt worden sei, ohne dass sich die entsprechenden Leute jemals vorher in Nimritz gezeigt hätten.
S. hatte später in ihrer Vorrede ihre Enttäuschung darüber zum Ausdruck gebracht, dass die ehemaligen jüngeren Kolleginnen nie mit N. und ihr über die im Raum stehenden Vorwürfe gesprochen hätten. Sie stellte zudem fest, dass eine Entscheidung gegen den Wunsch eines Kindes nicht gleich eine Kindeswohlgefährdung sei. Den beschuldigten Erzieherinnen zufolge, seien alltägliche Situationen und normale situationsbedingte Entscheidungen verzerrt dargestellt worden.
In der Befragung von N. spielte beispielsweise ein Mädchen aus der Gruppe der Kleinsten eine Rolle, das während des Mittagessens regelmäßig einschlafe. Der Erzieherin wird vorgeworfen, das Kleinkind deswegen gezwungen zu haben, am Tisch hinterm Stühlchen zu stehen. Die Kleine habe den anderen Kindern zusehen müssen, wie sie essen, außerdem sei ihr der Nachtisch verwehrt worden.
Ja, sie habe die Entscheidung getroffen, dass das Mädchen stehen soll, allerdings nicht zur Strafe, sondern zu ihrem Schutz, denn sie hätte zusammensacken und mit dem Kopf in den Teller stürzen können, so N. Die Eltern des Mädchens hätten Bescheid gewusst, zumal sie von diesen informiert worden sei, dass die Kleine nachts nicht durchschlafe, so N.
H. sagte, dass das Mädchen „komischerweise“nur bei N. eingeschlafen sei. Andere Erzieherinnen hätten es also besser gewusst.
Warum sei sie denn nicht – gerade im Sinne des Kindeswohls – eingeschritten, wollte KraftZörcher von H. wissen. Ihr habe da der Mut gefehlt, antwortete H. Immerhin sei N. die stellvertretende Chefin gewesen. Sie habe als Erzieherin überhaupt keine Spielräume gehabt. So habe sie nicht einmal entscheiden dürfen, welches Kind sie bei Spaziergängen an die Hand nimmt. Sie sei nach den anderthalb Monaten im Zwergenland ein „klinisches Wrack“, „keine Mama und keine Frau“mehr gewesen, beteuerte H. Gleichwohl stellte sie fest: „Ich wollte Nimritz, dem Kindergarten und den Erzieherinnen nie etwas Böses.“
Bei S. wurde lange Zeit der Fall eines anderen Mädchens erörtert, das den Vorwürfen nach „gewaltsam“auf eine Bank gesetzt und „ruckartig“für den Mittagsschlaf ausgezogen worden sei. Hierbei sei es zu einem blauen Fleck am Körper des als zart beschriebenen Kindes gekommen.
Das Kind habe beim Fertigmachen für den Mittagsschlaf nicht mitgewirkt, erläuterte S. In dieser Situation sei sie „mit Bestimmtheit, aber nicht gewaltsam“vorgegangen. Dieser Fall sei es auch gewesen, der sie zum Handeln beziehungsweise zur Anfertigung eines Protokolls veranlasst habe, berichtete später H. Sie belastete S. unter anderem mit der Aussage schwer, dass sie das Mädchen auf die Sitzbank „geknallt“habe. Hierbei sei das Mädchen in Tränen ausgebrochen. H. musste allerdings auf Nachfrage von Anwalt Dorow einräumen, dass sie nicht mit Sicherheit sagen könne, ob der Bluterguss nicht auch eine andere Ursache haben könnte.
Viele Eltern aus dem Nimritzer Kindergarten zeigten im Gericht ihre Solidarität mit den beschuldigten Erzieherinnen. Stefan Comolle, Mitglied im Elternbeirat des Zwergenlandes, stellt in Frage, dass das Schleizer Landratsamt und das Ministerium vor dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren rechtsstaatlich gehandelt hätten. „Ich bin froh darüber, dass das Gericht jetzt für Gerechtigkeit sorgt“, so Comolle.
Ich wollte Nimritz, dem Kindergarten und den Erzieherinnen nie etwas Böses.“Erzieherin H., die Vorwürfe gegen ihre Kolleginnen erhoben hatte