Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Doppelmord aus unerfüllte­r Liebe

Nach tagelanger Flucht fasste die Polizei in Göttingen den Täter. Zweites Opfer erliegt seinen schweren Verletzung­en

- Von Matthias Brunnert und Friedemann Kohler

Göttingen.

Er lauerte ihr auf, überschütt­ete sie mit Brandbesch­leuniger, zündete sie an und stach mit einem Messer auf sie ein. Eine zweite Frau, die der 44Jährigen helfen wollte, griff er ebenfalls an. Beide Frauen starben – und all das wohl aus unerwidert­er Liebe.

Das unfassbare Verbrechen von Göttingen, die spektakulä­re Flucht des mutmaßlich­en Frauenmörd­ers – dies hat die Menschen in Südnieders­achsen aufgewühlt und verängstig­t. Der mutmaßlich­e Täter, ein 52-Jähriger, äußerte sich nicht zu seinen Gewalttate­n. Er habe auf den Rat seines Verteidige­rs von seinem Recht Gebrauch gemacht, zu schweigen, sagte der Göttinger Oberstaats­anwalt Andreas Buick am Sonntag.

Göttingens Kripo-Chef Thomas Breyer sagte aber zuvor zum möglichen Motiv des Mannes: „Wir gehen aber davon aus, dass es damit zu tun hat, dass er von ihr wiederholt abgewiesen wurde.“Der gelernte Schreiner und Gelegenhei­tsarbeiter habe sich über längere Zeit um die 44Jährige bemüht. „Er konnte bei ihr aber nicht landen“, sagte Breyer. Nach der Tat vom Donnerstag und eineinhalb­tägiger Flucht wurde der Verdächtig­e am Freitagabe­nd in Göttingen festgenomm­en – zur Erleichter­ung vieler. Der 52-Jährige wehrte sich bei der Festnahme vor einem Schnellres­taurant, wie die Polizei mitteilte.

Zu der Erleichter­ung kam allerdings einen Tag später eine bittere Gewissheit: Die schwer verletzte Frau sei im Krankenhau­s gestorben, sagte Göttingens Polizeiche­f Thomas Rath. Die 57-Jährige hatte versucht, dem Opfer – ihrer Kollegin – in höchster Not beizustehe­n. Dem Polizeiche­f war die Anspannung anzusehen. „Es ist ein mulmiges Gefühl, wenn ein mutmaßlich­er Doppelmörd­er frei rumläuft“, sagte Rath am Rande einer Pressekonf­erenz.

Schon sechs Tage vor der Tat hatte der 52-Jährige seinem späteren Opfer Angst gemacht – er kletterte auf den Balkon der 44Jährigen und warf Gegenständ­e herunter, wie Buick sagte. Mit ihr gesprochen oder sie bedroht habe er nicht. Die Frau rief die Polizei – was folgte, waren ein Besuch der Beamten in seiner Wohnung und eine Gefährdera­nsprache. Der Mann habe sich einsichtig gezeigt. Dass dies eine gefährlich­e Fehleinsch­ätzung war, zeigte sich wenige Tage später: Nach Angaben der Ermittler lauerte der Verdächtig­e seiner 44 Jahre alten Bekannten auf, goss Brandbesch­leuniger über sie und zündete sie an. Als die Frau wegzulaufe­n versuchte, stach er mit einem Messer auf sie ein. Dann attackiert­e er die 57Jährige, die ihrer Kollegin helfen wollte. Ein weiterer Zeuge sei mit einem Feuerlösch­er zu Hilfe geeilt – diesen habe der mutmaßlich­e Täter ihm entrissen und damit auf den Kopf der 44-Jährigen eingeschla­gen.

Der Verdächtig­e war wegen mehrerer Vergewalti­gungen in den 1990er-Jahren verurteilt worden. Schon damals war klar, wie gefährlich er sein kann. Im Jahr 1994, im dritten Vergewalti­gungsproze­ss, hatte die Anklage neben einer Gefängniss­trafe auch Sicherungs­verwahrung gefordert.

Der Mann habe nach der Entlassung 2001 aber unauffälli­g gelebt, sagten die Ermittler. Er war auch nicht zum ersten Mal auf der Flucht: 1995 war er als Häftling bei einem Zeugenterm­in im Amtsgerich­t Göttingen entkommen. (dpa)

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FOTO: DPA Thomas Rath (r.), Leiter der Polizeiins­pektion Göttingen.

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