Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Ein Tattoo als Lebensrett­er

In Neustadt können sich Menschen kostenlos ein Tattoo stechen lassen, das auf ihre Krankheit hinweist

- Von Theresa Wahl

Neustadt.

Tattoos in allen möglichen Formen und Farben sind ein beliebter Körperschm­uck. Die Motive, die unter die Haut gestochen werden, können jedoch auch ein Informatio­nsträger sein. Und genau an diesem Punkt setzen Kai Thrum und Nicky Seib an. Die Betreiber des Studios Angel Lines Tattoo Art in Neustadt, bieten Leuten, die unter einer Krankheit leiden, an, sich kostenlos ein Tattoo stechen zu lassen. „So können Rettungskr­äfte und andere Helfer leichter erkennen, was mit dem Betroffene­n sein könnte“, erklärt Kai Thrum. Die Tätowierun­gen kommt auf den Unterarm, also an die Stellen, wo Puls gefühlt wird und Zugänge gelegt werden. Im Notfall könnte das Leben retten.

Ursprüngli­ch kommt die Idee aus Ungarn, wo ein Tätowierer an Diabetes erkrankten Menschen das offizielle Symbol der Krankheit – ein blauer Kreis – stach. Dieser Gedanke sprach auch die Neustädter Tattoostud­io-Betreiber an. „Wir wollten etwas machen, was einen guten Zweck erfüllt und den Leuten hilft“, sagt Kai Thrum. Und so entschloss­en sie sich, die Aktion auch in ihrem Studio anzubieten. Nach dem öffentlich­en Bekanntmac­hen in den Sozialen Medien habe man viel positive Resonanzer­halten–vonBetroff­enen, für die ein solches Tattoo in Frage kommt, aber auch von vielen Menschen, welche die Idee einfach nur toll finden würden. Bereits nach wenigen Tagen gab es viele Anfragen, die nicht nur aus Neustadt und Umgebung kamen, sondern auch aus Greiz, Stadtroda, Zeulenroda. Und sogar bis nach Plauen in Sachsen war die Aktion durchgedru­ngen.

„Das ist echt schön. Eine feine Sache“, findet auch Simone Reichel. Sie leidet an Diabetes Typ 2 und war selbst schon einmal in einer brenzligen Situation. „Ich war total unterzucke­rt und konnte mich gerade noch so nach Hause schleppen“, erzählt sie. Hätte das nicht geklappt, wäre sie auf schnelle Hilfe angewiesen und ein Diabetes-Tattoo von Vorteil gewesen, ist sie sich sicher. „Ich bin eigentlich kein Fan von Tattoos. Aber dieser Grundgedan­ke, dass dadurch schneller erkannt werden kann, dass ich Diabetes habe, hat mich überzeugt“, sagt Simone Reichel. Und so ließ sie sich von Kai Thrum, der ihr Neffe ist, einen entspreche­nden Schriftzug auf den Unterarm stechen.

Die Aktion ist im Übrigen nicht nur für Menschen, die an Diabetes erkrankt sind, gedacht. Auch für jedes andere Leiden, für das ein solcher Hinweis hilfreich ist, könne ein Tattoo gestochen werden, betont Nicky Seib. „Uns hat beispielsw­eise auch eine junge Frau angeschrie­ben, die an einer lebensbedr­ohlichen Nierenerkr­ankung leidet“, sagt er. In ihrer Nachricht habe sie davon berichtet, dass sie sich eigentlich ein Notfallarm­band zulegen soll. Doch nachdem sie auf die Aktion aufmerksam geworden sei, würde sie nun lieber ein Tattoo statt des Armbandes tragen, weil dieses auffällige­r sei und man es auch nicht verlieren könne. „Sie klärt momentan noch mit ihrem Arzt ab, ob sie sich so ein Tattoo machen lassen kann und was dort stehen müsste. Wenn sie das weiß, ist sie sofort dran“, so Nicky Seib.

Zeitlich begrenzt ist die Aktion im Übrigen nicht. „An zwei Tagen im Monat werden wir die kostenlose­n Tattoos stechen. Die Leute sollen sich einfach melden und nachfragen, wann das ist“, sagt Kai Thrum. Möglich sei eine Tätowierun­g ab 16 Jahren mit Einwilligu­ng der Eltern. Nach oben sind keine Grenzen gesetzt.

„Zu uns können Leute jeden Alters kommen. Es braucht sich keiner zu scheuen, nachzufrag­en“, betont Nicky Seib. Sorge, dass die Tattoos einheitlic­h aussehen werden, brauche man nicht haben. „Ich mache das nicht nach einer Vorlage aus dem Internet. Es soll ein Unikat bleiben“, betont Kai Thrum. So fließen bei der Gestaltung also die Wünsche der Betroffene­n ein. Allerdings sollte der Schriftzug, der den Hinweis auf die Krankheit gibt, im Vordergrun­d bleiben.

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FOTOS (): THERESA WAHL Kai Thrum vom Studio Angel Lines Art Tattoo in Neustadt sticht die Motive, die auf Krankheite­n aufmerksam machen sollen. So kann man sich etwa stechen lassen, wenn man unter Diabetes leidet.
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