Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Macron verärgert über von der Leyen
Frankreichs Präsident spricht mit der Bundeskanzlerin über die Probleme bei der Besetzung der EU-Kommission und den Brexit
Brüssel/Paris.
Der Poker um einen möglichen Brexit-Deal in letzter Minute, die Start-Probleme der EU-Kommission: Was in Brüssel gerade für Aufregung sorgt, beschäftigte am Sonntagabend in Paris auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron. Beim Abendessen im Élysée-Palast wollten die beiden vier Tage vor dem EU-Gipfel eine Abstimmung in zentralen Fragen versuchen.
Beim Brexit gab es am Wochenende Bewegung: Unterhändler der Europäischen Union und Großbritanniens verhandelten seit Sonnabend intensiv, nachdem sich die britische Seite in der Nordirland-Frage flexibel gezeigt hatte. Eine Einigung schien überraschend nicht ausgeschlossen, der EU-Gipfel könnte sie absegnen. Ohne Einigung oder eine Verschiebung des Brexits endet die britische EU-Mitgliedschaft am 31. Oktober. Doch bei EU-Diplomaten bleibt das Misstrauen gegenüber Johnson groß.
Die Stimmung bei Macron ist wegen eines anderen Problems im Keller: Das EU-Parlament hatte vergangene Woche die Kandidatin für den französischen EU-Kommissarsposten, Sylvie Goulard, zurückgewiesen. Ihr wurde vor allem eine Affäre um Scheinbeschäftigung im EU-Parlament zum Verhängnis, wegen der sie im Jahr 2017 als französische Verteidigungsministerin zurückgetreten war. Macron tobt, er macht Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schwere Vorwürfe: Die habe ihm versichert, die Mehrheit im EU-Parlament sei sicher. Paris spricht von einer „institutionellen Krise großen Ausmaßes in Europa“.
Da kann Merkel, selbst wenn sie wollte, dem Krach nicht ausweichen. Von der Leyen war vor allem Macrons Kandidatin als Kommissionspräsidentin, nicht Merkels – jetzt ist die Kanzlerin als Schlichterin gefragt. Ein Problem können Merkel und Macron wohl nicht lösen: Weil drei der 26 Kommissarsposten noch vakant sind, wird die neue Kommission wohl nicht nächste Woche vom EU-Parlament bestätigt werden. Damit droht sich der für den 1. November geplante Start von der Leyens und ihres Teams zu verzögern. Von der Leyen will den Zeitplan noch nicht aufgeben, drängt zu schnellen Gesprächen. An diesem Montag wird sie in bei Macron im Pariser Élysée-Palast erwartet.