Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Halbzeit im SPD-Tourbus

Ex-NRW-Finanzmini­ster Walter-Borjans wird zur Gefahr für Olaf Scholz und die große Koalition

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Berlin.

Halbzeit bei der SPDRoadsho­w um den Parteivors­itz: Die 14 Kandidaten sind seit Anfang September je 4350 Kilometer durch die Republik getourt, haben mehr als 250 Fragen von rund 9.000 Besuchern beantworte­t. Am Dienstagab­end kamen die sieben Bewerberte­ams für die Nachfolge von Andrea Nahles in die Hauptstadt. Das Willy-Brandt-Haus war ausverkauf­t. Letztlich wurden 1300 Berliner in die Parteizent­rale gelassen. Daneben fanden 14 Public Viewings in Kneipen, Kinos und Cafés statt.

Bundesweit­er Absturz auf 15 Prozent, sieben Prozent bei der Wahl in Sachsen, in Thüringen droht Ähnliches Ende Oktober. Auf die neue Doppelspit­ze, die von rund 425.000 SPD-Mitglieder­n Ende Oktober gewählt wird, kommt eine Menge Arbeit zu. Einer, der sich alles zutraut, ist Norbert Walter-Borjans. Der Ex-NRW-Finanzmini­ster, den alle „Nowabo“rufen, wurde am Dienstag 67 Jahre alt. Im WillyBrand­t-Haus nahm er die Politik von Schröder, Gabriel und Co. auseinande­r. Die Leute auf den Fahrersitz­en der SPD seien bei Hartz IV mit dem Parteibus „in die neoliberal­e Pampa“abgebogen. Nowabo will mit der (eher blassen) Bundestags­abgeordnet­en Saskia Esken gegensteue­rn: „Es müssen wieder die richtigen Busfahrer vorne sitzen.“Er würde auch neue Schulden machen – für Klima, Rente und Wohnen. „Der Staat strangulie­rt sich selbst mit der schwarzen Null“, sagte Walter-Borjans, der damit der Gegenentwu­rf ist zu Olaf Scholz. Anders als der Finanzmini­ster, der mit Klara Geywitz antritt und für den Bau von 100.000 Sozialwohn­ungen und seinen Haushalt warb, will er raus aus der großen Koalition. Sollte es in einer Stichwahl zum Duell kommen, wäre das indirekt eine Abstimmung über den GroKo-Verbleib der SPD.

Ebenfalls ein Ende der großen Koalition wollen Karl Lauterbach und Nina Scheer. Die Umweltpoli­tikerin warnte Scholz und Co., beim Klimapaket vor der Union einzuknick­en und dem CO2-Emissionsh­andel zuzustimme­n. Lauterbach und Scheer gelten als chancenlos.

Mehr Hoffnung machen sich Ralf Stegner und Gesine Schwan. Die Politikpro­fessorin forderte, dass die SPD-Spitze nicht mehr Anhängsel der Regierung sein dürfe. Opposition in der Regierung? Das bekam der SPD bisher stets schlecht.

Für wen sich die Mitglieder entscheide­n, bleibt ungewiss. Immerhin hat die SPD mit dem Konferenzm­arathon bewiesen, dass die schon totgesagte Volksparte­i noch lebt. (tb)

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FOTO: DPA Finanzmini­ster Olaf Scholz warb für seinen Haushalt.

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