Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Die Deutschen haben Angst um ihre Rente
Reicht das Geld später einmal? Die Sorge vor Altersarmut treibt viele um. Es gibt Unterschiede zwischen Ost und West
Berlin.
Kein Thema treibt die Menschen in Deutschland so um wie die Rente: Fast 80 Prozent der Deutschen haben Zweifel, dass ihre Rente in Zukunft gesichert ist. Lediglich 15 Prozent glauben, dass die Renten mittel- und langfristig gesichert sind. Die überwältigende Mehrheit (71 Prozent) erwartet steigende Beiträge zur Rentenversicherung; 34 Prozent gehen sogar davon aus, dass die Beiträge in den nächsten Jahren stark ansteigen werden. Das ergab eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Befragt wurden 1214 Bürger ab 16 Jahren im Mai und Juni.
„Das ist ein fatales Signal. Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass die Menschen sich wieder auf ihre Rente verlassen können. Vertrauen schafft man aber nicht mit teuren Wahlgeschenken wie der Mütterrente oder der Rente mit 63. Das sind Rezepte von gestern. Wir brauchen aber eine Rente von morgen“, sagte INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr.
Eigentlich sind die Rentner zurzeit zufrieden mit ihrer Situation. Vor gut zehn Jahren waren erst 45 Prozent mit der Höhe der eigenen Rente zufrieden, aktuell sind es 57 Prozent. Der Anteil derjenigen, die nur mit Einschränkungen zufrieden sind, hat sich von 35 auf 27 Prozent verringert, der Kreis der völlig Unzufriedenen von 17 auf 12 Prozent. „Der Blick auf die Rente ist zwiespältig. Es gibt eine steigende Zufriedenheit der Rentner. Aber auch die Angst um die Zukunft steigt“, sagt Allensbach-Geschäftsführerin Renate Köcher.
Die Angst um die Alterseinkünfte trifft besonders die, die noch arbeiten. Das zeigt auch die Umfrage. Diejenigen, die aktuell berufstätig sind, gehen mehrheitlich davon aus, dass sie im Alter nur bei einer sparsamen Lebensführung mit ihrem Geld auskommen werden. 53 Prozent sind davon überzeugt, zwölf Prozent fürchten sogar, dass ihre Alterseinkünfte nicht ausreichen werden, um ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten zu können. Lediglich 30 Prozent sind optimistisch, dass sie im Alter finanziell keine Sorgen haben werden. Dabei unterscheiden sich Westund Ostdeutschland gravierend: In Westdeutschland ist jeder Dritte überzeugt, im Alter keine finanziellen Sorgen zu haben, in Ostdeutschland sind das lediglich 17 Prozent.
Noch stärker fallen die Erwartungen der sozialen Schichten auseinander. In den höheren sozialen Schichten ist die Mehrheit überzeugt, im Alter finanziell sorglos leben zu können, in der Mittelschicht nur jeder Vierte, in den schwächeren sozialen Schichten nur jeder Zehnte. In den schwächeren sozialen Schichten befürchtet jeder Dritte dagegen, dass die Alterseinkünfte unter Umständen nicht ausreichen werden, um den Lebensunterhalt aus eigener Tasche zu finanzieren.
Wer wird im aktuellen System benachteiligt? Vor zehn Jahren waren bereits 51 Prozent der Meinung, dass Belastungen zwischen den Generationen ungerecht verteilt sind. Inzwischen sagen das 61 Prozent. Insbesondere der Anteil derer, die die junge Generation im Nachteil sehen, wächst: von 26 Prozent im Jahr 2008 auf aktuell 37 Prozent.
Und was sagen die Deutschen zur Grundrente, gerade ein immenser Streitpunkt in der großen Koalition? Die Mehrheit ist für die Einführung – allerdings halten es nur 23 Prozent für richtig, die Bedürftigkeit der Antragsteller nicht zu prüfen. „Auch die Anhänger der SPD urteilen hier nicht anders als der Durchschnitt der Bevölkerung“, betont Köcher. Nur für Bedürftige, lautet das Urteil von zwei von drei Deutschen.
Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD vereinbart, dass alle, die 35 Jahre an Beitragszeiten oder Zeiten der Kindererziehung oder Pflege aufweisen, eine Rente zehn Prozent oberhalb der Grundsicherung bekommen sollen.
Erwartungshaltung an die staatliche Rente immens
Die SPD will eine Grundrente ohne Prüfung der Bedürftigkeit, die CDU wiederum besteht auf die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, in welchem eine solche Prüfung vereinbart wurde. Vor Kurzem wurde eine Kompromisslinie bekannt, wonach noch das Einkommen geprüft werden solle, nicht aber das Vermögen oder bewohntes Wohneigentum. Eine Einigung in der Koalition steht noch aus, Mitte Oktober will man weiterverhandeln.
Die Meinungsforscher stellen zudem eine immense Erwartungshaltung an die staatliche Rente fest. So habe man sich jüngst danach erkundigt, wie viel die Deutschen im Schnitt zurücklegen, um für das Alter zu sparen, so Köcher. Antwort: etwa 100 Euro pro Monat. Und was soll daraus im Alter werden? Etwa 600 Euro. „Das ist schon eine leichte Überschätzung, um es vorsichtig zu sagen“, betont Köcher. Dazu passt die in der Befragung erhobene Vorstellung einer idealen Alterssicherung. Drei Viertel der Bevölkerung zählen die staatliche Rente zu den Säulen einer idealen Alterssicherung, gefolgt von der eigenen Immobilie. Erst in einigem Abstand folgt die betriebliche Altersversorgung. Für die langfristige Stabilisierung der gesetzlichen Renten hofft die Bevölkerung vor allem auf die Unterstützung aus Steuermitteln.