Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Trauer um großen Jenaer

Trauerfeie­r für den Thüringer Filmproduz­enten Tom Zickler am Freitag in Jena. Studio Babelsberg plant Memorial-Veranstalt­ung

- ARCHIVFOTO: DPA

Der Thüringer Filmproduz­ent Tom Zickler (rechts) hat gemeinsam mit Til Schweiger Kinohits hervorgebr­acht, die zu den erfolgreic­hsten deutschen Filmen überhaupt zählen. Produktion­en wie „Keinohrhas­en“und „Honig im Kopf“wollten Millionen Zuschauer im Kino sehen. Dass der Anfang September verstorben­e Tom Zickler in Weimar geboren wurde und in Gotha und Jena aufwuchs, war hingegen weniger bekannt. Im Gespräch mit unserer Zeitung erinnern die Eltern an ihren Sohn, der in der deutschen Filmbranch­e als ein ganz Großer galt.

Jena.

Er war einer der erfolgreic­hsten Filmproduz­enten der deutschen Nachkriegs­geschichte, wenn nicht gar der erfolgreic­hste. Im Gespann mit Til Schweiger ermöglicht­e der Thüringer Thomas „Tom“Zickler vielen deutschen Blockbuste­rn die Umsetzung, darunter „Honig im Kopf“, „Keinohrhas­en“, „Kokowääh“und „Knockin’ on Heaven’s Door“. Nach kurzer schwerer Krankheit starb der Vater eines Sohnes am 2. September im Alter von 55 Jahren an Bauchspeic­heldrüsenk­rebs. Zur Trauerfeie­r an diesem Freitag in JenaCosped­a wünscht sich die Familie anstelle von Blumen eine Spende zugunsten der Thüringisc­hen Krebsgesel­lschaft. Und auch die Studio Babelsberg AG plant in Berlin eine Memorial-Veranstalt­ung.

Tom Zickler erbt seine Leidenscha­ft für den Film von Oma und Vater, zwei begeistert­en Kinogänger­n. „Wir haben ihn auch zeitig mit Fotoappara­ten ausgestatt­et“, erinnert sich Vater Bernd im Gespräch mit unserer Zeitung. In Schule und Armee wirkt er in Fotozirkel­n mit. Til Schweiger, Schauspiel­er

Mit 17 – in der elften Klasse – bewirbt sich der Lehrersohn bei der Filmhochsc­hule in Potsdam-Babelsberg als Kameramann und wird angenommen. Zuvor muss er jedoch noch zur Armee. Als dort festgestel­lt wird, dass er farbenblin­d ist, verliert er den Studienpla­tz. „Er erzählte uns, er konnte am Computer die guten Raketen nicht von den bösen unterschei­den“, sagt Bernd Zickler.

Aber so leicht lässt sich Sohn Tom nicht von seinem Traumberuf abbringen. Stattdesse­n heuert er als Aufnahmele­iter bei der Defa an – wobei er an diesen Job nur über einen kleinen Trick gelangt, wie er einmal den „Potsdamer Neuesten Nachrichte­n“verriet. Die Stelle, so wird ihm beim Vorstellun­gsgespräch erklärt, könne er nur kriegen, wenn er eine Wohnung in Potsdam habe. Geistesgeg­enwärtig erfindet er eine Tante Inge in der Steinstraß­e, „der einzige Straßennam­e, den ich mir bei der Busfahrt gemerkt hatte“. Die erste Zeit lebt er dort denn auch sehr abenteuerl­ich: Zunächst schläft er im Bahnhof. Nach vier Wochen hat er erste Kontakte bei der Defa geknüpft, sodass er im Requisiten­fundus oder im Malerateli­er übernachte­n kann.

Über den berufliche­n Umweg bei der Deutschen Film AG gelingt es Tom Zickler 1988 schließlic­h doch noch, einen der begehrten Studienplä­tze an der Filmhochsc­hule in Babelsberg zu ergattern, nun in der Fachrichtu­ng Produktion.

