Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Homeoffice geht vielen auf die Nerven
Eine Studie der AOK zeigt: Die psychischen Belastungen beim mobilen Arbeiten sind größer als erwartet
Berlin.
Homeoffice – das klingt für viele Arbeitnehmer verheißungsvoll: nach größerer Freiheit, höherer Flexibilität und besserer Konzentration. Doch in der Realität ist die Arbeit am heimischen Schreibtisch oft belastender als eine Beschäftigung im Büro. Für den neuen Fehlzeiten-Report der AOK wurden dazu rund 2000 Beschäftigte zwischen 16 und 65 Jahren befragt – das Ergebnis: Wer im Homeoffice arbeitet, fühlt sich demnach oft erschöpfter, genervter und reizbarer als die Kollegen im Büro.
Die Grenze zwischen Job undPrivatleben verschwimmt
ten im Büro. Auch Lustlosigkeit, Konzentrationsprobleme und Schlafstörungen spüren die Heimarbeiter demnach stärker als die Büromenschen. „Wer viel im Homeoffice arbeitet, leidet häufiger unter solchen Problemen als andere Beschäftigte“, sagt Helmut Schröder, Mitherausgeber des Fehlzeiten-Reports. „Im Homeoffice verschwimmt die Grenze zwischen Job und Privatleben stärker.“
Jeder Dritte hat Probleme, nach Feierabend abzuschalten
Feierabend abzuschalten. Das Gleiche gilt auch für Urlaubszeiten: Wer einen klaren Schnitt macht und das Büro während seines Urlaubs nicht betritt, kann offenbar besser berufliche Probleme hinter sich lassen als Beschäftigte, bei denen Wohnen und Arbeiten am selben Ort stattfinden.
Jutta Krellmann, Arbeitsexpertin der Linken, sieht die Ergebnisse der Studie mit Sorge: „Wenn Arbeit und Privatleben verschwimmen, macht das krank.“Wer ständig erreichbar sei, könne sich nicht richtig erholen und brenne mit der Zeit regelrecht aus. „Häufig gibt es gar keinen vernünftigen Grund für ständige Erreichbarkeit. In vielen Betrieben wird sie erwartet, weil sie vermeintlich dazugehört. Eine regelrechte Unkultur hat sich breitgemacht.“
Viele sehen aber auch die Vorteile der Arbeit im Homeoffice
Hause mehr Arbeit bewältigen können. Drei Viertel schätzen daran, dass sie konzentrierter arbeiten können als am Arbeitsplatz im Büro.
Hinzu kommt: Trotz der höheren psychischen Belastung haben Beschäftigte im Homeoffice geringere Fehlzeiten (im Schnitt 7,7 Tage pro Jahr) als solche, die nur am Unternehmenssitz tätig sind (11,9 Tage). StuBjörn Böhning, Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium dienautor Schröder hat eine Erklärung dafür: „Im Homeoffice lassen sich die Arbeitszeiten passgenauer einteilen. Unter Umständen arbeiten die Menschen im Krankheitsfall weniger und holen die verlorene Arbeitszeit dann nach.“
Homeoffice verlangt deutlich mehr Selbstdisziplin
„Es mag auf den ersten Eindruck wie ein Widerspruch klingen, dass sowohl die psychischen Belastungen als auch die Arbeitszufriedenheit im Homeoffice höher sind“, sagt Antje Ducki, Professorin an der Berliner Beuth-Hochschule für Technik. und Mitherausgeberin der Studie. Ob sich gesundheitsförderliche oder gesundheitsschädigende Effekte ergeben, sei jedoch von der konkreten Gestaltung der Arbeit abhängig und von den digitalen Kompetenzen der Menschen. „Da die digitalen Techniken rund um die Uhr zur Verfügung stehen, braucht es beispielsweise mehr Selbstdisziplin des Einzelnen, sie auch mal auszuschalten.“
Weniger als jeder Sechste arbeitet im Homeoffice
Laut AOK-Umfrage arbeiten derzeit gut 16 Prozent der Beschäftigten überwiegend von zu Hause aus. Die amtlichen Zahlen liegen noch darunter: Nach den jüngsten Daten des Statistischen Bundesamts arbeiteten 2017 in Deutschland nur rund elf Prozent der Erwerbstätigen zwischen 20 bis 64 Jahren gewöhnlich oder gelegentlich im Homeoffice. Bei Beschäftigten mit zwei Kindern lag der Anteil der Homeoffice-Nutzer immerhin bei 14 Prozent.
Insgesamt nutzen Frauen das Homeoffice etwas seltener als Männer: Der Anteil der Frauen, die von zu Hause aus arbeiteten, lag 2017 mit zehn Prozent leicht unter dem der Männer (12 Prozent). Der Unterschied zwischen Frauen und Männern dürfte unter anderem daran liegen, dass wesentlich mehr männliche Selbstständige ihre Tätigkeit ab und zu oder ausschließlich von zu Hause aus ausüben.
„Zu einer modernen Arbeitswelt gehört, dass Menschen, die zu Hause arbeiten können und wollen, auch die Möglichkeit dazu haben.“