Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Lebendiges Spiel und Traum-Pantomime
Humperdincks Märchenoper „Hänsel und Gretel“feierte am Samstag in Saalfeld Premiere
Saalfeld.
Fast 116 Jahre sind vergangen, seit der junge Richard Strauss in Weimar den Taktstock und Engelbert Humperdincks Märchenoper „Hänsel und Gretel“aus der Taufe hob. Heute gehört sie zu den meist gespielten Opern des romantischen Repertoires.
In Saalfeld hatte am Freitag die Produktion des Theaters Nordhausen, entstanden in Kooperation mit dem Tiroler Landestheater Innsbruck, Premiere. Dass im „Meiniger Hof“nur ein schmaler Bühnenstreifen für die Sänger zur Verfügung stand, war bald vergessen, so geschickt war das Bühnenbild von Bernd Damovsky adaptiert worden. Carolin Schumann (Hänsel) und Amelie Petrich (Gretel) zogen durch ihr lebendiges Spiel und ihre jugendlich-frischen, schlank geführten Stimmen das Publikum sofort in ihren Bann. Mit großer Natürlichkeit und Spielfreude agierten sie im ersten Akt und sangen die berühmten Duette „Suse, liebe Suse“und „Brüderchen, komm tanz mit mir“im munteren Volksliedton. Katrin Kapplusch zeichnete ein eindrucksvolles Bild der Mutter Gertrud als einer Frau, die durch Arbeitslast und Geldsorgen völlig erschöpft ist. Auch wenn sie im Zorn über den zerbrochenen Milchtopf ihre Kinder zum Beeren sammeln in den Wald schickt, war doch stets nachvollziehbar, dass sie ihre Kinder ebenso liebt wie deren Vater, der Besenbinder Peter. Er wurde von Philipp Franke mit schönem Bariton gesungen.
In der Regie von Anette Leistenschneider werden die Geschwister „von guten Mächten wunderbar geborgen“ (Dietrich Bonhoeffer). Ganz im Geiste der Romantik hat sie den zweiten Akt inszeniert. Das Sandmännchen (exzellent Hayoung Raebenso als Taumännchen) streut dem Geschwisterpaar Sand in die Augen. Als nach einem fantastisch gesungenen Abendsegen beide eingeschlafen sind und ihr Schlaf von 14 Engeln bewacht wird, erscheinen Hänsel und Gretel im Traum ihre Eltern. Der Milchtopf ist wieder heil, und in einer Pantomime wird das glückliche Wiedersehen von Eltern und Kinder voraus geahnt.
Im dritten Akt, in der Begegnung mit der Knusperhexe Rosina Leckermaul, von Anja Daniela Wagner großartig gesungen, wachsen Hänsel und Gretel über sich hinaus. Es war eine Freude zu erleben, wie Carolin Schumann und Amelie Petrich alle Facetten der Figuren zeigten: die Furcht vor der Hexe, die Aufmerksamkeit für einander in der Not, List und Klugheit bis zum Widerstand gegen die Hexe. Anrührend die Aufweckung der „Lebkuchen“-Kinder, vom Kinderchor der Thüringer Symphoniker in fantasievollen Kostümen gesungen. Im Finale finden dann Eltern und Kinder wirklich zu einander. Groß war auch die Freude des Premierenpublikums über die hervorragende stimmliche und darstellerische Gestaltung aller Solisten sowie das Spiel der Thüringer Symphoniker Saalfeld-Rudolstadt unter der Leitung von Oliver Weder. Sie trafen genau den Ton zwischen Volkslied und großer romantischer Oper.