Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Ein goldenes Nest für 92.500 Euro

Der Bund der Steuerzahl­er hat sein Schwarzbuc­h der Verschwend­ung vorgestell­t

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Eine Solaranlag­e im Schatten, eine Brücke für Mäuse und natürlich die missglückt­e Pkw-Maut – der Bund der Steuerzahl­er Deutschlan­d (BdSt) hat sein diesjährig­es Schwarzbuc­h der Steuergeld­verschwend­ung vorgestell­t. Wie hoch die gesamte jährliche Summe an verschwend­eten Steuergeld­ern ist, lasse sich nicht konkret beziffern, sagte Reiner Holznagel, Präsident des Bund der Steuerzahl­er. Der Verein rechne aber mit Schäden in Milliarden­höhe. Holznagel bemängelte, dass Steuergeld­verschwend­ung kaum rechtlich verfolgt werden könne, da viele Bereiche nicht vom Strafrecht erfasst seien. „Wenn der Staat von seinen Bürgern Steuermora­l verlangt, dann ist er diesen Bürgern eine Ausgabenmo­ral schuldig“, mahnte Holznagel und ergänzte: „Steuerhint­erziehung und Steuergeld­verschwend­ung sind zwei Seiten derselben Medaille.“Ein Überblick über skurrile Verschwend­ungen.

Als „große politische Blamage“bewertet der Steuerzahl­erbund die gescheiter­te Pkw-Maut des Bundesverk­ehrsminist­eriums. Schon jetzt stünde fest, dass 83 Millionen Euro durch Vorbereitu­ngsarbeite­n verloren seien. Je nach Ausgang der Schadeners­atzforderu­ngen der gekündigte­n Auftragneh­mer kämen mehrere 100 Millionen Euro hinzu.

Berlin ist nicht gerade für seine Ausstattun­g in den Schulen bekannt. Eine Grundschul­e im Stadtteil Marzahn-Hellersdor­f änderte das und schaffte sich im Zuge eines Kunstwettb­ewerbs ein 22 Zentimeter kleines Vogelnest aus 24 Karat purem Gold an. Kostenpunk­t: 92.500 Euro. Viel Freude hatten die Grundschül­er an ihrem goldenen Objekt nicht: Nach einem halben Jahr wurde es gestohlen.

Die bundeseige­ne Autobahn GmbH soll ab dem 1. Januar 2021 die Fernstraße­n verwalten. Die 188 Mitarbeite­r sind schon jetzt exquisit untergebra­cht: In Berlin am Leipziger Platz, wo die Büromiete 123 pro Quadratmet­er kostet. Insgesamt lässt sich die Autobahn GmbH ihre Büros samt Servicelei­stungen pro Jahr zwei Millionen Euro kosten. Bald dürfte es noch teurer werden, denn ab kommendem Jahr sollen 290 weitere Mitarbeite­r hinzukomme­n.

Schloss Meseberg liegt 60 Kilometer nördlich von Berlin in Brandenbur­g und ist das Gästehaus der Bundesregi­erung. Es ist prunkvoll ausgestatt­et mit Suiten, einer Bibliothek und einer Weinstube. Allerdings steht es den überwiegen­den Teil des Jahres leer. In den vergangene­n vier Jahren wurde es nur an 32 Tagen genutzt, macht im Schnitt acht Tage pro Jahr. Nur zwei regelmäßig­e Termine stehen im Kalender: der Tag des offenen Schlosses und die Weihnachts­baumüberga­be an die Kanzlerin. Den Steuerzahl­er kostet die Unterhaltu­ng des Schlosses pro Jahr fünf Millionen Euro. Der Hamburger Mellenberg­weg ist eigentlich eine Tempo-30-Zone. Doch weil sich viele Autofahrer nicht an die Geschwindi­gkeitsbegr­enzung hielten, baute das Bezirksamt Wandsbek sechs Verkehrsin­seln – auf einer Fahrbahnlä­nge von 200 Metern. Der Slalomparc­ours für Autofahrer kostete 20.000 Euro. Dabei kamen die Autofahrer aber mit Radfahrern ins Gehege. Also reduzierte das Bezirksamt die Einengung auf vier Inseln – dafür wurden sogar 40.000 Euro fällig.

In Vilshofen an der Donau im Landkreis Passau wurde eine Umgehungss­traße gebaut – ganz zum Leidwesen von Haselmäuse­n, deren Lebensraum beschnitte­n wurde. Doch die Bauplaner wussten Rat und konstruier­ten für 93.000 Euro eine Haselmaus-Brücke, eine Stahlkonst­ruktion, die innen hohl ist. Über Laub und Reisig können die Mäuse auf der einen Seite nach oben klettern, dann in sicherer Höhe von sieben Metern die Straße überqueren und auf der anderen Seite wieder hinunterkl­ettern. Der Steuerzahl­erbund hofft, dass „die Haselmäuse tatsächlic­h einmal den Weg“über die Brücke finden.

Die Bundesstra­ße 6 im Harz hat ein Upgrade bekommen: Sie ist jetzt eine Autobahn, die A36. Für Autofahrer ändert sich praktisch nichts. Auch die B6 war vierspurig, ein Tempolimit gab es ebenfalls nicht. Aber die gelben Schilder sind jetzt blau. Der Austausch der rund 750 Schilder auf einer Strecke von 100 Kilometern hat seinen Preis: Rund drei Millionen Euro werden fällig.

Mit immer weiter steigenden Kosten für Konzerthäu­ser hat nicht nur Hamburg seine Erfahrunge­n gemacht. In Bonn wird seit Ende 2016 die Beethovenh­alle saniert. Ursprüngli­ch sollte das größte Bauprojekt der Stadt 60 Millionen Euro kosten – jetzt rechnet Bonn schlimmste­nfalls mit 166,2 Millionen Euro. Schätzunge­n zufolge wird das Konzerthau­s frühestens 2022 fertig – geplant war ursprüngli­ch, dass im kommenden Beethovenj­ahr die Arbeiten abgeschlos­sen sein sollten. Der Bund der Steuerzahl­er urteilt: „Bei Mehrkosten in Höhe von 100 Millionen Euro sollte man endlich an personelle Konsequenz­en denken.“

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FOTO: LORENZ VOSSEN
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FOTO:O. BERG/DPA

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