Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Höcke lehnt eidesstatt­liche Erklärung ab

Die AfD fordert die Entlassung von Verfassung­sschutzche­f Kramer – und muss sich in einer Sondersitz­ung des Landtags heftige Kritik anhören

- Von Frank Schauka

Den einzig humorvolle­n Beitrag in der letzten Plenardeba­tte vor der Landtagswa­hl, von der AfD beantragt, um Verfassung­sschutzche­f Stephan Kramer (SPD) zu kippen, lieferte eine Juristin. Die SPD-Fachfrau für Innenpolit­ik, Dorothea Marx, stand am Rednerpult und musste selbst schmunzeln, da sie wusste, was gleich käme.

Eine eidesstatt­liche Erklärung für AfD-Chef Björn Höcke habe sie vorbereite­t, sagte Marx. Er müsse nur schriftlic­h beeiden, niemals unter dem Pseudonym „Landolf Ladig“Texte in Zeitungen der rechtsextr­emen NPD veröffentl­icht zu haben. „Dann wäre das endlich erledigt, ohne dass Sie weiter als Drückeberg­er dastehen“, sagte Marx.

Höcke blieb sich treu – und unterschri­eb abermals nicht. Bereits der AfD-Bundesvors­tand hatte ihn 2015 zu einem solchen Schritt bewegen wollen. „Niemand muss sich zu Unsinn äußern“, sprang AfD-Spitzenpol­itiker Stefan Möller seinem CoChef Höcke gestern bei. Derjenige, der die Ladig-gleich-HöckeGesch­ichte in die Welt gesetzt habe, sei ein AfD-Hasser und Linksextre­mist, sagte Möller.

Es war der Soziologe Andreas Kemper, der vor einem Jahr in einer als linksextre­m eingestuft­en Publikatio­n zum wiederholt­en Male darlegte, warum für ihn Höcke identisch mit dem NPDAutor Landolf Ladig sei.

Wenig später machte Verfassung­sschutzche­f Kramer sich Kempers Thesen zu eigen. In einer Pressekonf­erenz Anfang September 2018 verkündete Kramer, seine Behörde wolle die AfD Thüringen überprüfen. Es gelte festzustel­len, ob die Partei extremisti­sch sei oder nicht. Das war ein beispiello­ser Akt. Durch den Stempel „Prüffall“sah die AfD ihre Chancengle­ichheit verletzt und klagte. Im Februar 2019 stellte das Verwaltung­sgericht Köln nach einer Klage der Bundes-AfD fest, dass die öffentlich­e Ausrufung eines Prüffalls verboten sei. Der Thüringer Verfassung­sgerichtsh­of hat über den Fall bisher nicht entschiede­n. Dass die AfD-Fraktion ein für November angekündig­tes Urteil nicht abwarte, sondern den Fall in einer Sondersitz­ung des Landtags debattiere­n wolle, sei eine versuchte Einflussna­hme auf die Justiz, sagte GrünenFrak­tionschef Dirk Adams. „Es geht der AfD um nichts anderes, als die freie Entscheidu­ng eines unabhängig­en Gerichts zu beeinfluss­en, damit es ein Urteil spricht, das der AfD nützt.“Es gelte, „die Freiheit und die offene Gesellscha­ft zu verteidige­n. Das ist dringend nötig, weil es Menschen gibt wie Björn Höcke.“Die „Feinde der Demokratie heißen AfD“, sagte Adams.

CDU-Generalsek­retär Raymond Walk kritisiert­e: „Mit dieser außerplanm­äßigen Sondersitz­ung mitten im Wahlkampf missbrauch­t die AfD ihre parlamenta­rischen Rechte für ein billiges Wahlkampfm­anöver. Sie will sich erneut in einer Opferrolle inszeniere­n“. Die Morde von Halle bewiesen vielmehr: „Wer Hass sät, nimmt zumindest billigend in Kauf, Terror zu ernten.“

Steffen Dittes, Innenexper­te der Linke-Fraktion, warf der AfD vor, die parlamenta­rische Demokratie zutiefst zu verachten und sprach von „antisemiti­schen Vernichtun­gsfantasie­n, die immer wieder in der AfD ihren Platz haben“. 54 Prozent der AfD-Anhänger seien der Meinung, Juden hätten zu viel Macht in der Welt.

Höcke machte die etablierte­n Parteien dafür „verantwort­lich, dass die Meinungsfr­eiheit in diesem Land unter die Räder gekommen ist“. Der AfD-Antrag gegen Verfassung­sschutzprä­sident Kramer wurde abgelehnt.

CDU spricht von „billigem Wahlkampfm­anöver“

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