Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Zwischen Hundefell-Tasche und Kettenhemd

Altes Handwerk und Botanische­r Erlebnisga­rten bieten Entspannun­g und Entschleun­igung im Zentrum der Stadt

- Von Andreas Bayer

Altenburg.

„Hier ist es richtig optimal. Der Garten lädt zum Verweilen ein, man kann sich besser unterhalte­n als auf Mittelalte­rmärkten, weil da zu viel los ist“, sagt Ronin. Das ist selbstvers­tändlich nur sein Mittelalte­rName. Im bürgerlich­en Leben heißt er Ronny Lange, ist Dachdecker und absolviert aktuell seinen Bundesfrei­willigendi­enst im Botanische­n Erlebnisga­rten von Altenburg. Am vergangene­n Wochenende kümmerte er sich aber nicht darum, die Pflanzen zurück zu schneiden und Laub zu harken. Sondern zeigte, wie Kettenhemd­en, Krawatten oder Schmuck aus kleinen Eisenringe­n hergestell­t wird.

Denn Lange ist zugleich Vorsitzend­er des Vereins „Barbaren Podegrodic­i“, den es in der Skatstadt seit 1993 gibt. Seitdem hat er auch das Ringdesign für sich entdeckt und betreibt es in Mußestunde­n. Für ein Kettenhemd mit rund 30.000 Ringen brauche er einen ganzen Monat, wenn er jeden Tag acht Stunden daran arbeite, schätzt er. „Uns war wichtig, dass sich hier Handwerker aus der Region präsentier­en können“, sagt Lange. Doch nicht jegliches Handwerk, nur altes, seltenes und vermeintli­ch unzeitgemä­ßes. Darum organisier­ten das Team des Botanische­n Erlebnisga­rten und die Mittelalte­rfans zum zweiten Mal die Veranstalt­ung „Alter Garten trifft altes Handwerk“.

„Wir haben das letztes Jahr ausprobier­t und es wurde sehr gut angenommen. Darum machen wir es wieder, wollen es zum letzten Septemberw­ochenende etablieren“, so Ronny Lange, bei dem Kinder und Erwachsene gegen eine Spende sich auch selbst in wenigen Minuten eine Armkette basteln dürfen. Auch die Ringe stellt er selbst her, für den Schmuck verwendet er gerne auch gefärbten Draht aus Aluminium, weil der sonst zu schwer wäre. „Das ist ein sehr angenehmes, familiäres Wochenende. Die Besucher sind entspannt und interessie­rt, hier kann man auch fachsimpel­n“, antwortet Uta Dietrich auf die Frage, warum sie gerne hierher kommt. Die Glauchauer­in betreibt mit Tochter Emma einen Stand mit Wollspinne­rei. Sie erklären die Eigenheite­n der verschiede­nen Wollsorten unterschie­dlicher Schafrasse­n und Alpakas. Auch, welche Pflanzenar­ten sich zum Färben eignen, kann man hier ganz anschaulic­h erfahren.

„Viele Bauern geben die Wolle kostenlos ab, weil sie keine Verwendung dafür haben“, so Dietrich. Inzwischen gebe es aber zum Glück wieder einige kleine Firmen, welche diese Rohwolle verarbeite­n. Mittels Handspinde­l oder an einem alten Spinnrad verarbeite­n die beiden die Wolle in ihrer Freizeit weiter. „Wir spinnen nicht nur im Kopf, bei uns kommt auch etwas dabei raus“, scherzen die beiden.

Alexandra Anglo gleich nebenan zeigt, was daraus Schönes gestaltet werden kann. Sie hat sich vor sechs Jahren die alte Technik des Nadelnbind­ens angeeignet, dem Vorläufer von Häkeln und Stricken. Mützen, Socken, Pulswärmer oder Taschen bindet sie so zusammen. Denn beim Nadelbinde­n werden stets nur kurze Wollfäden aneinander geknüpft, mit einer kurzen, breiten Nadel aus Holz, Knochen oder Horn. Eine Tragetasch­e von der Größe eines Jutebeutel­s hat sie sogar aus dem Fell ihres eigenen Hundes hergestell­t. „Wer hat sowas schon?“, sagt die Altenburge­rin, die beruflich in der Jugendhilf­e tätig ist.

Peter Bobe ist der einzige Handwerker vor Ort, der seine Passion zum Beruf gemacht hat. in Niederfroh­na betreibt er einen Bastelserv­ice und bietet auch für Schulklass­en das Papierschö­pfen an. „Im ersten Schritt entsteht das Papier auch heute noch wie zu den Anfängen vor etwa 1900 Jahren“, sagt er. In einem Holzrahmen, dem sogenannte­n Schöpfsieb, verfilzen sich Fasern durch abfließend­es Wasser. Nur, dass es bis etwa 1850 Leinenfase­rn waren, ehe in Hainichen erstmals Holzfasern Verwendung fanden. „Altes Handwerk löst immer eine Faszinatio­n aus“, sagt Bobe. Die Aufmerksam­keit, die ihm zuteil wird, nutze er, um auf seine Projekte aufmerksam zu machen.

Allerdings zeigt sich der Besuch wie häufig nur spärlich im Botanische­n Erlebnisga­rten. Einer der wenigen ist ein Altenburge­r mit seinem kleinen Sohn. „Ich gehe öfter hierher, erlebe aber oft, dass Besucher keine Spenden einwerfen. das fehlt dem Verein natürlich, denn hier steckt viel Arbeit drin“, sagt er. Besonders angetan ist er von den fleischfre­ssenden Pflanzen und den Teichanlag­en. Man könne auch viele seltene Vogelarten beobachten, weil es so ruhig sei, trotz der zentrumsna­hen Lage. „Viele haben den Garten vielleicht noch aus DDR-Zeiten in Erinnerung, da war es hier eher trist“, vermutet er als Ursache, warum das grüne Kleinod so wenige Besucher zählt.

Geradezu verwunsche­n wirkt die Anlage, als Yvonne Weber die Laute schlägt. Mit Liedgut wie „Ännchen von Tharau“sorgt sie für ein stimmiges Gesamtbild zwischen selten gewordener Handwerksk­unst und welkender Pracht des Botanische­n Gartens.

30.000 Ringe für ein Kettenhemd

 ?? FOTOS: ANDREAS BAYER ?? Thomas Schmidt aus Glauchau betreut den Stand, an dem Kinder mit der Armbrust schießen dürfen. „Wir machen das nicht aus Kommerzgrü­nden. Für uns ist das eher entspannen­d und um etwas zurückzuge­ben“, sagt er.
FOTOS: ANDREAS BAYER Thomas Schmidt aus Glauchau betreut den Stand, an dem Kinder mit der Armbrust schießen dürfen. „Wir machen das nicht aus Kommerzgrü­nden. Für uns ist das eher entspannen­d und um etwas zurückzuge­ben“, sagt er.
 ??  ?? Ronin alias Ronny Lange fertigt Kettenhemd­en und verschiede­nsten Schmuck.
Ronin alias Ronny Lange fertigt Kettenhemd­en und verschiede­nsten Schmuck.

Newspapers in German

Newspapers from Germany