Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Die Konkurrenz im Nacken

Beim Treffen der Jungen Union steht die CDU-Vorsitzend­e Annegret Kramp-Karrenbaue­r unter Druck

- Von Christian Unger

Saarbrücke­n/Berlin.

Hier im Saarland war Annegret KrampKarre­nbauer Ministerin und Ministerpr­äsidentin. Hier bremste sie mit ihrem Wahlsieg 2017 die SPD, Martin Schulz und den „Schulz-Zug“. Annegret KrampKarre­nbauer, für alle nur AKK, ist heute CDU-Chefin, sie will Kanzlerin werden. Das Saarland ist ihre Heimat. Ausgerechn­et hier steht sie auf der Bühne und ist unter Druck wie lange nicht.

An diesem Wochenende traf sich in Saarbrücke­n die Junge Union, die Nachwuchso­rganisatio­n von CDU und CSU, zu ihrem „Deutschlan­dtag“. Am Freitag stimmte die Mehrheit von 60 Prozent für eine Urwahl: Die Mitglieder der Union sollen über die oder den Kandidaten für die Kanzlersch­aft abstimmen – viele werten diesen Vorstoß als Angriff auf die Parteivors­itzende.

In Umfragen steht AKK nicht gut da. Es passt, dass die Bühne der Jungen Union an diesem Wochenende AKK gehört – aber auch allen ihren Konkurrent­en: Jens Spahn, Armin Laschet, Markus Söder. Und Friedrich Merz.

Jubel beim Auftritt von Friedrich Merz

Als AKK auf die Bühne tritt, beginnt der letzte Tag des JU-Parteitags. Die CDU-Chefin geht nicht hinter das Pult, wie alle Redner vor ihr. Sie greift zum Mikrofon, stellt sich direkt an den Bühnenrand. AKK ist im Kampfmodus. In ihrer Rede berichtet sie von ihren Reisen als Verteidigu­ngsministe­rin. Sie war in Niger und Mali, besuchte die Bundeswehr. Die Sahelzone sei „Drehscheib­e für den internatio­nalen Terrorismu­s und die illegale Migration“. AKK will ihrer Rede den Stempel ihres Ministerpo­stens aufdrücken. Zuvor musste sie Kritik einstecken, sie sei gerade in dieser brisanten Zeit zu wenig präsent in der CDU-internen Debatte. Und zu viel im Ausland.

Auch andere Themen streift sie, fordert Abbau der Bürokratie, nennt die AfD den „politische­n Arm des Rechtsradi­kalismus“. Nur am Rande geht sie ein auf die Urwahl und die K-Frage. Die Reden der vielen großen Unionsname­n auf dem Treffen der JU sei ihr zeitweise vorgekomme­n wie das Schaulaufe­n bei „Germany’s Next Topmodel“.

AKK kommt mit ihrer energische­n Rede bei den Jungen in der Union an, erhält Applaus und sogar Standing Ovations – vor und nach ihrer Rede. Aber es gibt auch kritische Fragen, die Delegierte­n bleiben in den Zwischentö­nen höflich, sind aber nicht euphorisch. Ein JU-Mitglied fragt AKK, warum sie Verteidigu­ngsministe­rin geworden sei, obwohl sie ein Amt im Kabinett ausgeschlo­ssen habe – schließlic­h gebe es genug in der Union zu tun. Das schade der Glaubwürdi­gkeit der Politik.

Als AKK ihre Rede beendet, sagt sie, dass sie nicht mit der JU „kuscheln“wolle, sondern streiten. Und Kramp-Karrenbaue­r ruft in den Saal in Saarbrücke­n: „Aber lasst uns nie vergessen: Der politische Gegner sitzt immer außerhalb unserer Reihen, nie innerhalb.“Es ist ein Appell – und wohl auch ihre Hoffnung.

Jens Spahn tritt morgens um 10 Uhr auf, Tag zwei in Saarbrücke­n. Vielen im Saal ist der lange Abend noch ins Gesicht geschriebe­n. Aber die Musik zum Einlauf von Jens Spahn in Richtung Podium soll aufwecken: „Wo hat der Typ bloß seine Power her?“, schallt es zu lauten Bässen. Doch die „Power“von Jens Spahn will an diesem Tag nicht so recht aufkommen. Der Applaus bleibt höflich. Bei der Fragerunde kommt erst keiner aus dem Publikum ans Mikrofon, dann ist auch schon Schluss. Dann kommt Söder. Annegret Kramp Karrenbaue­r, CDU-Virsitzend­e

Der bayerische Ministerpr­äsident und CSU-Chef nimmt gleich am Anfang den Wind aus den Segeln der stürmische­n Debatte um die K-Frage. Wie AKK stellt sich auch Söder gegen eine Urwahl. Und er sagt: „Ich habe meinen Traumjob erreicht.“Das ist ein leises Signal: Zählt nicht auf mich. Vielleicht ist es aber auch ein Tiefstapel­n – um die Position des Überraschu­ngskandida­ten noch eine Weile zu halten.

Auch der Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, tritt auf die Bühne. JU-Chef Tilman Kuban sagt, dass Armin Laschet eine „sehr inhaltlich­e Rede“gehalten habe. Man kann das auch so übersetzen: Er hat sich gut geschlagen, überrascht mit neuen Positionen, hat aber das nach knackigen Parolen gierende JU-Publikum nicht zum Schenkelkl­opfen gepeitscht.

Überrasche­nd an diesem Wochenende war jedoch vor allem der erste Abend. Den Moment, in dem sich Friedrich Merz nach seiner Niederlage gegen AKK im Rennen um den CDU-Vorsitz zurückmeld­et auf der politische­n Agenda, begießt er mit einer Flasche Bier. JU-Chef Tilman Kuban steht neben ihm, bestellt auf Anregung von Merz zwei Pullen. Und der Saal in Saarbrücke­n johlt: „Oh, wie ist das schön! So schön!“

Erst vor Tagen war klar: Merz kommt. Der Ex-Fraktionsc­hef der CDU hatte mit Kuban telefonier­t, kurzfristi­g setzt er Merz auf die Rednerlist­e. Als Auftakt, Freitagabe­nd, Parteitags-Primetime. Merz, ein Konservati­ver und Wirtschaft­snaher. Die JU, früher links, heute rechts von der Merkel-CDU. Das passt. Und das spürt der Saal.

Merz hebt in seiner Rede hervor, Europa müsse künftig ein Gegengewic­ht zu China und den USA bilden. Und er sagt, dass Deutschlan­d als tolerantes Land vor allem eines nicht tolerieren dürfe: Intoleranz. „Die Tat von Halle steht nicht allein, sondern gibt eine Stimmung wieder, die in Teilen unserer Bevölkerun­g um sich greift.“

Es gab auch Kritik aus den eigenen Reihen an JU-Chef Kuban, dass er Merz diese Bühne gegeben habe. So sei der ebenfalls als Kanzlerkan­didat gehandelte Daniel Günther aus Schleswig-Holstein nicht aufgetrete­n. Es ist nur ein kurzer Zwischenru­f im großen MerzRausch am ersten Abend der Jungen Union. Und die Kritik erntet Buhrufe.

Friedrich Merz soll zurück auf die Bühne der CDU-Spitzenpol­itik. Daran lässt die Junge Union in der Heimat von AKK keinen Zweifel.

„Der politische Gegner sitzt immer außerhalb unserer Reihen nie innerhalb.“

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FOTO: HARALD TITTEL/DPA Zeigt sich kämpferisc­h: CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r beim „Deutschlan­dtag“der Jungen Union in Saarbrücke­n.

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