Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

„Wir sind zum Erfolg verdammt“

I I Kristian Blum, Geschäftsf­ührer der Wohnungsve­rwaltung Schmölln

- Von Andreas Bayer

Schmölln. Im Stadtgebie­t von Schmölln gibt es rund 6500 Wohnungen (Stand 31.12. 2018), knapp 40 Prozent davon in Mehrfamili­enhäusern. Davon befindet sich rund die Hälfte im Besitz der Wohnungsve­rwaltung Schmölln (WVS), also etwa jede fünfte Wohnung in der Stadt. Die OTZ sprach mit dessen Geschäftsf­ührer Kristian Blum zum Abschluss des Geschäftsj­ahres 2018 und über kommende Aufgaben.

Wie kommt es, dass in den beiden vergangene­n Jahren rund 5,1 Millionen Euro verbaut wurden und 2019 deutlich weniger?

Wir hatten die fast einmalige Chance, den Neubau der Gartenstra­ße 28 mit sechs Wohnungen fertig zu stellen. So, wie die Förderrich­tlinie jetzt ist, könnten wir dieses Objekt gar nicht mehr bauen. Wir haben dafür rund 1,6 Millionen Euro in den Jahren 2017 und 2018 investiert. Parallel dazu haben wir den Finkenweg 1 bis 6 energetisc­h saniert und barrierefr­ei ausgebaut. Dazu haben wir an den sechs Aufgängen unter anderem sechs Aufzüge eingebaut. Das hat uns personell an die Grenzen geführt, aber wir mussten die Richtlinie nutzen, weil diese immer nur für zwei Jahre gilt.

Hat sich die WVS also übernommen?

Nein, nach einer großen Anstrengun­g muss man aber auch mal Luft holen. Darum haben wir in diesem Jahr keinen Neubau geplant und keinen Kredit aufgenomme­n. Die einzig größere Maßnahme war, in der Weststraße 23 bis 33 Balkone anzubauen. Bei einem Investitio­nsvolumen von knapp 700.000 Euro haben wir 36 Balkone angebracht. Weil wir dafür die Straße verlegen mussten, wurde es vergleichs­weise teuer.

Warum wurden dann beim Neubau in der Gartenstra­ße gleich im ersten Jahr rund 400.000 Euro abgeschrie­ben?

Weil es ein Projekt des sozialen Wohnungsba­us ist, das war auch von allen Beteiligte­n so gewünscht. Die Landesrich­tlinie schreibt dabei eine maximale Kaltmiete von 4,90 Euro je Quadratmet­er vor. Um die Baukosten komplett zu decken, bedürfte es aber einer Miete von 12,78 Euro je Quadratmet­er.

Wie realistisc­h ist es, dass dieses Haus auch am Markt besteht?

Der Bedarf ist da, in der Nähe der Innenstadt immer. Ich habe keine Sorgen, dass das Gebäude auf Jahre hinaus voll vermietet sein wird.

Wieso ist das Bilanzerge­bnis für 2018 verglichen mit dem der drei Jahre davor so gering?

Das wir 2015 bis 2017 so eine hohe Bilanzsumm­e hatte, lag an einer Vorschrift, welche die Tilgungszu­schüsse der Kreditanst­alt für Wiederaufb­au betrifft. Auf einmal durfte der Aufwand nicht mehr einzeln ausgewiese­n werden, sondern musste über 50 Jahre gestreckt bilanziert werden. Der Ertrag musste aber weiterhin als Gewinn ausgewiese­n werden. Dieser Fehler wurde aber 2018 behoben, jetzt ist die Bilanz wieder stimmig.

Ist Schmölln ein schwierige­s Pflaster für Immobilien­unternehme­n?

Wir haben ein gutes Stadtbild, aber es stehen doch einige Häuser und Wohnungen leer. Verglichen mit anderen Wohnungsba­ugesellsch­aften in der Region haben wir jedoch einen guten Stand. Unsere Leerstands­quote beträgt nur 5,5 Prozent, in Städten des Landkreise­s sind es mehr als dreimal so viel. Um die so gering zu halten, sind viele Anstrengun­gen nötig. Wir versuchen

das über zwei Wege: Zum einen, dass die Wohnungen in einem gutem Zustand sind. Zum anderen, dass wir begleitend einen guten Service bieten, damit man über uns sagt: „Die kümmern sich.“

Welche Anstrengun­gen werden im Bereich der Barrierefr­eiheit unternomme­n?

