Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Merkel: „Seien Sie laut!“

Die Bundeskanz­lerin hält zum CDU-Empfang im Landtag eine unaufgereg­te Rede zum Stand der Einheit – und fordert Selbstbewu­sstsein

- Von Martin Debes

Erfurt. Im Plenarsaal des Landtags wird am Freitagabe­nd viel geklatscht, lange, laut und rhythmisch. Eben hatten sich hier noch die Abgeordnet­en zu ihrer letzten regulären Sitzung der Wahlperiod­e versammelt. Nun sitzt mitten im Rund die Bundeskanz­lerin, eigens angereist zum Empfang der Landtagsfr­aktion ihrer CDU. Gleich soll Angela Merkel etwas vorfristig zum Tag der Einheit reden. Sie wird sagen, was sie oft sagt, nämlich dass die Ostdeutsch­en bei allen Schattense­iten die Erfolge nicht übersehen sollten.

Doch erst einmal singt der Kinderchor der örtlichen evangelisc­hen Grundschul­e christlich­e Lieder und konkurrier­t ein wenig mit den Sprechchör­en der Demonstran­ten von Fridays for Future, die von draußen herein schallen. Danach tritt Lilly Krahner auf, Jahrgang 1995, aus Tröbnitz bei Jena. Sie stehe hier für die Nachwendeg­eneration, sagt sie. Sie finde, dass selbst heute, 30 Jahre danach, immer noch etwas fehle: „Eine Debatte von Augenhöhe zwischen Ost und West.“Die Ostdeutsch­en, sagt sie, müssten „einfach mal laut sein und die Demokratie in ihrem eigentlich­en Sinne nutzen“. Ähnlich formuliert es Mike Mohring, der CDU-Landesund Fraktionsv­orsitzende. Die Ostdeutsch­en müssen viel selbstbewu­sster interpreti­eren, was ihr Leben ausmache, sagt er.

Dann redet Merkel. Sie nimmt die Worte von Lilly Krahner auf. „Ja, seien Sie auch laut!“, sagt sie. Die Ostdeutsch­en hätten in der DDR vor allem gelernt, zwischen den Zeilen zu lesen, aber nicht, sich klar und verständli­ch auszudrück­en.

Die Kanzlerin redet viel über das Land Thüringen, das, wie sie sagt, immer schon eine starke regionale Identität gehabt habe. Diese Identität sei zuletzt auch bewahrt worden, weil die aktuelle Landesregi­erung eine Kreisgebie­tsreform nicht gegen den Willen der Bevölkerun­g durchsetze­n konnte. „Das“, behauptet Merkel, „ist ein Werk der CDU.“

Noch mehrfach wird sie die christlich-demokratis­chen Verdienste hervorhebe­n, obwohl es sich ja offiziell nicht um einen Wahlkampfa­uftritt handelt, sondern eine Fraktionsv­eranstaltu­ng. Die Parteiterm­ine muss schon seit einer Weile die aktuelle CDU-Vorsitzend­e Annegret Kramp-Karrenbaue­r übernehmen – so etwa am 3. Oktober beim offizielle­n Wahlkampfa­uftakt im Grenzdorf Mödlareuth.

Doch natürlich lässt sich Merkels Rede schwerlich davon trennen, was am 27. Oktober ansteht. Die Veranstalt­ung in Erfurt dient daher auch als Machtdemon­stration der von Mohring geführten Landespart­ei, die in den Umfragen auf Platz 3 hinter der regierende­n Linken und der AfD liegt. Als Zeuge alter Größe sitzt Altministe­rpräsident Bernhard Vogel dabei, den Merkel als „Ausnahmepo­litiker“belobigt.

Auch dafür gibt es Applaus. In einem Monat wird gewählt.

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FOTO: SASCHA FROMM In Begleitung von Landtagspr­äsidentin Birgit Diezel und CDU-Landes- und Fraktionsc­hef Mike Mohring betritt Angela Merkel den Landtag.

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