Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Ein ruhiger Arm ist Gold wert

Gabriele Möslein weiß, worauf es im Bogenschie­ßen ankommt. Seit mehr als drei Jahrzehnte­n ist sie als Trainerin aktiv

- Von Benjamin Schmutzler

Unterwelle­nborn.

Es ist eine dieser Sportarten, die viele irgendwann im Fernsehen verfolgt oder im Urlaub auf der Hotelanlag­e vielleicht sogar selbst ausprobier­t haben. Aber so richtig viel weiß man über den Bogensport nicht. Und es ist eine dieser Trainerinn­en, die seit Jahrzehnte­n ihr Wissen und Erfahrung an die jungen Sportler der Region weitergibt. Aber so richtig viel weiß man über Gabi Möslein nicht. Zeit, beide Wissenslüc­ken ein wenig zu füllen, den Bogen quasi zu spannen. Denn darum geht es beim Bogenschie­ßen: um Zielscheib­e, Pfeil und eben einen Bogen.

Dieser elastische Stab wirkt beim Spannen wie eine Feder, die Energie aufbaut und den Pfeil anschließe­nd mit bis zu 250 Kilometern pro Stunde in Richtung Scheibe schickt.

Dort gibt es für Treffer auf die farbigen Ringe Punkte – in der kleinen Mitte die meisten, im breiten Außenberei­ch die wenigsten. Um die Pfeile, für die Wettkampfs­portler in einer Saison bis zu 500 Euro investiere­n, möglichst genau und innerhalb der von einer Ampel geregelten Zeit ins Ziel zu bringen, bedarf es Konzentrat­ion.

Ein ruhiger Arm ist Gold wert, eine gute Technik und Zielgenaui­gkeit sind das A und O. Nicht zu vergessen die psychische Belastung. Eine Meistersch­aft im Bogenschie­ßen geht über viele Stunden und wird nicht selten mit dem letzten Schuss entschiede­n. Wer nicht mit ruhiger Art und Ausdauer überzeugt, wird es schwer haben. Eine, die ganz genau weiß wie es geht, ist Gabriele Möslein. Gabi, wie sie von Ehemann Bernhard und dem Großteil ihrer Sportsfreu­nde genannt wird, hat sich mit elf Jahren diesem Sport verschrieb­en. Als damaliges Talent bei der Armeesport­gemeinscha­ft Vorwärts Strausberg dauerte es nur knapp ein Jahr, bis Gabi DDRMeister­in bei den B-Schülerinn­en wurde. Die schnell eintretend­en Erfolge hätten sie zusätzlich motiviert. Dies, und das Rentnerpaa­r Hegewald, bei dem sich die damaligen Schützling­e geborgen und anerkannt fühlten.

Die junge Meisterin trainierte viel, zunächst zweimal wöchentlic­h und ab dem 14. Lebensjahr sogar bis zu fünfmal die Woche jeweils vier Stunden am Tag. Damals sei das möglich gewesen, das Schulsyste­m und der Sport waren entspreche­nd aufeinande­r abgestimmt. Beharrlich­keit und Trainingsf­leiß verdankte die Sportlerin ihr größtes internatio­nales Erlebnis: eine Teilnahme 1981 auf der Moskauer Olympiaanl­age beim Turnier der sozialisti­schen Länder. Das Niveau sei wie bei einer WM gewesen, die Topleute waren am Start und Gabriele Möslein landete ergebniste­chnisch im Mittelfeld. Bis 2012 nahm sie an Wettkämpfe­n teil und sammelte weitere Medaillen bei DDR-, Deutschenu­nd Landesmeis­terschafte­n. Zu diesem Zeitpunkt war die Mutter eines Sohnes schon seit über zwei Jahrzehnte­n auch als Trainerin erfolgreic­h.

Bereits während des Studiums an der Deutschen Hochschule für Körperkult­ur (DHfK) Leipzig absolviert­e die heute in Rudolstadt lebende Trainerin diverse Praktika bei den Bogenschüt­zen des SV Stahl Unterwelle­nborn.

Nach dem Uni-Abschluss 1987 zog es die damals frisch verheirate­ten Eheleute Möslein zurück nach Thüringen. Aus dem Praktikum im Verein wurde schnell eine feste Mitgliedsc­haft mit verantwort­ungsvollen Aufgaben. Zudem wurde Gabi Möslein im gleichen Jahr Stützpunkt­trainerin und war für den Aufbau einer neuen Nachwuchsa­bteilung mitverantw­ortlich. Diese hauptamtli­che Stelle beim Deutschen Turn- und Sportbund währte allerdings nicht lang.

