Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Medizinische Analyse
Amtsarzt stellt den Gesundheitsbericht 2018 für das Altenburger Land vor
„Herz-kreislauf-erkrankungen sind die Todesursache, bei der man am ehesten präventiv tätig werden kann, indem man die Menschen vom Rauchen abhält“, sagt Stefan Dhein. Der Leipziger Universitäts-professor ist seit rund fünf Jahren auch als Amtsarzt für den Landkreis tätig. In dieser Funktion erstellt er jedes Jahr einen Gesundheitsbericht für das Altenburger Land. „Hintergrund ist, dass man bei regionalen Auffälligkeiten auch frühzeitig gegensteuern kann“, sagt er.
Ärztemangel wird sich verschärfen Sorge bereitet ihm etwa die Tatsache, dass in den nächsten sechs Jahren mehr als die Hälfte der aktuell niedergelassenen Allgemeinärzteamtsarzt im Landkreis das Rentenalter erreichen. „Diese Stellen wieder zu besetzen, wird schwer werden.“Wobei es bereits jetzt einen spürbaren Mangel auf den Dörfern gebe, denn der allergrößte Teil der Mediziner sitzt in Altenburg, Schmölln oder Meuselwitz. „Dieses Problem haben ganz viele Regionen, bei uns wird es noch dadurch verschärft, dass wir ein hohes Durchschnittsalter haben. Das wird weiter steigen und damit auch der Bedarf an medizinischer Versorgung.“Hier könnte man in Richtung Hol- und Bringedienste überlegen, um die Betreuung in der Peripherie weiter zu gewährleisten. Auch Anreiz-modelle wie der Gesundheitsbahnhof in Nöbdenitz könnten junge Mediziner in den Landkreis holen.
Lebenserwartung über dem Durchschnitt
Das Gesundheitsamt hat im vergangenen Jahr 1335 Todesfälle erfasst. Die Lebenserwartung im Landkreis ist etwas höher als im Bundesdurchschnitt,
was sich aber demografisch erklären lasse. „Die Sterberate der jungen Menschen ist geringer, weil es hier weniger davon gibt und damit auch weniger junge Motorradfahrer.“Insgesamt weichen die Zahlen bei den Todesursachen nur geringfügig vom Thüringer oder dem bundesweiten Durchschnitt ab. Dennoch zeigen sich auch regionale Besonderheiten. Etwa 72 Prozent der Todesfälle stehen in Zusammenhang mit Herz-kreislauf-erkrankungen. Als Ursache vermutet Dhein den hohen Anteil an Übergewichtigen und Rauchern im Landkreis.
Atemwege, Lymphome und Leukämien gehäuft
Auch Atemwegserkrankungen sind eine häufige Todesursache, die chronische Bronchitis war für 7,34 Prozent aller Todesfälle verantwortlich. Das ist rund doppelt so hoch wie im Bundesschnitt. Dhein vermutet hier Spätfolgen des Bergbaus in der Region: „Die Leute, die heute mit 75 bis 85 Jahren sterben, haben zum Teil in diesen Betrieben gearbeitet.“
Unterstützt wird diese Annahme durch die ebenfalls doppelt so hohe Rate an Lymphomen und Leukämien. Dies sei demografisch nicht zu erklären: „Ursache dürfte auch hier vermutlich die Wismut sein. Die Leute haben Uran eingeatmet und Stäube, von denen wir nicht genau wissen, was es ist. Oder möglicherweise Rückstände der Teerwerke in Rositz, die im Zweiten Weltkrieg explodiert sind. So ist zum Beispiel Benzol ins Erdreich gelangt. Keiner kann sagen, wie viel die Leute heute noch davon abbekommen.“Wegen Datenschutz kann Dhein allerdings nicht weiter in diese Richtung forschen, obwohl er gerne möchte. „Ich weiß nur, wo der Verstorbene geboren ist und zuletzt gemeldet war, nicht wo er dazwischen gelebt oder gearbeitet hat.
vereinsamung alter Menschen ist ein Problem
Die Suizidrate ist hingegen nur halb so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Was den Amtsarzt jedoch überraschte, war deren hohes Alter: „Sie waren im Schnitt 79 Jahre alt, in gesundheitlicher Sicht unbeschriebene Blätter.“Dhein schlägt daher vor, gezielter auf alte, vereinsamte Menschen zuzugehen, was mit dem Dorfkümmerer-projekt auch schon begonnen wurde.
Als Grundlage dienten ihm die Totenscheine des jeweiligen Kalenderjahres. „Weil vor einer Einäscherung eine zweite Leichenschau durch einen Facharzt der Pathologie und einen Facharzt der Rechtsmedizin vorgenommen werden muss, sind die Todesangaben zu etwa 85 Prozent auf Plausibilität geprüft“, so Dhein.