Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Himmel und Hölle

Frodeno und Haug feiern beim Ironman historisch­en Triathlon-Triumph – Titelverte­idiger Lange ausgeschie­den

- Von Frank Hellmann

Kona.

Die erste Umarmung galt seiner Frau, die zweite dem Manager, die dritte dem Physiother­apeuten: Bei Jan Frodeno passte an einem historisch­en Tag für den deutschen Triathlon selbst die Reihenfolg­e der Gratulante­n hinter dem Zielkanal in Kona detailgetr­eu ins Drehbuch. „Ich glaube, es war der Tag, den ich meine Karriere lang gesucht habe“, sagte der Sieger beim mythenbeha­fteten Ironman Hawaii, der aus dem welligen Pazifik, den tückischen Winden und der schwülen Witterung sogar noch einen Antrieb zu saugen schien. Der 38-Jährige ergriff nach 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen nach 7:51:13 Stunden das Zielband. Eine Fabelzeit.

Der früh vom Rad gestiegene Titelverte­idiger Patrick Lange hatte im Vorjahr als erster Mensch unter acht Stunden (7:52:39 Stunden) von perfekten Bedingunge­n profitiert, aber „Frodo“spielte mit den Extremen. „Das ist vielleicht mein schönstes Rennen. Ich habe noch nie so viel leiden müssen und genießen können“, sagte der gebürtige Kölner, der mit der Familie wechselwei­se im spanischen Girona und australisc­hen Noosa lebt. Hinter ihm hatten der US-Amerikaner Tim O‘Donnell (7:59:39) und Sebastian Kienle aus Mühlacker (8:02:04) keine Chance. „Jan war in seiner eigenen Welt“, sagte der 35-jährige Konkurrent Kienle.

Als die deutschen Männer bei der Siegerehru­ng mit den Sektflasch­en herumalber­ten, machte Anne Haug den anfangs so verregnete­n Tag in der Bucht von Kailua Kona besonders: Die Profi-Triathleti­n aus Bayreuth stürmte über den Ali i Drive als erste deutsche Hawaii-Siegerin (8:40:10 Stunden) ins Ziel. „Ich konnte konstant durchlaufe­n, hatte keinen richtigen Hänger.“Die 36-Jährige distanzier­te nach einem famosen Marathon die Britin Lucy Charles-Barclay um mehr als sechs Minuten – nachdem sie beim Wechsel noch acht Minuten Rückstand aufwies. Die Schweizer Seriensieg­erin Daniel Ryf kam in keiner Disziplin hinterher, während sich Laura Philipp als zweitbeste Deutsche auf den vierten Platz vorarbeite­te. „Es war ein fantastisc­hes Rennen, wie in Trance“, beschrieb die nur 1,64 Meter große Haug ihren unerwartet­en Triumph. Den Ironman Frankfurt hatte sie nach einer langwierig­en Fußverletz­ung absagen müssen und sich erst vor zwei Monaten in Kopenhagen überhaupt die Hawaii-Qualifikat­ion gesichert.

Während sich die einen hier im Himmel wähnten, ging ein anderer sinnbildli­ch durch die Hölle. Der zweifache Champion Lange erlebte bei seinem vierten Hawaii-Start erstmals die Schattense­iten und stieg nach 70 Kilometer vom Rad. Der 33-Jährige hatte in der Nacht über leichtes Fieber geklagt, am frühen Morgen aber grünes Licht gegeben – dann wurde ihm auf dem Rad schwarz vor Augen. Er fuhr auf den Seitenstre­ifen, stieg mit gesenktem Kopf in ein Auto. „Ihm ist plötzlich schwindlig geworden. Wenn man einen Blackout für zwei, drei Sekunden hat, ist es gefährlich. Da gibt es keine Option mehr“, sagte sein Manager Jan Sibbersen, der glaubt: „Das zu verarbeite­n, wird dauern.“Frodeno hatte die Tücken der unberechen­baren Ausdauerpr­üfung 2017 erfahren, als sein Rücken streikte. 2018 verhindert­e eine Stressfrak­tur in der Hüfte seine Teilnahme. Nun sollte sich bei ihm alles wieder zum Guten wenden. Als dreifacher Ironman-Weltmeiste­r (2015, 2016 und 2019) und Triathlon-Olympiasie­ger (2008) hat der Strahleman­n seinen Platz in der Ruhmeshall­e des deutschen Sports sicher.

Wer nach den Gründen für die Dominanz fahndet, landet nicht nur bei allgemeine­n Erklärunge­n zu den technikaff­inen Deutschen, die mittlerwei­le so viele strebsame Triathlete­n heranzücht­en, dass schwarz-rotgoldene Fahnen mittlerwei­le zu Big Island gehören wie das Palmen-Panorama. Frodeno und Haug werden von Dan Lorang trainiert, der zuletzt Tour-deFrance-Entdeckung Emanuel Buchmann zur deutschen Radsport-Hoffnung formte.

Bei Frodenos Machtdemon­stration und Haugs Willenslei­stung zeichnen sich erstaunlic­he Parallelen ab: Beide haben in jungen Jahren von der Förderung und dem Formaufbau unter dem Dach der Deutschen Triathlon-Union (DTU) profitiert. Beide sind der Typ Stehaufmän­nchen, der von Rückschläg­en angestache­lt wird. „If it’s not happy, it’s not the end“, zitiert Frodeno in seinem Buch „Eine Frage der Leidenscha­ft“seinen Vater. Haug erzählte jetzt: „Man muss immer daran glauben, dass man es schaffen kann.“

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FOTOS (): GARCIA/DPA/IMAGO Historisch: Jan Frodeno (links) und Anne Haug haben bei der Ironman-WM auf Hawaii für den ersten deutschen Doppelsieg gesorgt.
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