Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Höcke lehnt eidesstattliche Erklärung ab
Die AfD fordert die Entlassung von Verfassungsschutzchef Kramer – und muss sich in einer Sondersitzung des Landtags heftige Kritik anhören
Den einzig humorvollen Beitrag in der letzten Plenardebatte vor der Landtagswahl, von der AfD beantragt, um Verfassungsschutzchef Stephan Kramer (SPD) zu kippen, lieferte eine Juristin. Die SPD-Fachfrau für Innenpolitik, Dorothea Marx, stand am Rednerpult und musste selbst schmunzeln, da sie wusste, was gleich käme.
Eine eidesstattliche Erklärung für AfD-Chef Björn Höcke habe sie vorbereitet, sagte Marx. Er müsse nur schriftlich beeiden, niemals unter dem Pseudonym „Landolf Ladig“Texte in Zeitungen der rechtsextremen NPD veröffentlicht zu haben. „Dann wäre das endlich erledigt, ohne dass Sie weiter als Drückeberger dastehen“, sagte Marx.
Höcke blieb sich treu – und unterschrieb abermals nicht. Bereits der AfD-Bundesvorstand hatte ihn 2015 zu einem solchen Schritt bewegen wollen. „Niemand muss sich zu Unsinn äußern“, sprang AfD-Spitzenpolitiker Stefan Möller seinem CoChef Höcke gestern bei. Derjenige, der die Ladig-gleich-HöckeGeschichte in die Welt gesetzt habe, sei ein AfD-Hasser und Linksextremist, sagte Möller.
Es war der Soziologe Andreas Kemper, der vor einem Jahr in einer als linksextrem eingestuften Publikation zum wiederholten Male darlegte, warum für ihn Höcke identisch mit dem NPDAutor Landolf Ladig sei.
Wenig später machte Verfassungsschutzchef Kramer sich Kempers Thesen zu eigen. In einer Pressekonferenz Anfang September 2018 verkündete Kramer, seine Behörde wolle die AfD Thüringen überprüfen. Es gelte festzustellen, ob die Partei extremistisch sei oder nicht. Das war ein beispielloser Akt. Durch den Stempel „Prüffall“sah die AfD ihre Chancengleichheit verletzt und klagte. Im Februar 2019 stellte das Verwaltungsgericht Köln nach einer Klage der Bundes-AfD fest, dass die öffentliche Ausrufung eines Prüffalls verboten sei. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat über den Fall bisher nicht entschieden. Dass die AfD-Fraktion ein für November angekündigtes Urteil nicht abwarte, sondern den Fall in einer Sondersitzung des Landtags debattieren wolle, sei eine versuchte Einflussnahme auf die Justiz, sagte GrünenFraktionschef Dirk Adams. „Es geht der AfD um nichts anderes, als die freie Entscheidung eines unabhängigen Gerichts zu beeinflussen, damit es ein Urteil spricht, das der AfD nützt.“Es gelte, „die Freiheit und die offene Gesellschaft zu verteidigen. Das ist dringend nötig, weil es Menschen gibt wie Björn Höcke.“Die „Feinde der Demokratie heißen AfD“, sagte Adams.
CDU-Generalsekretär Raymond Walk kritisierte: „Mit dieser außerplanmäßigen Sondersitzung mitten im Wahlkampf missbraucht die AfD ihre parlamentarischen Rechte für ein billiges Wahlkampfmanöver. Sie will sich erneut in einer Opferrolle inszenieren“. Die Morde von Halle bewiesen vielmehr: „Wer Hass sät, nimmt zumindest billigend in Kauf, Terror zu ernten.“
Steffen Dittes, Innenexperte der Linke-Fraktion, warf der AfD vor, die parlamentarische Demokratie zutiefst zu verachten und sprach von „antisemitischen Vernichtungsfantasien, die immer wieder in der AfD ihren Platz haben“. 54 Prozent der AfD-Anhänger seien der Meinung, Juden hätten zu viel Macht in der Welt.
Höcke machte die etablierten Parteien dafür „verantwortlich, dass die Meinungsfreiheit in diesem Land unter die Räder gekommen ist“. Der AfD-Antrag gegen Verfassungsschutzpräsident Kramer wurde abgelehnt.
CDU spricht von „billigem Wahlkampfmanöver“