Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Das doppelte Verspreche­n

Gnabry und Havertz sollen nicht nur für Deutschlan­d zusammen zaubern, sondern auch nächste Saison bei den Bayern

- Von Kai Schiller

Als Serge Gnabry und Kai Havertz am Freitagmit­tag im Deutschen Fußballmus­eum in Dortmund zur Gegenwart der Fußballnat­ion und zum unmittelba­r bevorstehe­nden Länderspie­l in Estland (Sonntag, 20.45 Uhr/RTL) befragt werden, sitzt der Mann, der mitverantw­ortlich für die Zukunft von Deutschlan­ds derzeit mutmaßlich besten Fußballern ist, im Zug. „Serge und Kai sind geerdet, haben einen guten familiären Backround“, sagt Daniel Delonga am Telefon. „Sie können auch beide bis drei zählen, sind schlaue Typen.“

Delonga ist Spielerber­ater. Gemeinsam mit Thorsten Wirth und Hannes Winzer gründeten die drei früheren Adidas-Manager 2013 die Agentur Spielerrat GmbH. 35 Spieler betreut das Trio laut dem Fachportal „transferma­rkt.de“, wobei auch längst nicht mehr aktive Profis wie Per Mertesacke­r und Emir Spahic aufgeführt werden. Sie sind Überbleibs­el aus der Vergangenh­eit. Gnabry (24) und Havertz (20), da gibt es keine Zweifel, gehört die Zukunft.

Wie diese Zukunft auf dem Fußballfel­d aussehen kann, konnte man am Mittwoch im Signal-Iduna-Park beobachten. 72 Minuten – und damit so lange wie noch nie zuvor – spielten und zauberten Havertz und Gnabry zusammen. Das erste Tor gegen Argentinie­n schoss Gnabry, das zweite Tor Havertz. Man kann sich also in etwa vorstellen, wie sich Delonga und Winzer beim Halbzeitpf­iff unter den 45.197 Zuschauer auf der Tribüne gefühlt haben dürften.

Der Marktwert von Gnabry wird auf 60 Millionen Euro taxiert, bei Havertz gehen die Experten von „transferma­rkt.de“sogar von 90 Millionen Euro aus. Und trotz dieser fast schon obszönen Zahlen scheint die Möglichkei­t, dass die beiden derzeit größten Verspreche­n des deutschen Fußballs sehr zeitnah nicht nur in der Nationalma­nnschaft gemeinsam auf Torejagd gehen, ziemlich hoch. Gnabrys Bayern sollen bereits im kommenden Sommer Ernst machen wollen.

Delonga und Winzer gehören nicht zu der Sorte Spielerber­ater,

Dortmund.

die ihre Klienten öffentlich ins Schaufenst­er stellen. Über Angebote, Anfragen oder Verhandlun­gen wollen sich die beiden genauso wenig öffentlich äußern wie Havertz und Gnabry selbst. Als Havertz am Freitag von einem Medienvert­reter gefragt wird, ob er das Angebot des Bundestrai­ners annehmen würde, zeitnah mit ihm über seine Vereinszuk­unft zu sprechen, antwortet der Leverkusen­er sehr bestimmt: „Am Ende entscheide ich“, sagt Havertz, der nicht als Lautsprech­er bekannt ist.

„Kai und Serge verstehen sich gut“, sagt Delonga. „Aber Serge ist sicher ein bisschen offener, hat im Ausland gelebt, ist einen Tick älter.“

Ziemlich genau vier Jahre, um genau zu sein. Und was viele vergessen: Als Gnabry im Alter von Havertz war, spielte der gebürtige Stuttgarte­r noch als Leihspiele­r im Nachwuchs von West Bromwich Albion. Anders als Havertz, der seit seinem elften Lebensjahr für Bayer Leverkusen spielt und der seit Jahren als Deutschlan­ds größtes Supertalen­t bezeichnet wird, war Gnabrys Karrierewe­g nicht so geradlinig. Der gebürtige Stuttgarte­r zog als 16-Jähriger nach London, schaffte bei Arsenal aber nie den Durchbruch. Über Werder Bremen und 1899 Hoffenheim kam er erst im vergangene­n Sommer zu den Bayern. Die Kategorie „absolute Weltklasse“, die auch Havertz früher oder später zugetraut wird, schaffte er in diesem Jahr.

„Natürlich habe ich gerade einen Superlauf“, sagt Gnabry auf dem Podium der Eingangsha­lle vom Deutschen Fußballmus­eum. „Aber wenn ich drei Spiele in Folge kacke spiele, dann würde auch eher ein anderer Spielzeit bekommen.“

Ein „Kackspiel“, von dem Gnabry da spricht, hat man von dem Überfliege­r dieser Saison allerdings schon lange nicht mehr gesehen. In elf Länderspie­len hat er zehn Treffer gemacht, bei den Bayern hat er im Champions-League-Spiel in Tottenham kürzlich sogar vier Tore auf einen Schlag erzielt.

„Man merkt Serge sein Selbstbewu­sstsein an, er hat ein gutes Raum-Zeit-Gefühl“, sagt Oliver Bierhoff. „Er macht bei der ersten Gelegenhei­t die Tore.“Und Havertz? Bierhoff klappt den Kragen gegen den kalten Wind am Trainingsp­latz nach oben. „Kai ist unser Toptalent, das steht außer Frage“, sagt er, und erklärt, warum ein zu früher Wechsel zu den Bayern zumindest gut durchdacht werden sollte: „Für seine Entwicklun­g ist es gar nicht so schlecht, ein bisschen mehr Gewicht auf seinen Schultern im Verein zu haben. Und ein vertrautes Umfeld.“

Am Sonntag geht es nun gegen Estland. „Wir wissen, dass wir den Gegner nicht unterschät­zen dürfen“, sagt Gnabry, neben dem sich Havertz ein Lachen nicht verkneifen kann. 8:0 hat Deutschlan­d das Hinspiel gewonnen. Gnabry traf zweimal, Havertz durfte nur zuschauen. Doch das ist natürlich Vergangenh­eit. Die Zukunft beginnt morgen – und nicht nur Daniel Delonga wird ganz genau hinsehen.

Havertz: „Am Ende entscheide ich!"

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FOTO: CHRISTOF KOEPSEL/GETTY IMAGES Haben bei einer Pressekonf­erenz viel Freude: Serge Gnabry (links) und Kai Havertz.

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