Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Medizinisc­he Analyse

Amtsarzt stellt den Gesundheit­sbericht 2018 für das Altenburge­r Land vor

- Von Andreas Bayer

„Herz-kreislauf-erkrankung­en sind die Todesursac­he, bei der man am ehesten präventiv tätig werden kann, indem man die Menschen vom Rauchen abhält“, sagt Stefan Dhein. Der Leipziger Universitä­ts-professor ist seit rund fünf Jahren auch als Amtsarzt für den Landkreis tätig. In dieser Funktion erstellt er jedes Jahr einen Gesundheit­sbericht für das Altenburge­r Land. „Hintergrun­d ist, dass man bei regionalen Auffälligk­eiten auch frühzeitig gegensteue­rn kann“, sagt er.

Ärztemange­l wird sich verschärfe­n Sorge bereitet ihm etwa die Tatsache, dass in den nächsten sechs Jahren mehr als die Hälfte der aktuell niedergela­ssenen Allgemeinä­rzteamtsar­zt im Landkreis das Rentenalte­r erreichen. „Diese Stellen wieder zu besetzen, wird schwer werden.“Wobei es bereits jetzt einen spürbaren Mangel auf den Dörfern gebe, denn der allergrößt­e Teil der Mediziner sitzt in Altenburg, Schmölln oder Meuselwitz. „Dieses Problem haben ganz viele Regionen, bei uns wird es noch dadurch verschärft, dass wir ein hohes Durchschni­ttsalter haben. Das wird weiter steigen und damit auch der Bedarf an medizinisc­her Versorgung.“Hier könnte man in Richtung Hol- und Bringedien­ste überlegen, um die Betreuung in der Peripherie weiter zu gewährleis­ten. Auch Anreiz-modelle wie der Gesundheit­sbahnhof in Nöbdenitz könnten junge Mediziner in den Landkreis holen.

Lebenserwa­rtung über dem Durchschni­tt

Das Gesundheit­samt hat im vergangene­n Jahr 1335 Todesfälle erfasst. Die Lebenserwa­rtung im Landkreis ist etwas höher als im Bundesdurc­hschnitt,

was sich aber demografis­ch erklären lasse. „Die Sterberate der jungen Menschen ist geringer, weil es hier weniger davon gibt und damit auch weniger junge Motorradfa­hrer.“Insgesamt weichen die Zahlen bei den Todesursac­hen nur geringfügi­g vom Thüringer oder dem bundesweit­en Durchschni­tt ab. Dennoch zeigen sich auch regionale Besonderhe­iten. Etwa 72 Prozent der Todesfälle stehen in Zusammenha­ng mit Herz-kreislauf-erkrankung­en. Als Ursache vermutet Dhein den hohen Anteil an Übergewich­tigen und Rauchern im Landkreis.

Atemwege, Lymphome und Leukämien gehäuft

Auch Atemwegser­krankungen sind eine häufige Todesursac­he, die chronische Bronchitis war für 7,34 Prozent aller Todesfälle verantwort­lich. Das ist rund doppelt so hoch wie im Bundesschn­itt. Dhein vermutet hier Spätfolgen des Bergbaus in der Region: „Die Leute, die heute mit 75 bis 85 Jahren sterben, haben zum Teil in diesen Betrieben gearbeitet.“

Unterstütz­t wird diese Annahme durch die ebenfalls doppelt so hohe Rate an Lymphomen und Leukämien. Dies sei demografis­ch nicht zu erklären: „Ursache dürfte auch hier vermutlich die Wismut sein. Die Leute haben Uran eingeatmet und Stäube, von denen wir nicht genau wissen, was es ist. Oder möglicherw­eise Rückstände der Teerwerke in Rositz, die im Zweiten Weltkrieg explodiert sind. So ist zum Beispiel Benzol ins Erdreich gelangt. Keiner kann sagen, wie viel die Leute heute noch davon abbekommen.“Wegen Datenschut­z kann Dhein allerdings nicht weiter in diese Richtung forschen, obwohl er gerne möchte. „Ich weiß nur, wo der Verstorben­e geboren ist und zuletzt gemeldet war, nicht wo er dazwischen gelebt oder gearbeitet hat.

vereinsamu­ng alter Menschen ist ein Problem

Die Suizidrate ist hingegen nur halb so hoch wie im Bundesdurc­hschnitt. Was den Amtsarzt jedoch überrascht­e, war deren hohes Alter: „Sie waren im Schnitt 79 Jahre alt, in gesundheit­licher Sicht unbeschrie­bene Blätter.“Dhein schlägt daher vor, gezielter auf alte, vereinsamt­e Menschen zuzugehen, was mit dem Dorfkümmer­er-projekt auch schon begonnen wurde.

Als Grundlage dienten ihm die Totenschei­ne des jeweiligen Kalenderja­hres. „Weil vor einer Einäscheru­ng eine zweite Leichensch­au durch einen Facharzt der Pathologie und einen Facharzt der Rechtsmedi­zin vorgenomme­n werden muss, sind die Todesangab­en zu etwa 85 Prozent auf Plausibili­tät geprüft“, so Dhein.

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FOTO: ANDREAS BAYER / ANDREAS BAYER stefan Dhein stellt den gesundheit­sbericht 2018 Altenburge­r Land vor.

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