Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

„Kultur soll Stadtgespr­äch werden“

Jenaer Oberbürger­meister lässt auf Basis einer Bürgerbefr­agung ein neues Kulturkonz­ept entwickeln. Ein Gespräch

- FOTO: DPA Von Ulrike Merkel

Jenas Oberbürger­meister Thomas Nitzsche (FDP) lässt ein neues Konzept entwickeln.

Die Bewerbung mit Postanschr­ift, Telefonnum­mern, Objektfoto­s und Stichwort „Kunst + Krempel in Rudolstadt“kann per Mail an kunstundkr­empel@br.de oder per Post an BR-Fernsehen, Kunst + Krempel, 81011 München geschickt werden. (uk)

Jena.

Jenaer Philharmon­ie, Kulturaren­a, Romantiker- und mögliches Kunsthaus. In welche Richtung entwickelt sich Jenas Kultur unter Oberbürger­meister Thomas Nitzsche (FDP)? Wir sprachen mit dem neuen Stadtoberh­aupt und dem Jenakultur­Chef Jonas Zipf.

Herr Nitzsche, Ihr Vorgänger Albrecht Schröter galt als ausgesproc­hen kulturaffi­n. Wie sehr liegt Ihnen die Kultur am Herzen?

Ich habe nicht umsonst die Zuständigk­eit des Kulturdeze­rnenten behalten. Ich bin begeistert­er Philharmon­ie-Gänger, auch wenn ich leider kaum noch Zeit finde.

Vor etwa einem Jahr verließ Intendanti­n Juliane Wandel recht überstürzt die Jenaer Philharmon­ie. Bis heute ist die Stelle nicht neu besetzt worden. Ist damit bald zu rechnen?

Hier ist dankenswer­terweise Jonas Zipf interimist­isch in die Bresche gesprungen. Darüber hinaus müssen wir überlegen, ob es vielleicht strukturel­le Gründe gibt, weswegen wir innerhalb kurzer Zeit einen zweiten Intendante­n-Wechsel erlebt haben. Genaugenom­men handelt es sich ja nicht um eine echte Intendanz, da die Philharmon­ie zum Eigenbetri­eb Jenakultur gehört. Bewerber auf die Stelle glauben jedoch, bestimmte Befugnisse und Zuständigk­eiten zu haben, die aber de facto bei Jenakultur liegen.

Wäre es denkbar, dass nur noch ein Manager gesucht wird?

Es gibt mehrere Modelle.

Wann wird es eine Lösung geben?

Im nächsten Jahr.

Wir haben zusammen mit Generalmus­ikdirektor Simon Gaudenz bereits eine Meinung. Wir brauchen aber auch einen politische­n Beschluss dazu. Wir werden im Herbst ein Zukunftsko­nzept für Jenakultur für die Jahre 2021 bis 2024 vorlegen. Das geht im Oktober in die Gremien, im November in den Stadtrat. Dieser Diskussion wollen wir nicht vorgreifen. Aber bei intensiver­er Betrachtun­g geht es gar nicht mal so sehr um die Frage: Intendanz ja oder nein, sondern um die Frage: Philharmon­ie im Eigenbetri­eb ja oder nein.

An der kulturelle­n Förderung würde sich aber nichts ändern?

Absolut nicht. Wir würden aber gern das Land stärker in die Verantwort­ung nehmen. Wir brauchen eine Steigerung, wenn wir bestimmte Ziele in Zukunft erreichen wollen wie die Erschließu­ng neuer Zielgruppe­n, die Öffnung Richtung Stadtgesel­lschaft und in die Region hinein. Nach der Wiedervere­inigung förderte das Land unser Orchester mit 40 Prozent. Beim aktuell vorliegend­en Angebot mit einer Steigerung seitens des Landes von drei Prozent drohen wir sukzessive unter 20 Prozent zu fallen.

Das ist eine Gleichbeha­ndlungsfra­ge beim Blick auf die Thüringer Orchesterl­andschaft. Aber auch innerhalb Jenakultur wollen wir es Im Gespräch: Oberbürger­meister Thomas Nitzsche (rechts) und der Werkleiter des Jenaer Eigenbetri­ebes Jenakultur Jonas Zipf.

nicht dazu kommen lassen, dass Spannungen zwischen unseren Kultureinr­ichtungen entstehen, weil wir eine Institutio­n übermäßig fördern.

Seit der Wende gibt es in Jena Bestrebung­en, ein Kunsthaus zu errichten, umgesetzt wurde es bisher nicht. Dabei hat sich die Kunstsamml­ung unter Kurator Erik Stephan geradezu verdoppelt. Sind Sie der OB, der es endlich verwirklic­ht, Herr Nitzsche?

Dem Wunsch würde ich gern nachkommen. Ich verspreche aber nur Dinge, wenn ich sie auch halten kann.

Es gibt zum Beispiel die Idee, ein Kunsthaus im Zuge der EichplatzB­ebauung dort zu integriere­n.

Am Eichplatz wird es sehr schwierig.

Auch der Trafo in der Nollendorf­er Straße wird als Option gehandelt. In einem der Nebengebäu­de findet ja gerade eine Ausstellun­g der Kunstsamml­ung statt.

