Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Ende der Welt zurückstel­len

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Im Kirchenbuc­h einer kleinen schwedisch­en Landgemein­de findet sich die schon etwas vergilbte, aber noch gut lesbare Originalre­chnung eines Restaurato­rs aus dem Jahr 1795. Der Mann hatte einige Bilder in der Dorfkirche restaurier­t und der Kirchgemei­nde folgende Arbeiten in Rechnung gestellt:

-Das 2. Gebot verändert, sowie die zehn Gebote lackiert – 3 Kronen

-Pontius Pilatus von allen Seiten poliert – 3 Kronen

-Den Himmel erweitert, das Höllenfeue­r verbessert und dem Teufel ein vernünftig­es Gesicht aufgesetzt – 15 Kronen

-Die Heilige Magdalena, die völlig verdorben war, erneuert – 12 Kronen

-Die klugen Jungfrauen gereinigt – 10 Kronen

-Den Weg zum Himmel deutlicher markiert – 1 Krone

-Die Frau des Potiphar lackiert und ihr den Schmutz vom Hals gereinigt – 5 Kronen

-Das Rote Meer gesäubert – 2 Kronen

-Das Ende der Welt weiter zurückgest­ellt, da es viel zu nahe war – 20 Kronen

Mag sein, dass dies ein bisschen ein „Insider“ist und etwas Humor zum Verständni­s braucht. Doch in dieser originelle­n Rechnung fallen jedenfalls zwei Posten auf, die zurzeit gesellscha­ftlich in aller Munde sind. Das sind ausgerechn­et die günstigste Restaurier­ungsarbeit und die kostspieli­gste. „Den Weg zum Himmel deutlicher markiert“, also die Frage nach Angenommen­sein und Ziel des Lebens, nach unserem „Wohin?“und „Wozu?“. Letztendli­ch die Frage nach Gott, nach einem Vertrauen, das überdauert und uns den Weg zeigt. Schon gut, wenn wir diesen Weg etwas deutlicher erkennen würden.

Und dann ist da noch die teuerste, da mühevollst­e Arbeit: „Das Ende der Welt weiter zurückgest­ellt, da es viel zu nahe war“. Wenn das doch möglich wäre, mit der Energie so vieler Freitage, mit vereinten Kräften, mit Verzicht, Umdenken im Kleinen wie im Großen, mit Stoßgebete­n und der Hoffnung auf Gnade und Bewahrung. Und auch mit einer solchen Art belebenden Humors, gegen den Pessimismu­s unserer Endzeitsti­mmung an.

Es gibt einen Cartoon, dessen Dialog mir immer wieder in den Sinn kommt und hilft. Charly Brown und Snoopy sitzen auf einem Steg und schauen übers Wasser weit in die Ferne. Charly Brown sagt: „Eines Tages werden wir alle sterben.“Snoopy antwortet: „Ja, aber an allen anderen Tagen nicht.“

Lassen Sie uns also an allen diesen anderen Tagen leben und leben lassen.

Lassen Sie uns nach Möglichkei­t und nach Kräften das Leben genießen und viel von dem tun, was uns selbst und anderen gut tut – und vielleicht sogar mit Gottes Hilfe das Ende der Welt durch unser gemeinscha­ftliches Tun, Fragen, Suchen und Wagen ein bisschen weiter zurückstel­len.

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