Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Zwischen Hundefell-Tasche und Kettenhemd
Altes Handwerk und Botanischer Erlebnisgarten bieten Entspannung und Entschleunigung im Zentrum der Stadt
Altenburg.
„Hier ist es richtig optimal. Der Garten lädt zum Verweilen ein, man kann sich besser unterhalten als auf Mittelaltermärkten, weil da zu viel los ist“, sagt Ronin. Das ist selbstverständlich nur sein MittelalterName. Im bürgerlichen Leben heißt er Ronny Lange, ist Dachdecker und absolviert aktuell seinen Bundesfreiwilligendienst im Botanischen Erlebnisgarten von Altenburg. Am vergangenen Wochenende kümmerte er sich aber nicht darum, die Pflanzen zurück zu schneiden und Laub zu harken. Sondern zeigte, wie Kettenhemden, Krawatten oder Schmuck aus kleinen Eisenringen hergestellt wird.
Denn Lange ist zugleich Vorsitzender des Vereins „Barbaren Podegrodici“, den es in der Skatstadt seit 1993 gibt. Seitdem hat er auch das Ringdesign für sich entdeckt und betreibt es in Mußestunden. Für ein Kettenhemd mit rund 30.000 Ringen brauche er einen ganzen Monat, wenn er jeden Tag acht Stunden daran arbeite, schätzt er. „Uns war wichtig, dass sich hier Handwerker aus der Region präsentieren können“, sagt Lange. Doch nicht jegliches Handwerk, nur altes, seltenes und vermeintlich unzeitgemäßes. Darum organisierten das Team des Botanischen Erlebnisgarten und die Mittelalterfans zum zweiten Mal die Veranstaltung „Alter Garten trifft altes Handwerk“.
„Wir haben das letztes Jahr ausprobiert und es wurde sehr gut angenommen. Darum machen wir es wieder, wollen es zum letzten Septemberwochenende etablieren“, so Ronny Lange, bei dem Kinder und Erwachsene gegen eine Spende sich auch selbst in wenigen Minuten eine Armkette basteln dürfen. Auch die Ringe stellt er selbst her, für den Schmuck verwendet er gerne auch gefärbten Draht aus Aluminium, weil der sonst zu schwer wäre. „Das ist ein sehr angenehmes, familiäres Wochenende. Die Besucher sind entspannt und interessiert, hier kann man auch fachsimpeln“, antwortet Uta Dietrich auf die Frage, warum sie gerne hierher kommt. Die Glauchauerin betreibt mit Tochter Emma einen Stand mit Wollspinnerei. Sie erklären die Eigenheiten der verschiedenen Wollsorten unterschiedlicher Schafrassen und Alpakas. Auch, welche Pflanzenarten sich zum Färben eignen, kann man hier ganz anschaulich erfahren.
„Viele Bauern geben die Wolle kostenlos ab, weil sie keine Verwendung dafür haben“, so Dietrich. Inzwischen gebe es aber zum Glück wieder einige kleine Firmen, welche diese Rohwolle verarbeiten. Mittels Handspindel oder an einem alten Spinnrad verarbeiten die beiden die Wolle in ihrer Freizeit weiter. „Wir spinnen nicht nur im Kopf, bei uns kommt auch etwas dabei raus“, scherzen die beiden.
Alexandra Anglo gleich nebenan zeigt, was daraus Schönes gestaltet werden kann. Sie hat sich vor sechs Jahren die alte Technik des Nadelnbindens angeeignet, dem Vorläufer von Häkeln und Stricken. Mützen, Socken, Pulswärmer oder Taschen bindet sie so zusammen. Denn beim Nadelbinden werden stets nur kurze Wollfäden aneinander geknüpft, mit einer kurzen, breiten Nadel aus Holz, Knochen oder Horn. Eine Tragetasche von der Größe eines Jutebeutels hat sie sogar aus dem Fell ihres eigenen Hundes hergestellt. „Wer hat sowas schon?“, sagt die Altenburgerin, die beruflich in der Jugendhilfe tätig ist.
Peter Bobe ist der einzige Handwerker vor Ort, der seine Passion zum Beruf gemacht hat. in Niederfrohna betreibt er einen Bastelservice und bietet auch für Schulklassen das Papierschöpfen an. „Im ersten Schritt entsteht das Papier auch heute noch wie zu den Anfängen vor etwa 1900 Jahren“, sagt er. In einem Holzrahmen, dem sogenannten Schöpfsieb, verfilzen sich Fasern durch abfließendes Wasser. Nur, dass es bis etwa 1850 Leinenfasern waren, ehe in Hainichen erstmals Holzfasern Verwendung fanden. „Altes Handwerk löst immer eine Faszination aus“, sagt Bobe. Die Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wird, nutze er, um auf seine Projekte aufmerksam zu machen.
Allerdings zeigt sich der Besuch wie häufig nur spärlich im Botanischen Erlebnisgarten. Einer der wenigen ist ein Altenburger mit seinem kleinen Sohn. „Ich gehe öfter hierher, erlebe aber oft, dass Besucher keine Spenden einwerfen. das fehlt dem Verein natürlich, denn hier steckt viel Arbeit drin“, sagt er. Besonders angetan ist er von den fleischfressenden Pflanzen und den Teichanlagen. Man könne auch viele seltene Vogelarten beobachten, weil es so ruhig sei, trotz der zentrumsnahen Lage. „Viele haben den Garten vielleicht noch aus DDR-Zeiten in Erinnerung, da war es hier eher trist“, vermutet er als Ursache, warum das grüne Kleinod so wenige Besucher zählt.
Geradezu verwunschen wirkt die Anlage, als Yvonne Weber die Laute schlägt. Mit Liedgut wie „Ännchen von Tharau“sorgt sie für ein stimmiges Gesamtbild zwischen selten gewordener Handwerkskunst und welkender Pracht des Botanischen Gartens.
30.000 Ringe für ein Kettenhemd