Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Roter Zoff am Schwarzen Meer

Sebastian Vettel erlebt in Sotschi ein Fiasko. Er fährt brillant, dann stoppt ihn ein Defekt. Der Sieger heißt Lewis Hamilton

- Von Thomas Wolfer

Trotz der TeamorderF­arce von Sotschi und dem brutalen Aus wegen eines Defekts an seinem Ferrari ließ sich Sebastian Vettel zu keiner unbedachte­n Äußerung hinreißen. Tief atmete der viermalige Formel-1-Weltmeiste­r durch, dann stellte er klar: „Ich habe meinen Teil der Absprachen eigentlich eingehalte­n.“Den Rest wollte der viermalige Formel-1-Weltmeiste­r beim roten Zoff am Schwarzen Meer intern und auch mit Teamkolleg­e Charles Leclerc klären. Der Monegasse hatte sich nach Vettels grandiosem Start beklagt und seine Führungsro­lle zurückverl­angt. Sein deutscher Rivale aber hatte sich eine Woche nach seinem ersten Saisonsieg in Singapur geweigert.

Vor den Fernsehkam­eras wirkte Vettel zwar gefasst, aber nach der nächsten persönlich­en Niederlage mit dem Aus in der 28. Runde ebenso schmallipp­ig. Profiteur an einem desaströse­n Tag für die Scuderia war in Russland wieder einmal Lewis Hamilton. Der Titelverte­idiger fuhr im Mercedes seinen ersten Erfolg nach der Sommerpaus­e ein und ist seinem sechsten WMTriumph ein gutes Stück näher.

Mit dem zweiten Platz sorgte Valtteri Bottas für die optimale

Sotschi.

Ausbeute für den deutschen Werksrenns­tall, Leclerc wurde im zweiten Ferrari von der Pole Position nur Dritter. „Wir hatten die Chance, dass es besser wird“, sagte Leclerc und ergänzte zum Verhältnis mit Vettel: „Das Vertrauen zwischen uns ist weiter da, das brauchen wir auch.“

Zu Beginn sah es zunächst nach dem zweiten Vettel-Sieg nacheinand­er aus. Beim Start zog er an Hamilton vorbei, dann attackiert­e er aus dem Windschatt­en auch Leclerc. Mit Erfolg. Innen zog er vorbei und lag in Führung. Prompt entwickelt­e sich eine Funk-Farce. Zunächst wurde Vettel angewiesen, Leclerc wieder überholen zu lassen. „Ich habe das zu dem Zeitpunkt nicht verstanden“, sagte Vettel. Leclerc klärte auf: „Die Taktik war, ihm Windschatt­en zu geben.“Doch dann wollte der Deutsche die Positionen nicht mehr tauschen. Die Risse im Team wurden mehr als deutlich.

„Wenn man sich die Videos anschaut, wird sich alles klären können“, war Teamchef Mattia Binotto um Deeskalati­on bemüht. Doch noch im Auto beschwerte sich Leclerc bei seinen Chefs. Eine Woche nachdem ein Boxenstopp Vettel im Teamduell in Singapur begünstigt und ihm den Weg zum ersten Sieg nach über einem Jahr geebnet hatte, fühlte sich Leclerc abermals benachteil­igt. Und er teilte das auch mit. Im Ziel kündigte er Richtung Vettel an: „Wir werden miteinande­r sprechen.“

Im Rennverlau­f hielt Vettel Leclerc auf Abstand. Dahinter staunte Hamilton über den Speed der Ferraris, der fünfmalige Champion kam nicht ran. Allerdings konnte er mit den etwas härteren Reifen länger auf der Strecke bleiben. Als erster der Topfahrer in die Box kam Leclerc. Vor einer Woche war es Vettel gewesen. Jetzt musste er richtig Gas geben. Die ersten Überrundun­gen waren nicht förderlich, den Vorsprung auf Leclerc so groß zu halten, dass er beim Vettel-Stopp immer noch hinter ihm bleiben würde.

Die Reifen ließen nach, Vettel informiert­e sein Team, das ihn aber nicht rein holte – bis das Polster absehbar nicht mehr ausreichen würde. Und so passierte, was passieren musste: Vettel kam nach dem Reifenwech­sel als Zweiter hinter Leclerc zurück. Doch damit nicht genug. Der Ferrari war am Ende. Ein Defekt. Vettel musste sein Auto abstellen. „Bringt die verdammten V12 zurück“, fauchte er. Die früheren Motoren kamen ohne Hybridsyst­em aus, das Vettel stoppte. Er befestigte nun in aller Ruhe das Lenkrad, hüpfte fast schon zynisch von seinem Wagen und übergab den defekten Ferrari den Streckenpo­sten. „Nach dem Stopp, der vielleicht ein bisschen spät kam, hatte ich keine Leistung von der Batterie mehr. Es fehlten 160 PS“, sagte Vettel. Er habe auf Anweisung des Teams angehalten.

Was so gut begann, wurde für Ferrari zum kompletten Desaster. Denn Hamilton nutzte die Safety-Car-Phase durch das Vettel-Aus zum Reifenwech­sel und schob sich so an Leclerc vorbei und fuhr seinem 82. Karrieresi­eg entgegen. Die WM kann für Vettel schon beim nächsten Rennen in zwei Wochen in Japan auch rechnerisc­h gelaufen sein. Er hat auf Rang fünf 128 Punkte Rückstand auf Hamilton. (dpa)

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FOTO: MARK THOMPSON/GETTY Frustriert: Sebastian Vettel.

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