Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Tessenows Pößnecker Erbe

Stadt erinnert an bedeutende­n Reformarch­itekten. Sonntag wird zur Finissage geladen

- Von Ulrike Merkel

Heinrich Tessenow schuf mit dem Festspielh­aus Hellerau ein Hauptwerk der Architektu­r des 20. Jahrhunder­ts. Neben diesem zentralen Bau für die heute zu Dresden gehörende Gartenstad­t Hellerau hinterließ der bedeutende Reformarch­itekt auch Spuren in Thüringen: Im Bauhaus-jahr rücken die Stadt Pößneck, die Heinrich-tessenow-gesellscha­ft in Hamburg und das Thüringisc­he Landesamt für Denkmalpfl­ege und Archäologi­e dieses kulturelle Erbe wieder stärker ins Bewusstsei­n.

Zwischen 1920 und 1923 errichtete Tessenow 75 Bauten in der Stadt, von denen beinah alle noch erhalten sind – auf drei Siedlungen und verschiede­ne Einzelbaut­en verteilt. Unter der Überschrif­t „Undogmatis­ch modern. Tessenow-bauten in Pößneck“würdigten die Akteure den deutschen Architekte­n gleich mit mehreren Projekten: Noch bis 10. November ist im „Museum 642“in Pößneck die Ausstellun­g „Handwerk und Kleinstadt: Architektu­r der Moderne in Pößneck 1920 bis 1923. Die Siedlungen von Heinrich Tessenow“zu sehen.

Parallel dazu kann in der Neustädter Straße 101 eine Schauwohnu­ng mit historisch­er Ausstattun­g besichtigt werden. Darüber hinaus können auf der neu eingericht­eten Themenrout­e verschiede­ne Pößnecker Bauten des Meisters angesteuer­t werden. Die Flyer hierfür sind in der Stadtinfor­mation erhältlich.

Heinrich Tessenow wurde 1876 in Rostock als Sohn eines Zimmermann­s geboren. Neben seiner Tätigkeit als Architekt war er auch ein bedeutende­r Hochschull­ehrer, der unter anderem in Wien, Dresden und Berlin sein Wissen weitergab. Zu seinen wichtigste­n Gebäuden zählt auch die Neue Wache in Berlin. Er gestaltete diesen Schinkelba­u zur Gedenkstät­te für die Gefallenen des Ersten Weltkriege­s um.

Tessenoe: „Das Einfache ist nicht immer das Beste“

Tessenow gehörte zu den der Einfachhei­t und Bodenständ­igkeit verpflicht­eten Reformarch­itekten. Berühmt ist sein Satz: „Das Einfache ist nicht immer das Beste; aber das Beste ist immer einfach.“Für ihn standen soziale Fragen im Zentrum des Bauens. „Eine bloße Inszeniebe­sonders rung von Architektu­rformen lehnte er ab, der Bezug zu Tradition und Handwerk war für ihn wichtig“, erläutert Carsten Liesenberg vom Landesamt für Denkmalpfl­ege, der die Ausstellun­g im „Museum 642“kuratiert hat.

Für Tessenow hatte Pößneck die ideale Größe. In einer Kleinstadt sah er im Gegensatz zu Dorf und Großstadt die ideale Siedlungsg­röße, in der soziale Stabilität durch wirtschaft­liche Stärke und kulturelle­s Angebot bestmöglic­h gesichert sei.

Dem Werk Tessenows lässt sich

gut am Originalsc­hauplatz nachspüren. Erst 2017 entdeckte man im seit Jahren verlassene­n Tessenow-haus in der Neustädter Straße 101 unter Tapetensch­ichten originale Wandgestal­tungen mit floralen Motiven. Inzwischen ist das Haus saniert. Mit originalen Tessenow-möbeln als auch Interieur-rekonstruk­tionen wird die Wohnkultur von einst dargestell­t.

Am letzten Ausstellun­gswochenen­de bietet sich noch einmal die Gelegenhei­t, von den Kuratoren durch Ausstellun­g und Schauwohnu­ng geführt zu werden. Außerdem liefert die Finissage am Sonntag „Hintergrün­diges und Witziges um Heinrich Tessenow“: Vom Hamburger Architektu­rkritiker Paul Appel ist etwa überliefer­t, was Tessenow seinen Gästen auftischen ließ: „Rührei, Weiß- und Schwarzbro­t, Butter. Dazu Lorcher Auslese.“

Kuratorenf­ührungen durch die Sonderauss­tellungimm­useum642un­ddie Schauwohnu­ng am Samstag und Sonntag, 9. und 10. November, jeweils 13 Uhr, 14 Uhr und 15 Uhr.

Finissage zum Ausstellun­gs-doppelproj­ekt am Sonntag, 10. November, 16 Uhr im Museum 642

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FOTO: LIESENBERG ...und heute (Karl-liebknecht-straße)
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FOTO: RUDOLF OTTE/STADTARCHI­V PÖßNECK Siedlung am Gries in den 1930er-jahren...
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FOTO: MUSEUM FOLKWANG ESSEN Heinrich Tessenow (1876–1950)

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