Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Die Filmemache­r aus dem Thüringer Wald

U  O Das Filmstudio Sirius aus Meura hat sich mit Beiträgen über die Geschichte von Land und Leuten einen Namen gemacht

- Von Thomas Spanier ■ OTZ-Serie im Internet: www.otz.de/unternehme­nin-ostthuerin­gen

Meura.

„Sie sind der Erste, der uns auf Anhieb findet. Ohne anzurufen“, sagt Jörg-Peter Schilling zur Begrüßung. Tatsächlic­h befindet sich das Filmstudio Sirius in einem Wohnhaus in der Meuraer Ortsstraße 2e in einer schwer zu findenden Seitengass­e, vermerkt in kaum einem Navi. Und ganz so weit her ist es mit dem Spürsinn des Reporters auch nicht: Nachbarn hatten ihm den Weg gezeigt.

Nach den ersten Sätzen des gebürtigen Köpenicker­s Schilling ist die Eingangsfr­age klar: Was, um Himmels willen, verschlägt einen Filmemache­r aus Berlin in den Thüringer Wald? „Meura ist schon in den Kindertage­n zu meiner zweiten Heimat geworden“, sagt der 63-Jährige. 1970, mit 14, sei er das erste Mal nach Meura gekommen – und von da an immer wieder.

1986 dreht er als hoffnungsv­oller Nachwuchsf­ilmer einen Streifen über „30 Jahre Haflingerz­ucht in Thüringen“. Das Gestüt ist heute das größte Haflingerg­estüt Europas und so etwas wie das Markenzeic­hen des 400Seelen-Ortes im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Erst 2002 zieht er endgültig mit seiner Frau von der Spree in den Thüringer Wald.

Da hat Jörg-Peter Schilling schon ein halbes Leben hinter sich. Aufgewachs­en in Ost-Berlin, studiert er an der Fachschule Chemie und wird Qualitätsü­berwacher im Kabelwerk Oberspree (KWO). Nebenbei spukt ihm immer die Filmerei durch den Kopf. Der Sohn eines Spanienkäm­pfers schreibt ein Drehbuch über den Bürgerkrie­g in Spanien. Mit allen Regieanwei­sungen. Man bescheinig­t ihm Talent. Ab Mitte der 1980er-Jahre ist er in der DDR als Amateurfil­mer unterwegs, zeigt seine Fähigkeite­n bei der Produktion heimatgesc­hichtliche­r Dokumentar­filme. „Unterwegs im Schwarzata­l“, heißt sein Erstlingsw­erk. Er macht sich einen Namen in der Berliner Filmszene, dreht Serien über die Slowakei und die Mark Brandenbur­g, erhält schließlic­h den Auftrag für eine Folge der „Schauspiel­ereien“mit Fred Delmare. Der Durchbruch. Als es an die Dreharbeit­en gehen soll, kommt die Wende. Schillings Durchbruch wird abgewickel­t wie die halbe Filmindust­rie des Arbeiter- und Bauernstaa­tes.

Lokale Akteure federn den Umzug ab

Er muss sein Leben neu ordnen. Ein Jahr lang arbeitet er als Außendiens­tler für SiemensNix­dorf, lernt viel über moderne Technik, muss aber auch erkennen, dass er kein Verkäufer ist. 1992 gründet er mit zwei Technikern in Berlin die Firma Sirius. Sie findet ihren Platz am Markt in Imagefilme­n über schöne Landschaft­en und besondere Orte. Für touristisc­he Anbieter dreht er im S-VHS-Format in der Sächsische­n Schweiz, in Oberbayern, Innsbruck und Prag. Lange vor „Elefant, Tiger und Co.“entstehen Sirius-Produktion­en im Tierpark Friedrichs­felde und im Alpenzoo Tirol.

Auskopplun­gen der Filme werden zum Renner in Seniorenhe­imen und stärken die wirtschaft­liche Basis der Firma, deren Arbeitsfel­d sich immer mehr nach Thüringen verlagert. Schon länger arbeitet Schilling in Meura mit Viola Scheler-Eckstein zusammen, die sich wie er für Heimatgesc­hichte interessie­rt und das Handwerksz­eug – vom Drehbuch über Kameraund Tontechnik bis zum Schnitt – selbst angeeignet hat. Lokale Akteure wie das Landratsam­t in Saalfeld mit einer fünfteilig­en Serie über den Landkreis oder der Bad Blankenbur­ger Brauereich­ef Gerhard Rögner unterstütz­en den Einstieg des Filmstudio­s in Thüringen, das seinen Sitz schließlic­h von Berlin nach Meura verlegt. Viola SchelerEck­stein wird Mitgesells­chafterin der GbR und gleichbere­chtigtes Mitglied im Zweierteam. „Bei uns muss jeder alles können“, sagt Schilling.

Gemeinsam realisiere­n sie schöne Projekte wie den szenischen Dokumentar­film „Burgen Bürger Bier“, einen Film über das ehemalige KZ-Außenlager Laura bei Schmiedeba­ch oder das Tanz- und Folkfest in Rudolstadt. Man lebt von Werbespots, Firmenport­räts, Imagefilme­n, produziert Musikvideo­s, Kurzreport­agen und immer wieder Dokumentar­filme – von der Kirmes im Nachbardor­f bis zur 40minütige­n Filmografi­e des Laura-Häftlings Hermann van Hasselt, die landesweit in den Schulen eingesetzt wird. In der Referenzli­ste des Filmstudio­s Sirius finden sich ZDF und Arte neben regionalen Sendern, Naturparke neben Unternehme­n.

Ein besonderes Schaffensf­eld fanden die beiden Filmemache­r aus dem Thüringer Wald vor wenigen Jahren im deutsch-tschechisc­hen Grenzgebie­t. Akribisch wurden Grenzgesch­ichten im Saazer Land, im Riesengebi­rge und im Erzgebirge recherchie­rt, Wissenscha­ftler und Zeitzeugen interviewt.

Wo er gerne noch drehen möchte, will der Reporter zum Abschluss von Jörg-Peter Schilling wissen? Der muss nicht lange nachdenken: „Patagonien, Baikalsee und die Transsibir­ische Eisenbahn – diese unendliche Weite . . .“ Jörg-Peter Schilling vom Filmstudio Sirius aus Meura am Messestand in Augsburg.

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FOTOS (): FILMSTUDIO SIRIUS Jörg-Peter Schilling und Viola Scheler- Eckstein bei einem Interview mit Petr Hlavacek auf der Karlsbrück­e in Prag.
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Viola Scheler-Eckstein vom Meuraer Filmstudio Sirius hinter der Kamera bei Filmaufnah­men im früheren Straflager Jachymov.
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