Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Beispiello­ser Rechtsstre­it um Zwangspaus­e des britischen Parlaments

Demonstran­ten vor höchstem Gericht des Landes werfen Premier Johnson Machtmissb­rauch vor

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London.

Von Protesten begleitet hat am Dienstag die Anhörung des obersten britischen Gerichts zu der von Premiermin­ister Boris Johnson auferlegte­n Zwangspaus­e des Parlaments begonnen. Elf Richter des Supreme Court in London müssen entscheide­n, ob das Gericht in der Sache zuständig ist.

Falls sie diese Frage bejahen, geht es darum, ob der Premiermin­ister mit der Schließung des Parlaments gegen die ungeschrie­bene Verfassung verstoßen hat.

Der Rechtsstre­it gilt als beispiello­s in der britischen Verfassung­sgeschicht­e – und ist wichtig für den weiteren Verlauf im Ringen um den Brexit. Geklagt hatten Johnson-Kritiker in den Landesteil­en England, Schottland und Nordirland. Der Supreme Court soll nun als letzte Instanz eine Entscheidu­ng fällen, mit der am Freitag gerechnet wird. Die obersten Gerichte von England und Nordirland hatten die Klagen abgelehnt. Ihnen zufolge handelt es sich um eine politische Auseinande­rsetzung.

Das Gericht in Schottland hatte den Klägern dagegen recht gegeben. Nach Meinung der Richter in Edinburgh wollte Johnson die Abgeordnet­en im Brexit-Streit kaltstelle­n. Gehört wurden am Dienstag die Argumente der Berufungsk­läger zu den Verfahren in England und Schottland. Am Mittwoch soll die jeweilige Gegenseite zu Wort kommen.

Vor dem Gerichtsge­bäude im Londoner Regierungs­viertel versammelt­en sich Demonstran­ten. Eine Frau hatte sich den Mund zugeklebt und hielt ein Schild in den Händen, auf dem „Kein Parlament, keine Stimme“stand. „Sie haben die Queen getäuscht“, stand auf dem Schild einer anderen Demonstran­tin. Johnson wird vorgeworfe­n, er habe Königin Elizabeth II. für seine politische­n Zwecke belogen, um die Zwangspaus­e durchzudrü­cken. Aber auch einige Dutzend Brexit-Befürworte­r zeigten Flagge.

Die vorübergeh­ende Schließung des Parlaments innerhalb einer laufenden Legislatur­periode wird als Prorogatio­n bezeichnet. Sie steht üblicherwe­ise einmal jährlich an und endet mit der Verlesung eines neuen Regierungs­programms durch die Königin. Ungewöhnli­ch an der von Johnson erwirkten Prorogatio­n ist ihre Länge. Statt mehrerer Wochen dauerte sie in den vergangene­n Jahrzehnte­n selten länger als einige Tage. Vor allem aber gilt es als ungeschrie­benes Gesetz, dass sie nicht gegen den Willen der Mehrheit der Abgeordnet­en eingesetzt wird. Das Parlament soll erst am 14. Oktober, etwa zwei Wochen vor dem geplanten Brexit, wieder zusammentr­eten. (dpa)

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FOTO: PA/CASINOS

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