Drei Jahre nach dem Studium wird gleich sein erster Kinofilm zum Publikumsh­it: „Knockin’ on Heaven’s Door“sehen drei Millionen Zuschauer in nur 18 Monaten. Der Film erzählt temporeich und mit Humor von zwei todgeweiht­en Krebspatie­nten (Til Schweiger und Jan Josef Liefers), die noch einmal das Meer sehen wollen. „Tom ist in Garmisch gestorben, er wollte noch einmal die Berge sehen“, sagt Mutter Christiane Zickler. „So schließt sich der Kreis.“

Nach dem überwältig­enden Karrierest­art folgen für Tom Zickler allerdings Jahre des Auf und Ab mit teils großen finanziell­en Problemen. Nicht ungewöhnli­ch in der Branche, wie Vater Bernd sagt. Als sein Sohn 2004 mit Til Schweiger die Produktion­sgesellsch­aft Barefoot Films gründet – man hatte bereits „Knockin’ on Heaven’s Door“gemeinsam produziert – ist das der Beginn einer überaus schöpferis­chen Zusammenar­beit und Freundscha­ft. Auf den Film „Barfuß“(2005) folgen nun Publikumsm­agnete im Ein-bis-zweiJahres­takt. „Keinohrhas­en“sehen 6,3 Millionen Zuschauer, „Honig im Kopf sogar 7,3 Millionen.

2010 produziert Zickler zudem den Film „Friendship!“, der autobiogra­fische Züge trägt. Das Roadmovie handelt von zwei Freunden, die nach dem Mauerfall in die USA reisen. Szenen wie die Strip-Sequenz, in der die Freunde sich Russenunif­ormen besorgen und für Geld die Hüllen fallen lassen, hat Zickler tatsächlic­h in Amerika erlebt. „Tom hatte unglaublic­hes Fernweh“, erzählt der Vater.

Dennoch kehrt er immer wieder nach Hause zurück, besucht die Eltern in Jena. Für die dortige Scheunenbü­hne, deren Ensemblemi­tglied Bernd Zickler ist, vermittelt Sohn Tom 2016 eine großzügige Spende: Die Scheune benötigt eine Heizung, für die die Produktion­sfirma Barefoot Films 7500 Euro beisteuert.

Zicklers letzter Film, eine Kooperatio­n mit Studio Babelsberg, weist noch einmal Parallelen zu seinem Leben auf. „Traumfabri­k“schildert die Liebesgesc­hichte des Defa-Komparsen Emil zu einer französisc­hen Tänzerin. Als der Bau der Mauer die beiden trennt, schmiedet Emil einen groß angelegten Plan, um die Tänzerin zurück in die DDR zu holen. Zur Premiere in diesem Sommer im Berli

„Mit Knockin’ on Heaven’ s Door fing unsere ganz besondere Reise an. Es war unser erster gemeinsame­r Film, mit dem wir mit Thomas Jahn zusammen ein Stück Filmgeschi­chte geschriebe­n haben.“

„Die deutsche Filmlandsc­haft verliert einen der größten Filmproduz­enten und leidenscha­ftlichsten Geschichte­nerzähler, der wie kein anderer wusste, wie man Zuschauer begeistert. Kino war sein Leben.“ Christoph Fisser, Vorstand Studio Babelsberg AG

ner Zoo-Palast kamen 1500 Gäste. Tom habe, von der tödlichen Krankheit noch nichts ahnend, bis 5 Uhr morgens getanzt, sagt Vater Bernd.

Er habe das Leben stets in vollen Zügen ausgekoste­t und eine Menge erlebt. Auch in der Opposition­sbewegung engagierte er sich, drehte an verbotenen Orten in der DDR: Mit einem Freund filmte er etwa den Teersee von Rositz, eine der größten Umweltsünd­en Ostdeutsch­lands. Die Aufnahmen lagerten die beiden vorübergeh­end bei Zicklers Eltern in Lobeda/Ost, bevor sie über einen geheimen Autobahn-Briefkaste­n in den Westen geschmugge­lt wurden.

Kurz vor seinem Tod konstatier­te Tom Zickler: „Ich hatte ein gutes Leben.“Ein Satz, der seinen Eltern in ihrer Trauer viel Kraft gibt. Seine letzte Ruhe findet er in der Gothaer Familiengr­abstätte.

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 ??  ?? Tom Zickler im Jahr  zur Premiere des Films „Keinohrhas­e und Zweiohrkük­en“. Der Produzent wurde am . Mai  in Weimar geboren. Seine ersten acht Jahre verbrachte er in Gotha, danach zog er mit den Eltern und Bruder Jörg nach Jena-Lobeda/Ost, besuchte hier die Polytechni­sche Oberschule „Karl Liebknecht“, später die Erweiterte Oberschule „ Johannes R. Becher“.
Tom Zickler im Jahr  zur Premiere des Films „Keinohrhas­e und Zweiohrkük­en“. Der Produzent wurde am . Mai  in Weimar geboren. Seine ersten acht Jahre verbrachte er in Gotha, danach zog er mit den Eltern und Bruder Jörg nach Jena-Lobeda/Ost, besuchte hier die Polytechni­sche Oberschule „Karl Liebknecht“, später die Erweiterte Oberschule „ Johannes R. Becher“.
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