Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
„Sudde un Mist“und andere amüsante Anekdoten
Bücher in Ostthüringer Dialekten sind rar. Eine Jenaer Autorin will das ändern
Vor einigen Jahren entdeckte Sieglinde Mörtel im Deutschbuch ihres Sohnes ein Kapitel zum Thema „Mundart als Kulturgut“. Obwohl das Schulbuch aus Thüringen kam, wurden darin alle möglichen Dialektbeispiele wie das Bayerische oder Schwäbische vorgestellt – aber keines aus Thüringen. Das ärgerte die Jenaer Autorin.
Nun hat sie selbst ein Buch in Ostthüringer Mundart geschrieben, das sogar Schulen der Region kostenlos zur Verfügung gestellt werden soll. Die Sparkassenstiftung Jena-SaaleHolzland macht es möglich.
Am Freitag, 1. November, 20 Uhr lädt Sieglinde Mörtel zur offiziellen Buchpremiere in den Spielmannshof Seitenroda ein. Von passenden Liedern begleitet, präsentiert sie dort Kostproben aus ihrem Band „Tratsch vun frieher un itze“. Er versammelt mehr als zwanzig kurze Geschichten aus Thüringen. Sie wurden Sieglinde Mörtel teils zugetragen, teils hat sie sie selbst erlebt.
Das Buch führt den Leser sprachlich dorthin, wo das Ilmthüringische auf das benachbarte Ost- und Südostthüringische trifft, kurz in die Nähe des Städtchens Kahla. Bücher in dieser Mundart sind rar. Einer der letzten Heimatautoren, die in dieser Dialektprägung schrieben, war der Hermsdorfer Werner Peuckert (1903-1989). Seine „Holzlandgeschichten“beruhen allerdings auf seinen Kindheitserinnerungen. „Sie schildern also die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg“, sagt Sieglinde Mörtel. Die Autorin steht in dieser Tradition, ihre Alltagsgeschichten stammen allerdings aus den vergangenen 50 Jahren.
Die gebürtige Kahlaerin, die 57 Jahre in Hummelshain lebte, hat sich zur Aufgabe gemacht, die Mundart ihrer Heimat zu bewahren. Deshalb stellt sie ihren Dialektgeschichten jeweils eine hochdeutsche Version gegenüber. Das Vorwort stammt von Susanne Wiegand vom Fachbereich Thüringische Dialektforschung der Universität Jena. Mörtels „Bedürfnis zu erhalten und zu bewahren“spiegelt sich auch in den Geschichten selbst wieder. Es sind Alltagsanekdoten, wie der Text „Sudde un Mist“– „Jauche und Mist“. Darin schildert sie, wie in ihrer Kindheit der Forst nach einem Kahlschlag die im Boden verbliebenen Baumwurzeln in die Luft jagte. Das Prinzip adaptierte dann auch die LPG, mit dem Unterschied, dass die Bauern mit Hilfe des örtlichen Sprengmeisters, des „Sprengmeestors“, den Mist auf den Feldern verteilten. Irgendwann wurde auf diese unorthodoxe Art ein Feld ganz nah am Dorfrand gedüngt. Dabei flog der Mist jedoch derart hoch und weit, dass die Klumpen auch an die Fenster und Hauswände klatschten. Und selbst der Wäscheplatz wurde getroffen. Das gab mächtig Ärger mit den Frauen des Dorfes...
„Es sind alles Alltagsgeschichten abseits der großen weltgeschichtlichen Ereignisse“, sagt Sieglinde Mörtel. Herausgebracht hat sie sie im eigenen Welken-Verlag. Den gründete sie 2006, als sie ihre erste Publikation veröffentlichte – Dorfgeschichten aus Hummelshain. Ihr Sohn, damals sechs Jahre alt, liebte es, wenn die Eltern und Großeltern Schwänke von früher erzählten. So entstand die Idee, die alten Erinnerungen zu verlegen. Seither hat die Autorin zehn Bücher vor allem mit Heimatgeschichten veröffentlicht. Und auch im hessischen Wartberg Verlag sind Bände erschienen.
Besonders bedauert Sieglinde Mörtel, dass die Jugend immer weniger Dialekt spricht, da dem Thüringischem und Sächsischem das Ossi-Image anhefte. Im Thüringer Wald gebe es Initiativen, die sich dem Mundarterbe, etwa dem Hennebergischen, verschrieben hätten. Ähnliches wünscht sich die Autorin auch für den Osten Thüringens. Mit ihrem Buch, hofft sie solche Initiativen anzustoßen.