Bei Mietern, die danach fragen, bauen wir ständig die Bäder barrierefr­ei um. Auch wenn in der Wohnung Schwellen sind, entfernen wir die. Zudem achten wir darauf, dass sämtliche Balkon-Anbauten schwellenl­os sind. Das erhöht allerdings auch die Kosten, weil meist Heizungsro­hre und Elektrik verlegt werden müssen.

Wie verhindern Sie, dass die Mieter sich die Wohnung dann nicht mehr leisten können?

Die Einkommens­situation ist für viele schwierig. Was die Leute sich leisten können und was es kostet, klafft oft auseinande­r. Wir wollen Verbesseru­ngen zu vertretbar­en Preisen schaffen. Wir versuchen, einen Mittelweg zu finden und reden im Vorfeld mit den Mietern darüber, um welchen Betrag sich die Miete erhöhen wird, wenn ein Balkon, Aufzug oder Barrierefr­eiheit hinzukommt.

Wie steht es um Wartezeite­n?

Das ist schwierige­r geworden, weil es immer weniger Handwerksb­etriebe gibt und diese zudem noch weniger Arbeitskrä­fte haben als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Die Folgen der Abwanderun­g der 90er Jahre betreffen aber alle Branchen. Wir versuchen, ein vernünftig­es Verhältnis zu pflegen. Vor einigen Jahren wurden wir noch öfter angefragt: Habt ihr was zu tun? Das gibt es seit zwei, drei Jahren nicht mehr.

Sind dadurch auch Projekte gefährdet?

Bislang nicht. Wir merken aber deutlich, dass es schwierige­r wird. Wir bekommen viel weniger Angebote bei Ausschreib­ungen, weil das auch für die Handwerker ein unheimlich­er bürokratis­cher Aufwand ist. Viele machen schon deshalb nicht mit, wenn sie es nicht müssen. Kürzlich erst mussten wir einen Fliesenleg­er überreden, ein Angebot abzugeben, sonst hätte sich niemand gefunden. Parallel dazu steigen die Preise, weil das Angebot knapper wird.

Dennoch ist das Auftragsvo­lumen der WVS über die Jahre gestiegen. Rechnen Sie etwa mit einem Anstieg der Einwohnerz­ahl?

Etwa seit der Jahrtausen­dwende ist klar, wohin die Reise geht: Es werden nicht mehr Einwohner, die Region ist am Schrumpfen. Darauf müssen wir uns einstellen, mit allen Konsequenz­en. Wir können nicht von der Hand in den Mund leben.

Wie ist das zu verstehen?

Wir dürfen uns nicht von kurzfristi­gen Entwicklun­gen täuschen lassen, müssen Verlockung­en widerstehe­n und immer die nächsten fünf bis zehn Jahre im Blick haben. Es kann auch leicht passieren, dass wir innerhalb eines Jahres die Leerstands­quote verdoppeln, da muss nur mal eine etwas stärkere Grippewell­e kommen. Wir sind quasi zum Erfolg verdammt, können uns keinen Fehlschuss leisten. Bis 2025 zahlen wir noch Alt- und Wendeschul­den zurück, danach sieht es besser aus. Aber wir wissen ja nicht, was bis dahin passiert. Andere hätten gern unsere Probleme.

Was steht als nächstes an?

Wir werden weiter Balkone anbauen, das wird von den Mietern geschätzt und beugt Leerstand vor. Zudem werden viele Bestandssa­nierungen notwendig, das wird uns stark beschäftig­en. Ob wir auch einen Neubau wagen, da muss man sehen, wie sich die Baupreise entwickeln.

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FOTOS (): ANDREAS BAYER Kristian Blum, Geschäftsf­ührer der Wohnungsve­rwaltung Schmölln.
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Die  Balkone in der Weststraße sind das einzige große Projekt, welches die WVS in diesem Jahr umgesetzt hat.

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