Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Die Konkurrenz im Nacken
Beim Treffen der Jungen Union steht die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer unter Druck
Saarbrücken/Berlin.
Hier im Saarland war Annegret KrampKarrenbauer Ministerin und Ministerpräsidentin. Hier bremste sie mit ihrem Wahlsieg 2017 die SPD, Martin Schulz und den „Schulz-Zug“. Annegret KrampKarrenbauer, für alle nur AKK, ist heute CDU-Chefin, sie will Kanzlerin werden. Das Saarland ist ihre Heimat. Ausgerechnet hier steht sie auf der Bühne und ist unter Druck wie lange nicht.
An diesem Wochenende traf sich in Saarbrücken die Junge Union, die Nachwuchsorganisation von CDU und CSU, zu ihrem „Deutschlandtag“. Am Freitag stimmte die Mehrheit von 60 Prozent für eine Urwahl: Die Mitglieder der Union sollen über die oder den Kandidaten für die Kanzlerschaft abstimmen – viele werten diesen Vorstoß als Angriff auf die Parteivorsitzende.
In Umfragen steht AKK nicht gut da. Es passt, dass die Bühne der Jungen Union an diesem Wochenende AKK gehört – aber auch allen ihren Konkurrenten: Jens Spahn, Armin Laschet, Markus Söder. Und Friedrich Merz.
Jubel beim Auftritt von Friedrich Merz
Als AKK auf die Bühne tritt, beginnt der letzte Tag des JU-Parteitags. Die CDU-Chefin geht nicht hinter das Pult, wie alle Redner vor ihr. Sie greift zum Mikrofon, stellt sich direkt an den Bühnenrand. AKK ist im Kampfmodus. In ihrer Rede berichtet sie von ihren Reisen als Verteidigungsministerin. Sie war in Niger und Mali, besuchte die Bundeswehr. Die Sahelzone sei „Drehscheibe für den internationalen Terrorismus und die illegale Migration“. AKK will ihrer Rede den Stempel ihres Ministerpostens aufdrücken. Zuvor musste sie Kritik einstecken, sie sei gerade in dieser brisanten Zeit zu wenig präsent in der CDU-internen Debatte. Und zu viel im Ausland.
Auch andere Themen streift sie, fordert Abbau der Bürokratie, nennt die AfD den „politischen Arm des Rechtsradikalismus“. Nur am Rande geht sie ein auf die Urwahl und die K-Frage. Die Reden der vielen großen Unionsnamen auf dem Treffen der JU sei ihr zeitweise vorgekommen wie das Schaulaufen bei „Germany’s Next Topmodel“.
AKK kommt mit ihrer energischen Rede bei den Jungen in der Union an, erhält Applaus und sogar Standing Ovations – vor und nach ihrer Rede. Aber es gibt auch kritische Fragen, die Delegierten bleiben in den Zwischentönen höflich, sind aber nicht euphorisch. Ein JU-Mitglied fragt AKK, warum sie Verteidigungsministerin geworden sei, obwohl sie ein Amt im Kabinett ausgeschlossen habe – schließlich gebe es genug in der Union zu tun. Das schade der Glaubwürdigkeit der Politik.
Als AKK ihre Rede beendet, sagt sie, dass sie nicht mit der JU „kuscheln“wolle, sondern streiten. Und Kramp-Karrenbauer ruft in den Saal in Saarbrücken: „Aber lasst uns nie vergessen: Der politische Gegner sitzt immer außerhalb unserer Reihen, nie innerhalb.“Es ist ein Appell – und wohl auch ihre Hoffnung.
Jens Spahn tritt morgens um 10 Uhr auf, Tag zwei in Saarbrücken. Vielen im Saal ist der lange Abend noch ins Gesicht geschrieben. Aber die Musik zum Einlauf von Jens Spahn in Richtung Podium soll aufwecken: „Wo hat der Typ bloß seine Power her?“, schallt es zu lauten Bässen. Doch die „Power“von Jens Spahn will an diesem Tag nicht so recht aufkommen. Der Applaus bleibt höflich. Bei der Fragerunde kommt erst keiner aus dem Publikum ans Mikrofon, dann ist auch schon Schluss. Dann kommt Söder. Annegret Kramp Karrenbauer, CDU-Virsitzende
Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef nimmt gleich am Anfang den Wind aus den Segeln der stürmischen Debatte um die K-Frage. Wie AKK stellt sich auch Söder gegen eine Urwahl. Und er sagt: „Ich habe meinen Traumjob erreicht.“Das ist ein leises Signal: Zählt nicht auf mich. Vielleicht ist es aber auch ein Tiefstapeln – um die Position des Überraschungskandidaten noch eine Weile zu halten.
Auch der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, tritt auf die Bühne. JU-Chef Tilman Kuban sagt, dass Armin Laschet eine „sehr inhaltliche Rede“gehalten habe. Man kann das auch so übersetzen: Er hat sich gut geschlagen, überrascht mit neuen Positionen, hat aber das nach knackigen Parolen gierende JU-Publikum nicht zum Schenkelklopfen gepeitscht.
Überraschend an diesem Wochenende war jedoch vor allem der erste Abend. Den Moment, in dem sich Friedrich Merz nach seiner Niederlage gegen AKK im Rennen um den CDU-Vorsitz zurückmeldet auf der politischen Agenda, begießt er mit einer Flasche Bier. JU-Chef Tilman Kuban steht neben ihm, bestellt auf Anregung von Merz zwei Pullen. Und der Saal in Saarbrücken johlt: „Oh, wie ist das schön! So schön!“
Erst vor Tagen war klar: Merz kommt. Der Ex-Fraktionschef der CDU hatte mit Kuban telefoniert, kurzfristig setzt er Merz auf die Rednerliste. Als Auftakt, Freitagabend, Parteitags-Primetime. Merz, ein Konservativer und Wirtschaftsnaher. Die JU, früher links, heute rechts von der Merkel-CDU. Das passt. Und das spürt der Saal.
Merz hebt in seiner Rede hervor, Europa müsse künftig ein Gegengewicht zu China und den USA bilden. Und er sagt, dass Deutschland als tolerantes Land vor allem eines nicht tolerieren dürfe: Intoleranz. „Die Tat von Halle steht nicht allein, sondern gibt eine Stimmung wieder, die in Teilen unserer Bevölkerung um sich greift.“
Es gab auch Kritik aus den eigenen Reihen an JU-Chef Kuban, dass er Merz diese Bühne gegeben habe. So sei der ebenfalls als Kanzlerkandidat gehandelte Daniel Günther aus Schleswig-Holstein nicht aufgetreten. Es ist nur ein kurzer Zwischenruf im großen MerzRausch am ersten Abend der Jungen Union. Und die Kritik erntet Buhrufe.
Friedrich Merz soll zurück auf die Bühne der CDU-Spitzenpolitik. Daran lässt die Junge Union in der Heimat von AKK keinen Zweifel.
„Der politische Gegner sitzt immer außerhalb unserer Reihen nie innerhalb.“