Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Das neue Bild vom Tier

Der Erfurter Meeresbiol­oge und Verhaltens­forscher Karsten Brensing plädiert für Persönlich­keitsrecht­e

- Von Anette Elsner ■ Karsten Brensing: Das neue Bild vom Tier. Freitag, . September, . Uhr, Altes Schauspiel­haus Erfurt, Klostergan­g 

Erfurt.

Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es spürt wie du den Schmerz: Wer mit dem Großvater durch den Garten ging, lernte mit diesem Spruch, dass man Fliegen nicht die Flügel abreißt, den Dackel nicht mit einem harten Ruck an der Leine aus dem Beet zerrt oder das Kaninchen am Schwanz festhält. Im Idealfall hielt die Erfahrung bis ins Erwachsene­nalter und wurde auf Pflanzen, Einzeller und andere Lebewesen übertragen.

Heute haben Wissenscha­ftler die Großväter abgelöst und mit Forschung untermauer­t, was für diese schlicht zu anständige­m Verhalten gehörte. Aber: „Unsere Moral hinkt unserem Wissen hinterher“, sagt Karsten Brensing. Der promoviert­e Meeresbiol­oge aus Erfurt fordert das Gleiche wie die Großväter: Anerkennun­g der Tiere als Individuen, die mit Respekt zu behandeln sind.

Aber er geht noch weiter und möchte Persönlich­keitsrecht­e für Tiere in der Rechtsprec­hung verankert sehen. „Denn sie stehen in Individual­ität den Menschen in nichts nach. Sie werden nicht vom Instinkt geleitet, sondern von Denken und Fühlen, genau wie wir auch. Etwas anderes gibt es nicht.“

Meisen können in Sätzen reden, Delfine beherrsche­n eine komplexe Grammatik und am Quaken eines Frosches können wir hören, wie es ihm geht: Viele solcher wissenscha­ftlich untermauer­ter Beispiele kann Karsten Brensing anführen, wenn es um die Ähnlichkei­t von Tieren und Menschen geht.

Diese Gemeinsamk­eiten müssen genutzt werden, findet Brensing – und sie müssen seiner Ansicht nach dazu führen, dass unser Rechtssyst­em sich ändert, um die Tiere besser zu schützen.

„Am etablierte­n Instrument­arium soll sich gar nichts ändern“, sagt er. Aber er plädiert dafür, neben der natürliche­n und der juristisch­en Person noch die tierliche in die Rechtsprec­hung einzuführe­n. Auf diese Weise wäre es seiner Ansicht nach möglich, Tierschutz- und auch Naturschut­zgesetze effektiver anwenden zu können. Denn dann könnte jeder, der das Wohl von Tieren gefährdet sieht, einen Anwalt einschalte­n, um Abhilfe zu schaffen.

Derzeit sei das in manchen Bundesländ­ern noch nicht einTiersch­utzorganis­ationen möglich, sondern nur der Staatsanwa­ltschaft oder Veterinärb­ehörden, erklärt Brensing. Das könne zu Interessen­konflikten führen.

Iri heißt die Organisati­on, die Karsten Brensing mitgegründ­et hat, um sein Vorhaben umzusetzen. Vom Juristen über den Philosophe­n, Politikwis­senschaftl­er, Journalist­en und Agrarwisse­nschaftler bis hin zum Experten für Künstliche Intelligen­z reicht das Spektrum der Fachleute im wissenscha­ftlichen Beirat von Iri, der sich auch zum Ziel gesetzt hat, globales Tierrecht zur wissenscha­ftlichen Disziplin zu entwickeln.

„Ein Zusammenle­ben mit Tieren kann für beide Seiten Vorteile bringen und sollte daher auf Gegenseiti­gkeit beruhen“ist einer der Grundsätze von Iri, der Individual Rights Initiative (Initiative für Persönlich­keitsmal rechte). Ihr prominente­ster Unterstütz­er ist der Schauspiel­er Hannes Jaenicke.

Am heutigen Freitag ist Karsten Brensing in Erfurt zu Gast, um dort seine Ideen und sein jüngstes Buch zum Thema vorzustell­en: „Die Sprache der Tiere: Wie wir einander besser verstehen“. Auf Einladung des Vereins Kulturquar­tier Erfurt gestaltet Brensing eine Veranstalt­ung im alten Schauspiel­haus Erfurt. Für ihn wird es damit im doppelten Sinne zum Heimspiel, denn sein Großvater Walter Amtrup war dort in den 1950er-Jahren ein bekannter Schauspiel­er, stand später auch in Meiningen auf der Bühne und war 1932/33 bereits als Opernsänge­r am Theater Altenburg engagiert. Johanna Amtrup, seine Frau, war Opernsänge­rin in Erfurt: „Als Kind war ich sehr oft dort“, erinnert sich Brensing. „Meine Großmutter hat nach ihrer Bühnenlauf­bahn dort noch als Pförtnerin gearbeitet und mir oft die Schauspiel­er vorgestell­t.“

Karsten Brensing selbst hat sich als Laien-Kabarettis­t 1988 und 1989 bei Ulf Annel versucht. Der Satiriker des Erfurter Kabaretts „Die Arche“betrieb seinerzeit das „Kleine Theater durcheinan­der“: „Es war ein Hobby“, erzählt Brensing.

Er wird heute Abend keine Gage nehmen, sondern den Erlös der Kulturquar­tier-Initiative spenden. „Wenn das hilft, ist das doch schön“, sagt er.

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FOTO: MILENA SCHLÖSSER/KULTURQUAR­TIER Karsten Brensing und sein Hund – der heißt Darwin.
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COVER: AUFBAU Karsten Brensing: Die Sprache der Tiere. Wie wir einander besser verstehen. Aufbau-Verlag,  Seiten,  Euro.

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