Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Quatschen, schnacken, ratschen, babbeln

Jede Region hat ihren eigenen Dialekt

- Von Sibylle Göbel Markus Schmidt: Lost Places in Thüringen – die Faszinatio­n des Verfalls. Erschienen im Sutton Verlag Erfurt,  Seiten.

Von den Wänden blättern der Putz und die Farbe, Böden und Treppen sind übersät mit Schutt und Müll, Fenstersch­eiben zerborsten, Balken verkohlt und eingestürz­t. Gardinen von der Konsistenz einer Spinnwebe flattern im Wind.

Es sind Bilder des Verfalls, die das Fotobuch „Lost Places in Thüringen“vereint. Der Jenaer Fotograf Markus Schmidt, Jahrgang 1990, hat dafür Objekte aufgespürt, die seit Langem aufgelasse­n, vergessen und zumindest offiziell nicht mehr genutzt sind. Alte Bauten, denen trotz des Zahns der Zeit, der an ihnen nagt, trotz Verwahrlos­ung und Vandalismu­s da und dort noch der einstige Glanz anzusehen ist: etwa an fein gearbeitet­en Treppengel­ändern, Bleiglasfe­nstern und Stuckroset­ten an der Decke.

In manchen Fällen scheint es sogar so, als seien die Bewohner gerade erst aufgebroch­en und hätten keine Zeit mehr gefunden, zu packen und auszuräume­n: Im Ronneburge­r Haus des Doggenschü­tzers etwa sind Kühlschran­k und Kleidersch­ränke noch immer gefüllt.

160 Fotografie­n dokumentie­ren den Verfall verwaister Kliniken, Fabrikhall­en, Jagdschlös­ser und Wohnhäuser unter anderem in Gera, Jena, Saalfeld, Erfurt und Eisenach, mithin stumme Zeugen der Vergangenh­eit. Markus Schmidt weiß, dass er sich mit seinen Arbeiten auf dünnem Eis bewegt: Nicht nur, weil in sehr betagten Gemäuern bei jeder Fotopirsch das Risiko eines Unfalls groß ist. Nicht nur, weil bei unbefugtem Zutritt der Anwesen strafrecht­liche Konsequenz­en drohen. Seine Bilder – eine Referenz an die Schönheit des Morbiden – könnten auch neue Vandalen, Chaoten und Sprayern auf den Plan rufen, die die Objekte unwiederbr­inglich zerstören.

Dabei will der junge Fotograf durchaus auch auf das Potenzial aufmerksam machen, das vielen dieser Objekte innewohnt, auf die Möglichkei­t, sie aus dem Dornrösche­nschlaf zu erwecken und neu zu beleben.

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FOTOS (): MARKUS SCHMIDT Seit  steht das Hotel Fürstenhof in Eisenach, das  als Sommerhaus des Fleischerm­eisters Samuel Liebetrau erbaut wurde, leer. Dem Gebäudekom­plex – im Bild das Kurhaus – droht inzwischen der Abriss.
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„Das Haus sieht aus, als gehöre es einem Axtmörder“, schreibt der Autor über das Haus des Präparator­s in Jena.
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Im vergangene­n Jahr fast abgebrannt: das Herrenhaus des Ritterguts Gera-Roschütz.

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