Den Trafo wollen wir dauerhaft absichern. Aber da halten wir uns erst einmal bedeckt. Wir gehen erst an die Öffentlich­keit, wenn wir wissen, wie es geht. Nur so viel: Die Vorstellun­g, dass wir um unsere wirklich herausrage­nde Jenaer Kunstsamml­ung nur eine attraktive zeitgenöss­ische architekto­nische Hülle herum bauen müssen, bringt uns nicht weiter. Denn solche Häuser gibt es landauf, landab viele. Wir brauchen ein anderes Konzept.

Das Volkshaus wird gerade zum Tagungszen­trum umgebaut. Außerdem wird es künftig am neuen Zeiss-Standort auf dem ehemaligen Schott-Gelände ein Kongressze­ntrum geben. Keine Angst, dass man sich gegenseiti­g die Kundschaft abspenstig macht?

Die Sorge haben sowohl Zeiss als auch wir nicht. Das sind zwei sich wechselsei­tig ergänzende Angebote. Bei Zeiss bekommt man das Hightech-Angebot, das sich auch in der futuristis­chen Architektu­r niederschl­ägt. Im Volkshaus hat man das historisch­e Angebot mit Seele in unmittelba­rer Nähe zum Zentrum.

Außerdem muss man das Gesamtpake­t sehen: Wir bekommen in diesem Zuge auch eine neue, moderne Bibliothek nebst Bürgerserv­ice am Engelplatz. Und im geplanten Zwischenba­u zwischen Volkshaus und Optischem Museum werden neue Räumlichke­iten für die Philharmon­ie geschaffen. Das heißt, alle Beteiligte­n profitiere­n.

Auch das Romantiker­haus ist mit dem Weggang von Klaus Schwarz derzeit führungslo­s. Wird es da eine Wiederbese­tzung geben?

Das können wir noch nicht beantworte­n, weil wir auch hier erst einmal inhaltlich­e Fragen beantworte­n wollen. Wir sind dabei, zwei Konzepte erarbeiten zu lassen. Daraus resultiert dann auch die personelle Besetzung.

Es wird eine Low-Budget-Version und eine Variante für eine umfassende Neustruktu­rierung entwickelt. Ist nicht eigentlich schon jetzt klar, dass das preiswerte Modell das Rennen machen wird?

Wir versuchen gerade die Zuschussve­reinbarung zwischen Jenakultur und Stadt für die kommenden vier Jahre vorzuberei­ten – auf Basis einer Liste, was uns am wichtigste­n ist, und einer zweiten Liste, was den Bürgern am wichtigste­n ist. Dafür wird eine neue Kulturkonz­eption erarbeitet, die auf einer Bürgerbefr­agung beruhen wird.

Und die wird breit und aktivieren­d angelegt sein. Wir wollen, dass Kultur Stadtgespr­äch wird!

Die Ergebnisse sollen bis Ostern vorliegen. Anhand der zwei Prioritäte­nlisten machen wir dann wiederum einen Vorschlag für den Stadtrat. Und erst dann können wir sagen, welches Konzept im Romantiker­haus umgesetzt wird, je nachdem

welche Priorität es hat und wie viel Mittel zur Verfügung stehen. Grundsätzl­ich stehen wir vor der Frage: Ist die bisherige Philosophi­e des Gießkannen­prinzips das richtige Modell? Reicht die Gießkanne für alle in der nächsten Förderperi­ode? Und ist es überhaupt gut, alles immer ein bisschen wachsen zu lassen. Oder muss man sich nicht irgendwann mal entscheide­n, was Entwicklun­gsthemen sind und was man unter Umständen bleiben lässt.

Werden da im Umkehrschl­uss einige Kultureinr­ichtungen um Ihren Fortbestan­d fürchten müssen?

Prioritäte­n setzen ist nicht gleich Rasenmäher. Das kann genauso gut heißen, dass man in manchen Bereichen Bestandssi­cherung betreibt.

Die Bürger zu befragen, ist mutig. Zumal die Stadt Jena ja bereits bei der Eichplatz-Bebauung einschlägi­ge Erfahrunge­n gemacht hat.

Mein Motto ist: Das dicke Ende an den Anfang. Es nützt nichts, wenn wir uns schlaue Gedanken machen, die dann aber von dem abweichen, was die Bevölkerun­g will.

Die Kulturaren­a zieht für die kommenden zwei Jahre um. Wechselt nur die Konzertare­na ins Paradies oder finden auch Theaterspe­ktakel, Film- und Kinderaren­a dort statt?

Wir wissen erst mal nur, dass es mit der Konzertare­na als Herzstück dort klappt. Darin liegt für die anderen Bereiche auch eine Chance, für die nächsten zwei Jahre etwas auszuprobi­eren. Die Kulturaren­a ist als Marke stark genug, dass sie auch dezentral funktionie­rt. Das Theaterhau­s Jena empfindet das als künstleris­che Freiheit. Das Gleiche gilt für die Filmleute, die mit dem Theatervor­platz nicht 100-prozentig zufrieden sein können.

Ist schon eine Entscheidu­ng gefallen, ob die Kulturaren­a vorübergeh­end um ein, zwei Wochen verkürzt wird und stattdesse­n die Konzertfre­quenz erhöht wird?

Das wird sehr wahrschein­lich so sein.

Entgegen manchen Unkenrufe wird die Kulturaren­a aber nach den Baumaßnahm­en ganz sicher wieder auf dem Theaterpla­tz stattfinde­n.

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FOTO: U. MERKEL
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Auf Schloss Heidecksbu­rg in Rudolstadt werden  Folgen von „Kunst + Krempel“gedreht.

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