Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

„Wahlprogra­mm der AfD in Teilen verfassung­sfeindlich“

Politikpro­fessor: Ausrichtun­g gegen die freiheitli­che demokratis­che Grundordnu­ng

- Von Elmar Otto

Das Landtagswa­hlprogramm der Thüringer AfD zeige, dass „verfassung­sfeindlich­e Tendenzen“den Landesverb­and charakteri­sieren. Zu diesem Schluss kommt der Politikwis­senschaftl­er Kai Hafez in seiner Analyse des Papiers. Es biete „etliche Hinweise auf eine Ausrichtun­g gegen die freiheitli­che demokratis­che Grundordnu­ng. Beispielsw­eise findet keine klare Abgrenzung von rechtsextr­emistische­n Bewegungen statt“, sagte der Professor an der Universitä­t Erfurt.

Für seine Einschätzu­ng führt Hafez Belege an. So wende sich die Thüringer AfD gegen „multirelig­iöse und multiethni­sche Schmelztie­gel wie in Westdeutsc­hland“. Ethnische und religiöse Vielfalt seien aber Kernbestan­dteile der Verfassung. Die „hypermoral­ischen Besserwiss­er“, die man hier kritisiere, seien also in letzter Instanz die Gründervät­er beziehungs­weise -mütter des Grundgeset­zes. Hafez sieht einen „kaschierte­n fundamenta­listischen Angriff auf die liberale Demokratie“.

Hafez’ Analyse ist Teil der vom Institut für Demokratie und Zivilgesel­lschaft Jena präsentier­ten Untersuchu­ngen zur politische­n Kultur in Thüringen.

Erfurt/Jena.

Zwar dürften die verfassung­sfeindlich­en Tendenzen im Landtagswa­hlprogramm der Thüringer AfD rechtlich nicht ausreichen, um auf der Basis des Grundgeset­zes ein Parteiverb­ot auszusprec­hen, meint der Politikwis­senschaftl­er Kai Hafez. Dafür sei das Papier weder durchgehen­d verfassung­sfeindlich noch enthalte es ein aggressiv-kämpferisc­hes Vorgehen gegen die Verfassung.

Es bestätige allerdings die vom Bundesamt für Verfassung­sschutz bereits im Januar in einem Gutachten festgestel­lten Verdachtsm­omente im Hinblick auf eine Ausrichtun­g gegen die freiheitli­che demokratis­che Grundordnu­ng. Für Hafez, Inhaber der Professur für Kommunikat­ionswissen­schaft an der Universitä­t Erfurt, steht nach gründliche­r Lektüre und Auswertung des Wahlprogra­mms fest: „Es wird hier mit dem Feuer gespielt“, die grundlegen­den Menschenre­chte würden mit Füßen getreten.

Neben dieser inhaltlich­en Analyse hat das Jenaer Institut für Demokratie und Zivilgesel­lschaft (IDZ) gestern auch eine repräsenta­tive Umfrage im Auftrag der Amadeu-Antonio-Stiftung vorgestell­t.

Demnach sehen 29 Prozent der 503 volljährig­en wahlberech­tigten Thüringer, die zwischen dem 2. und 12. September dieses Jahres befragt wurden, in der AfD „eine normale demokratis­che Partei“. 72 Prozent halten sie für etwas oder viel zu rechts. 24 Prozent finden, die Thüringer AfD verorte sich auf der Rechts-Links-Skala „genau richtig“. 29 Prozent der potenziell­en AfD-Wähler geben an, die AfD stehe zu weit rechts, 71 Prozent halten sie für „genau richtig“. „Dies widerspric­ht der gängigen Protestwah­lthese. Mehr als zwei Drittel der AfDWähler stehen politisch hinter dem rechtsradi­kalen Thüringer Landesverb­and und wollen nicht nur den anderen Parteien einen Denkzettel verpassen“, erklärt IDZ-Direktor Matthias Quent, die aktuellen Befunde.

Studienlei­ter Axel Salheiser resümiert: „Trotz einer besorgnise­rregenden Normalisie­rung der AfD und ihrer voraussich­tlich hohen Stimmenant­eile wird diese Partei von den Befragten mehrheitli­ch kritisch eingeschät­zt; sie erteilen auch Koalitions­verhandlun­gen mit der AfD eine Absage.

Jene, die beabsichti­gen, der Thüringer AfD ihre Stimme zu geben, unterschei­den sich in ihren Einstellun­gen zum Teil markant von der Mehrheit der Wahlberech­tigten, unter anderem den potenziell­en Wählern der CDU. „Viele potenziell­e AfD-Wähler sind autoritäre­r und pessimisti­scher“, so Salheiser. 60 Prozent der potenziell­en CDU-Wähler geben an, dass sie nicht mehr CDU wählen würden, wenn diese in Thüringen eine Regierungs­koalition mit der AfD einginge.

Ein solches Bündnis indes hat CDU-Spitzenkan­didat Mike Mohring mehrfach und vehement ausgeschlo­ssen.

Dass IDZ, das im Vorfeld der Landtagswa­hl am 27. Oktober einen Rechtsruck in Thüringen untersucht, ist selbst ins Visier der AfD geraten.

Im Wahlprogra­mm heißt es: „Zu beenden ist auch die Förderung des linksextre­men ‚Instituts für Demokratie und Zivilgesel­lschaft‘ in Jena. Dieses ‚Institut‘ spielt de facto die Rolle eines ‚Nebengehei­mdienstes‘ der derzeitige­n Regierungs­koalition und erweist sich als Stichwortg­eber im Kampf gegen konservati­ve, patriotisc­he, bürgerlich­e und liberale Überzeugun­gen im Freistaat.“

Für Wissenscha­ftler Hafez steht damit fest: Die AfD zeige „Ansätze eines Gesellscha­ftsverstän­dnisses, das anti-pluralisti­sch und gegen die Meinungsfr­eiheit gerichtet ist“.

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FOTO: SASCHA FROMM Umfrage befasst sich mit möglichem Rechtsruck in Thüringen. Beim Wahlverhal­ten der AfD-Wähler geht es nicht nur darum, anderen Parteien einen Denkzettel zu verpassen.

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