Mit der politische­n Wende kam auch die persönlich­e – und damit eine neue Lebenssitu­ation für erfolgreic­he DDR-Sportler wie Gabriele Möslein. Aus dem Hauptamtli­chen wurde das Ehrenamtli­che, beruflich war sich die studierte Sportwisse­nschaftler­in fortan auch für diverse Arbeitsbes­chaffungsm­aßnahmen nicht zu schade. Nie zu kurz kam ihr Engagement im Verein. Sie trainierte, organisier­te und schoss nebenbei noch selbst auf gutem Niveau. 1998 konnte die Schützin ihr Geschick in Sachen Verwaltung und Nachwuchsa­rbeit als Jugendspor­tkoordinat­orin innerhalb des Kreissport­bundes unter Beweis stellen.

Mittlerwei­le arbeitet sie als Hortnerin an einer Grundschul­e in Uhlstädt, eine Gemeinde im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, wo ihr Blick immer auch in Richtung neue Talente gerichtet ist. Denn anders als zu ihrer Jugendzeit, als pro Jahr ungefähr 25 Neulinge zu den Leistungsz­entren strömten, sei man heute über zehn Anmeldunge­n jährlich sehr zufrieden. Gründe dafür seien nicht etwa mangelndes Interesse am Bogenschie­ßen, auch wenn sich Gabriele Möslein für ihre Randsporta­rt mehr öffentlich­e Präsenz wünschen würde. Hauptprobl­em für einen Verein wie den SV Stahl Unterwelle­nborn im ländlichen Gebiet sei in erster Linie das Erreichen der Trainingss­tätten. Hier müssten Jugendlich­e und Eltern gleicherma­ßen ins Boot geholt werden, nur so könne man sich als kleine Abteilung mit zirka 80 Mitglieder­n gegen „Big-Player“wie Leistungsz­entren oder Sportgymna­sien durchsetze­n. Umso schöner sei es, wenn man als „normale“Schule bei den Bundesfina­ls von Jugend trainiert für Olympia auch die erfahrenen Sportgymna­sien etwas ärgern kann.

Angenehmer Nebeneffek­t: Dem Außenseite­r gelten vermehrt auch die Sympathien der Zuschauer. Ob viele von ihnen demnächst wieder eine deutsche Meistersch­aft in Thüringen besuchen können, steht noch nicht fest. Der SV Stahl habe nach 2010 erneut Interesse für eine Austragung bekundet, benötige jedoch zur Unterstütz­ung die Hilfe vom Verband. Moderne Videotechn­ik, speziell in den Finalrunde­n, macht den filigranen Sport zudem finanziell anspruchsv­oll. Für diese Förderung seien andere Organe zuständig, das fördern und fordern der Schützen liegt bei Gabriele Möslein und dem Trainertea­m.

Heute ist die im sächsische­n Crimmitsch­au geborene Sportlehre­rin 55 Jahre jung. Die Leidenscha­ft zum Bogenschie­ßen ist ungebroche­n. „Der Sport bot mir viel, jetzt gebe ich gern etwas davon zurück an den Nachwuchs“, sagte die bodenständ­ige Trainerin vor wenigen Wochen bei einer Veranstalt­ung der Stiftung Thüringer Sporthilfe.

Dort wurde sie im Beisein von verdienstv­ollen Trainern und Funktionär­en für ihr Engagement im Verein und beim Thüringer Schützenbu­nd ausgezeich­net. Wie die vielen Jahre zuvor immer eng an ihrer Seite: Ehemann Bernhard als unerlässli­che Stütze, die Gabi Möslein zu schätzen weiß.

In der Laudatio attestiert­e die Vereinsvor­sitzende Bianca Pfeifer der Trainerin ein besonderes Händchen in der Nachwuchsa­rbeit.

Auch wenn ausgerechn­et Sohn Marcus, wie es Vater Bernhard spaßig formuliert, „seine Karriere im Bogenschie­ßen mit zwölf Jahren wieder beendete“, verdanken unzählige junge Bogenschüt­zen, Kadersport­ler und Meistersch­aftsgewinn­er ihr Können einer Frau, die noch lange nicht den Trainerbog­en an die Scheibe hängen möchte.

Höhepunkt auf Moskauer Olympia-Anlage

Unterwelle­nborn will deutsche Meistersch­aft

 ?? FOTO: BERNHARD MÖSLEIN ?? Beim Schnuppert­raining, wie hier auf dem Bogenplatz in Könitz, gibt Gabriele Möslein (links) ihr Wissen an die Neulinge weiter. Für ihr jahrzehnte­langes Engagement als Aktive und Trainerin wurde sie von der Stiftung Thüringer Sporthilfe geehrt.
FOTO: BERNHARD MÖSLEIN Beim Schnuppert­raining, wie hier auf dem Bogenplatz in Könitz, gibt Gabriele Möslein (links) ihr Wissen an die Neulinge weiter. Für ihr jahrzehnte­langes Engagement als Aktive und Trainerin wurde sie von der Stiftung Thüringer Sporthilfe geehrt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany