Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Ostthüring­er erzählt in Podcast vom Leben in der DDR

Martin Fischers privates Zeitzeugen­projekt „Staatsbürg­erkunde“war bereits für den Grimme-online-award nominiert

- Von Ulrike Merkel

Als der Thüringer Martin Fischer mit seinen Eltern zu Pfingsten 1989 in den Westen geht, ist er keine zehn Jahre alt. Seither lebt er in Baden-württember­g und wurde unzählige Male gefragt: „Wie war das damals bei euch in der DDR?“Seit 2012 beantworte­t er diese Frage in seinem Podcast „Staatsbürg­erkunde“.

Darin spricht er mit Zeitzeugen wie der Leipziger Kabarettis­tin Birgit Schaller oder Mosaik-redaktions­leiter Jörg Reuter ohne Verklärung und Ostalgie über das Leben in der DDR. Sein etwa einmal im Monat erscheinen­des digitales Audioangeb­ot ist gefragt: „Jede Folge wird an die 10.000 Mal angehört oder herunterge­laden“, sagt der 40jährige gebürtige Weidaer. Und auch für den Grimme-onlineawar­d war sein Podcast bereits nominiert. In den ersten Jahren waren vor allem seine Eltern Gesprächsp­artner.

Gemeinsam diskutiert­en sie Themen wie DDR-MODE, -Essen, -Fernsehen, -Urlaub, -Verkehrsmi­ttel und -Schulsyste­m. Auch an die zwei Jahre ungewisses Warten auf die Ausreise erinnern sich die Eltern: Die Mutter muss damals ihre Stelle als Bibliothek­arin aufgeben und bis zum Grenzwechs­el in einem Schreibwar­engeschäft arbeiten. Der Vater hatte schon vorher den Job als Lehrer aufgegeben.

Er wollte nicht mehr für die Offiziersl­aufbahn werben und Abiturwüns­che verhindern. In Fischers Lieblingss­endung trifft er dann auch auf einen ehemaligen Schüler seines Vaters: Jens Goldhardt.

Auch ihm musste Lutz Fischer seinerzeit als Lehrer mitteilen, dass er aufgrund seiner kirchliche­n Bindung kein Abitur machen könne. Jens Goldhardt ist dennoch seinen Weg gegangen. Er wurde Organist und ist heute Kirchenmus­ikdirektor in Gotha. Als Musiker tritt er zudem gelegentli­ch mit Gerhard

Schöne auf.

In den jüngsten Podcastfol­gen spannt Marketing-manager Martin Fischer thematisch den Bogen ins Heute. Unter dem Motto „Auf der Flucht“lässt er etwa einen ehemaligen Ddr-bürger und dessen Fluchthelf­er zu Wort kommen, die von ihrer Berliner Tunnel-flucht im Jahr 1964 berichten. Auch ein Syrer, der im selben Aufnahmela­ger wie der Ddr-flüchtling untergebra­cht war, lässt Fischer erzählen.

Für die aktuellen drei Wendejubil­äums-sendungen ist er mit seiner Freundin, ebenfalls einer Podcasteri­n, an die innerdeuts­che Grenze gereist und hat Zeitzeugen aus Ostund Westdeutsc­hland befragt.

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FOTO: ULRIKE KRETZMER Martin Fischer (re.) trifft auf seiner Reise entlang der innerdeuts­chen Grenze Patrick Hoffmann vom Grenzlandm­useum Eichsfeld.

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