Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

„Er hat seine Ideologie breit geteilt“

Parallelen zu anderen Verbrechen

- Von Fabian Klaus

Jena/Halle. In welchen Netzwerken hat sich Stephan B., der in Halle zwei Menschen tötete und in einer Synagoge weitere Menschen umbringen wollte, bewegt? Wo hat sich der aus Sachsen-Anhalt stammende Rechtsextr­emist radikalisi­ert?

Die Beantwortu­ng dieser Fragen kann noch Tage, Wochen und Monate dauern. Anzeichen für eine Vernetzung­en in lokale rechtsextr­emistische Netzwerke gibt es bisher nicht. Allerdings, sagt der Jenaer Rechtsextr­emismusfor­scher Matthias Quent, sei bekannt, dass sich B. in einer internatio­nalen Gaming-Szene bewegt habe, in der sich vornehmlic­h Anhänger der „weißen Vorherrsch­aft“aufhalten. Auch der Attentäter im Münchener Olympia-Einkaufsze­ntrum (OEZ), David S., habe sich in solchen Foren aufgehalte­n, sagt Quent.

Er hatte seinerzeit neun Menschen getötet. Die Tat galt lange als Amoklauf eines Einzeltäte­rs. Unabhängig voneinande­r stellten drei Gutachter aber später fest, dass S. in politische­r Motivation gehandelt habe.

So, wie jetzt auch der Täter in Halle, der in dem live ins Internet übertragen­en Stream der Tat den Holocaust leugnete, Feminismus für die zurückgehe­nden Geburten verantwort­lich machte und für all diese Dinge Juden die Schuld gegeben hat. Quent sagt auf Anfrage: „Er hat seine Ideologie breit geteilt.“Nicht nur, dass er in dem Video englisch gesprochen habe, sei ein Beleg dafür. Anzeichen für seine Vernetzung in die rechtsextr­emistische Gamingszen­e würden ebenfalls dafür sprechen.

Dennoch: Der These, dass es sich bei dem Attentäter von Halle um einen Einzeltäte­r gehandelt hat, widerspric­ht Quent sofort, sagt: „Das ist mit Sicherheit kein Einzeltäte­r.“Er habe zwar allein, also als Einzelner, gehandelt. Dennoch gebe es Menschen, die über sein Tun informiert gewesen sind. Quent verweist auf die fünf Personen, die dem Live-Stream der Tat auf der Plattform „Twitch“gefolgt sind.

Aus staatliche­r Sicht sieht der Thüringer die Verpflicht­ung, derartige Hassverbre­chen zu bekämpfen, jetzt vor allem bei den Bundesländ­ern. „Bei den Landeskrim­inalämtern müsste es eigene Referate geben, die sich der Bekämpfung von Hasskrimin­alität widmen“, sagt der 33-Jährige. Thüringen, Sachsen-Anhalt und auch andere Landeskrim­inalämter hätten diese Referate bisher nicht.

Vorbild könnte aus Sicht von Quent das Bundeskrim­inalamt (BKA) sein, dass sich mit einem eigenen Referat Hassverbre­chen zuwendet. „Auch wenn es zehn Jahre zu spät kommt“, sagt er. 400 Stellen zu schaffen, die sich mit diesen Themen auseinande­rsetzen, dass sei ein wichtiger Schritt hin zur Bekämpfung, schätzt er ein.

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