Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
„Wir lassen uns nicht entmutigen“
. Tage jüdisch-israelischer Kultur in Thüringen
Michael Dissmeier hat „versucht, ein kulturelles Programm zu entwickeln, dass die Vielfalt feiert“. Doch dann beschlich ihn kurzzeitig das Gefühl, „dass ich das völlig falsche Programm mache“. Das Thema Antisemitismus kommt darin zwar vor, aber „keine einzige Veranstaltung zum Rechtsradikalismus“.
Das war am Mittwoch, als er vom antisemitisch motivierten, rechtsradikal intendierten Mordanschlag in Halle/Saale hörte und dem gerade noch glücklich gescheiterten Massaker in der dortigen Synagoge, wo Juden Jom Kippur feierten, Versöhnungstag. Zwei Tage später sitzt Dissmeier in der Kleinen Synagoge, die längst kein geweihter Ort mehr ist, aber nunmehr ein geschützter.
Zwei Polizeiwagen wachen jetzt vor der Tür, während sich der Programmchef der Tage jüdisch-israelischer Kultur drinnen doch wieder sicher ist, das Richtige zu tun. Während offensichtlich auch hierzulande daran gearbeitet werde, „einen homogenen Volkskörper herstellen“, stellt er Heterogenität dagegen. Vielfalt! „Wir wollen uns jetzt nicht entmutigen lassen“, sagt auch Reinhard Schramm, der neben ihm sitzt. „Im Gegenteil!“Der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde ist dankbar für die aktuelle Solidarität, aber auch für jene Leute, die in vielen Thüringer Städten ehrenamtlich Wissen über jüdische Kultur verbreiten.
„Ich will unsere jüdisch-israelischen Kulturtage nicht überschätzen“, meint Ricklef Münnich vom Förderverein, „in dem, was sie an Gesprächsprozess, an Diskussion und auch an Versöhnungsimpulsen bringen.“Einige Möglichkeiten habe man aber doch, auch angesichts der wachsenden Zahl der Kooperationspartner. Sie stemmen 40 der 100 Veranstaltungen, die zwischen dem 30. Oktober und 16. November in 24 Orten stattfinden: Konzerte, Lesungen, Vorträge, Theaterstücke.
Einige Städte erhöhen ihre Mittel deutlich, so Michael Dissmeier: Erfurt um den zweieinhalbfachen, Mühlhausen um den doppelten Betrag. Zuwächse gebe es auch in Gera und Jena. Neu dabei ist Rudolstadt. Die dortige Judaica-Sammlung rückt ins Zentrum einer internationalen Tagung: Das Max-Weber-Kolleg der Uni Erfurt veranstaltet sie unterm Titel „Rituelle Objekte in rituellen Kontexten“. Flankiert wird sie von zwei Veranstaltungen. Die israelische Vokal-Künstlerin Victoria Hanna geht in einer „Lecture Performance“in Erfurts Kleiner Synagoge der hebräischen Sprache auf den Grund. Gitarrist Lucian Plessner lädt im Rudolstädter Löwensaal zum moderierten Konzert für Leonard Bernstein. „Modernes Israel“lautet das Motto dieser 27. Kulturtage.