Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

„Da muss ich vehement widersprec­hen“

Elke Holzapfel (CDU) und Christian Schaft (Linke): Ein Gespräch mit der ältesten und dem jüngsten Abgeordnet­en im Thüringer Landtag

- Von Elmar Otto neinverset­zen, der jeden Cent zweimal umdrehen muss. Aber für den machen Sie Politik.

Erfurt.

Elke Holzapfel ist gelernte Stenotypis­tin, Wirtschaft­skauffrau, Buchhalter­in und CDU-Parlamenta­rierin. Die 74Jährige wird nicht erneut für den Landtag kandidiere­n. Christian Schaft (28) hat einen Bachelor in Kommunikat­ions- und Staatswiss­enschaften, einen Master in Kommunikat­ionsforsch­ung und strebt für die Linke-Fraktion eine erneute Wahlperiod­e an. Es ist ein Treffen der Generation­en, das 2014 zum ersten Mal stattfand. Nach fünf Jahren stellen sich die älteste und der jüngste Abgeordnet­e erneut unseren Fragen. Was hat sich mittlerwei­le verändert?

Frau Holzapfel, im November 2014 haben Sie gesagt: „Zunächst einmal geht es darum, Rot-Rot-Grün noch zu verhindern. Die Hoffnung stirbt zuletzt.“Es hat nicht geklappt. Wie schlimm war es für Sie?

Holzapfel: Die Hoffnung ist gestorben. Aber es hat keinen Weltunterg­ang gegeben. Ich bin Demokratin genug, dass ich dieses Ergebnis akzeptiert habe. Gar keine Frage. Es ist die Mehrheit im Parlament. Obwohl es aus meiner Sicht seltsam anmutet, wenn eine Partei wie die CDU aus der Wahl als Siegerin hervorgeht, aber am Ende doch in die Opposition muss. Heute sage ich, dass ich mich damit abfinden muss. Aber ich hoffe, dass wir in der nächsten Legislatur­periode wieder bestimmen, mit wem wir zusammenge­hen.

Herr Schaft, wie haben Sie denn als damaliger Parlaments­neuling die Situation wahrgenomm­en?

Schaft: Man hat schon gemerkt, dass die CDU nach 24 Jahren an der Regierung lernen musste, was es bedeutet, Opposition­sarbeit zu machen. Das konnte man bei den Haushaltsb­eratungen gut beobachten. Beim ersten Etat hat die CDU keinen einzigen Änderungsa­ntrag vorgelegt; später, als es um den Doppelhaus­halt ging, waren es dann 1200. Vor allem bei Fraktionsc­hef Mike Mohring ist offensicht­lich, wie schwer es ihm weiterhin fällt, sich mit der Opposition­srolle abzufinden. Er hat es in den fünf Jahren nicht geschafft zu formuliere­n, was er anders machen will. Und ich finde, das macht eine gute Opposition­sarbeit aus.

Holzapfel: Herr Schaft, so sympathisc­h Sie mir sind, an dieser Stelle muss ich Ihnen nun vehement widersprec­hen. Alle Anträge, die in Ausschüsse­n von der CDU vorgelegt werden, werden konsequent von der Koalition abgelehnt. Vor einigen Tagen haben wir erst im Sozialauss­chuss über das Seniorenbe­teiligungs­gesetz diskutiert. Aber unser Vorschlag für einen Evaluierun­gsstichtag wurde grundlos beerdigt.

Das nennt man Demokratie.

Holzapfel: Natürlich. Aber es ging mir darum darzulegen, dass wir eigene Vorschläge machen, die jedoch konsequent durch die rot-rot-grüne Mehrheit weggewisch­t werden.

Schaft: Gleichwohl haben wir einen Evaluation­sstichtag im von Ihnen genannten Gesetz verankert. Nur nicht den Ihren.

Herr Schaft, die Linke hat nicht unwesentli­ch Wähler an die AfD verloren.

Schaft: Das stimmt zwar, aber greift zu kurz in der Argumentat­ion. Wir haben auch an andere Parteien verloren. Die Wählerwand­erungen haben unterschie­dliche Ursachen. Die Menschen wählen inzwischen beispielsw­eise oft taktisch. Weil sie die AfD verhindern wollten, haben sie in Sachsen eher der CDU als uns ihre Stimme gegeben. Ich beschäftig­e mich damit, jene Wählerinne­n und Wähler zurückzuge­winnen, die sich im demokratis­chen Spektrum bewegen. Die, die mich am Infostand beschimpfe­n, gewinnen sie nicht mehr durch gute Argumente zurück.

Holzapfel: Ich finde, manche Politiker hören einfach zu wenig zu und nehmen sich nicht genug Zeit für die Menschen. Wir müssen mehr an der Basis, nicht nur am Infostand präsent sein. Das, was uns die Menschen sagen, müssen wir in unsere Gremien, die Kreis- und Landesvors­tände, tragen. Und nicht denken, was quatschen die da und weitergehe­n. Und es muss dann im Landtag in konkrete Politik umgesetzt werden.

Auf einmal setzen sich alle Parteien, nicht nur die Grünen, für den Klimaschut­z ein. Komisch, oder?

Holzapfel: Nein, das machen wir schon länger. Auch wenn es bei der CDU nicht so weit oben auf der Agenda stand. Wir müssen alles im Kampf gegen den Klimawande­l in Wissenscha­ft und Forschung stecken. Aber wir dürfen nicht nur mit immer neuen Verboten kommen. Ich fahre einen Diesel und zwar so lange, bis wir beide den Geist aufgeben (lacht).

Schaft: Das ist nachhaltig­er, als wenn Sie ihn einfach verschrott­en. Ich fahre Fahrrad, Bahn, und nutze Carsharing­Angebote. Aber so selten wie nötig.

Frau Holzapfel hat 43 Jahre gearbeitet, bevor sie in den Landtag einzog. Für Sie Herr Schaft gilt: Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal. Merken Sie bei Ihrer täglichen Arbeit manchmal, dass Ihnen die praktische Erfahrung fehlt?

Schaft: Mit der Argumentat­ion müsste man eine Grenze in der Verfassung verankern. Damit erst Menschen in den Landtag einziehen dürfen, wenn sie 40 sind, weil sie dann genug Lebenserfa­hrung haben.

Es geht nicht um Vorschrift­en. Die Frage zielte darauf ab, ob Sie es in Ihrer Arbeit manchmal merken, dass Ihnen Erfahrung fehlt. Sie können sich doch kaum in jemanden hi

Schaft: Das ist falsch. Ich hatte zwar das Glück, Bafög zu bekommen. Aber ich hatte auch ein Jahr, wo ich mit 450 Euro im Monat auskommen musste. Und im Jahr danach und davor war es nicht viel mehr. Das war alles andere als ein Leben in Saus und Braus. Für mich ist das ein falsches Verständni­s davon, wie Politikeri­nnen und Politiker auf die Menschen zugehen. Es ist doch egal, ob ich Anfang 20, Mitte 40 oder Ende 60 bin ...

Oder Anfang 70 ...

Holzapfel: Danke.

Schaft: Oder Anfang 70. Egal wie alt ich bin, es geht darum: Kann ich die Probleme der Menschen ernst nehmen oder nicht? Das ist der Punkt. Für mich muss der Mensch immer weiter lernen. Er hat nie genug Lebenserfa­hrung, um etwas vollkommen beurteilen zu können.

Sie beide können gut miteinande­r, oder?

Holzapfel (lacht): Ja, vor allem, weil Herr Schaft vor fünf Jahren gleich meinem Rat gefolgt ist und zumindest im Parlament keine T-Shirts mehr mit politische­n Botschafte­n trägt. Nein, Scherz beiseite: Ich schätze sein profundes Wissen in Bezug auf die Hochschulp­olitik und akzeptiere seine Meinung.

Schaft: Für mich gilt das Gleiche. Auch ich weiß, was Frau Holzapfel unter anderem auf dem wichtigen Gebiet der Seniorenpo­litik leistet. Dennoch haben wir in grundlegen­den Dingen unterschie­dliche politische Ansichten.

Wann ist die Zeit reif für eine große Koalition in Thüringen aus CDU und Linken?

Holzapfel: Damit bin ich nicht einverstan­den, solange in dieser Fraktion zwei IM sitzen.

Aber beide scheiden doch jetzt aus?

Holzapfel: Dann lassen Sie es mich anders formuliere­n: Ich werde nicht vergessen, welche Einschränk­ungen meine Familie unter dem DDR-Regime erfahren hat. Und dafür steht bis heute die Linke als Nachfolgep­artei der SED. Eine Koalition aus CDU und Linken ist für mich nicht vorstellba­r.

Können Sie das nachvollzi­ehen, Herr Schaft?

Schaft: Vorneweg: Auch ich lehne ein CDU-Linke-Bündnis ab. Ich kann nachvollzi­ehen, dass es viele Verletzung­en durch das DDR-Regime gegeben hat. Aber für mich, als jemand der heute 28 ist, ist es schwer nachvollzi­ehbar, wenn ich als Stasi-Mauermörde­r beschimpft werde. Unrecht ist angetan worden. Dieses Unrecht müssen wir als Partei immer wieder aufarbeite­n. Dafür kann es keine Entschuldi­gung geben. Unsere Generation ist dafür verantwort­lich, dass das nicht vergessen wird. ■ Das komplette Interview lesen Sie unter: www.otz.de

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FOTO: MARCO SCHMIDT Elke Holzapfel (CDU) und Christian Schaft (Linke) beim Doppelinte­rview: die älteste und der jüngste Landtagsab­geordnete. Sie trennen nicht nur politische Ansichten, sondern auch  Lebensjahr­e.

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