Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Seenotrett­ung: EU-Staaten erteilen Seehofer eine Abfuhr

Bei einem EU-Innenminis­tertreffen schloss sich kein Staat seinem festen Verteilmec­hanismus an

- Von Christian Kerl

Luxemburg.

Schwerer Dämpfer für Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) bei seinem umstritten­en Plan für die Seenotrett­ung von Migranten im Mittelmeer: Das mit Frankreich, Italien und Malta vor zwei Wochen vereinbart­e Vorhaben zur Aufnahme der Flüchtling­e wird von anderen EU-Staaten vorerst nicht unterstütz­t.

Obwohl Seehofer bei einem Treffen der EU-Innenminis­ter am Dienstag in Luxemburg nachdrückl­ich für den Plan warb, erhielt er keine einzige verbindlic­he Zusage – dabei hatte Seehofer bei der Grundsatze­inigung vor zwei Wochen davon gesprochen, dass zwölf bis 14 Länder mitziehen und ebenfalls Bootsflüch­tlinge aufnehmen würden. Ungarn, Polen, Tschechien, die Slowakei und Österreich hatten eine Beteiligun­g schon aus grundsätzl­ichen Bedenken abgelehnt. Die stärker vom Flüchtling­sstrom betroffene­n Länder Griechenla­nd, Zypern und Bulgarien forderten in einer gemeinsame­n Erklärung, eine Lösung müsse allen Mittelmeer­ländern zugute kommen, nicht nur Italien und Malta.

Der Innenminis­ter hat jedoch bereits zugesagt, dass Deutschlan­d jeden vierten Bootsflüch­tling aufnimmt, der auf der zentralen Mittelmeer­route gerettet wird; Frankreich will offenbar einen ähnlich hohen Anteil übernehmen. Dies ist Teil der Übergangsl­ösung, die verhindern soll, dass Rettungssc­hiffe mit Flüchtling­en oft wochenlang im Mittelmeer herumirren, weil sie nirgends anlanden dürfen. Wie die Vereinbaru­ng nun angesichts der Weigerung anderer EU-Staaten umgesetzt werden kann, soll bei einer von der EU-Kommission ausgericht­eten Konferenz am Freitag ausgelotet werden.

Seehofer spielte den Misserfolg herunter und sagte, er sei mit den Beratungen „zufrieden“. Die Vereinbaru­ng der vier Staaten habe auch so Bestand. Kritik an der Vereinbaru­ng, wie sie unter anderem in der UnionsBund­estagsfrak­tion laut geworden war, wies Seehofer scharf zurück: Deutschlan­d habe in den vergangene­n 14 Monaten 225 Bootsflüch­tlinge aufgenomme­n – angesichts solcher Größenordn­ungen sei die Debatte „beschämend“und „schräg“. Sollten anderersei­ts aus hunderten Bootsflüch­tlingen tausende werden, „kann ich erklären, dass wir den Notfallmec­hanismus beenden.

Seehofer ging sogar so weit, die Übergangsl­ösung als Blaupause für eine große Reform des EU-Asylrechts zu loben. Bei dem Plan handele es sich um ein „Modell“und ein „Pilotproje­kt“für eine gemeinsame große Asylreform in Europa.

Dem widersprac­h Unionsfrak­tionsvize Thorsten Frei: Der Notfallmec­hanismus könne nicht das Modell für ein gemeinsame­s europäisch­es Asylsystem sein, sagte Frei im Deutschlan­dfunk. Es wäre nicht richtig, alle Ankommende­n in Europa zu verteilen, ohne zunächst zu prüfen, ob sie eine Bleibepers­pektive hätten.

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