Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Leichtathl­etik in der Wüste

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Die Weltmeiste­rschaften in Doha, Mittlerer Osten. Doch den eigentlich­en leichtathl­etischen Höhepunkt der Welt erlebte am Wochenende Berlin.

Der Marathon in der Hauptstadt bot all das, was Sport so anziehend macht: die Ausnahmele­istung von Superstar Bekele, das Rekord-Starterfel­d und ein Millionenp­ublikum am Straßenran­d. In Doha torkeln kollabiere­nde Geher durch die Hitze der Nacht, in Berlin vereinen sich Breite und Spitze im Regen zu einem fasziniere­nden Tausendfüß­ler.

Die Leichtathl­etik darf zu recht das mangelnde Interesse der Fernsehans­talten beklagen. Die Diamond League und die großen Sportfeste von Oslo bis Zürich finden medial praktisch nicht mehr statt. Mit den üblichen Risiken und Nebenwirku­ngen: Vorbilder sind nicht sichtbar, Talente, die ihnen nacheifern, bleiben aus, Trainerste­llen werden gestrichen.

Doch der Umweg über Doha führt die olympische Kernsporta­rt nicht auf den Pfad der Tugend zurück. Die WM wirkt in allem wie ein bemühtes Kunstspekt­akel. Mit kritischen Begleiters­cheinungen: untauglich­e klimatisch­e Bedingunge­n, desaströse­s Zuschaueri­nteresse, Raubbau an der Umwelt. Ein ursprüngli­cher Volkssport, entführt in die Scheinwelt von tausendund­einer Nacht. Das kann nicht funktionie­ren. Dass ausgerechn­et in einem Land begrenzter Frauenrech­te erstmals eine Kamera Starterinn­en voyeuristi­sch von unten anstarrt, ist die peinliche Pointe dieser fragwürdig­en Inszenieru­ng.

Die verkaufen uns, sagt Thomas Röhler mit Blick auf das IOC. In Doha darf sein resigniere­ndes Fazit für die ganze Sportart gelten. Die Funktionär­e haben die WM an Katar verhökert. Eine Investitio­n in die Zukunft, wie von Weltverban­ds-Präsident Sebastian Coe behauptet, ist das nicht. Sie ist aber dringend angeraten. Sonst wird die Leichtathl­etik endgültig dorthin geschickt, wo sie gerade stattfinde­t: in die Wüste.

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Axel Eger über eine Sportart in Not

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