Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Ist die Angst vor Huawei berechtigt?
Sorge um Datensicherheit: Immer mehr Politiker wollen den Konzern vom Ausbau des 5G-netzes ausschließen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wünscht sich eine Eu-position zum Einsatz des chinesischen Netzwerkausrüsters Huawei beim Ausbau des 5G-mobilfunknetzes. Dafür will sie Ursula von der Leyen gewinnen, die zum 1. Dezember ihr Amt als Eu-kommissionspräsidentin antritt und die am Freitag zu Gesprächen in Berlin war.
Der Hintergrund ist, dass die Widerstände in Regierung, Bundestag und in Merkels eigener Partei, der CDU, zunehmen. „Immer mehr Kollegen sind skeptisch, was die Sicherheit bei Huawei betrifft“, sagte der Cdu-innenpolitiker Patrick Sensburg unserer Redaktion. Am Donnerstag will sich eine (Protest-) Gruppe von 50 Cdu-abgeordneten zusammenschließen. Ihre Gallionsfigur: der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen. Bei einer europäischen Lösung würde Merkel um eine nationale Regelung herumkommen und einen direkten Streit mit China vermeiden. Der Mobilfunkstandard 5G und das Netzwerk gelten als die entscheidenden Infrastrukturen, um von Technologie-innovationen zu profitieren.
Die Stichwortgeber sind die USA und die Polizeibehörden
Unterstützung erhielt die „Boykott“-fraktion von Außenminister Heiko Maas (SPD). Er gab zu bedenken, dass Huawei vom chinesischen Staat abhängig sei und Informationen „durchleiten“müsse. Für Cdu-chefin und Verteidigungsmichecken, nisterin Annegret Kramp-karrenbauer ist eine Frage entscheidend: „Können wir alle Risiken sicher ausschließen?“Wenn nicht, dann müsse man das Unternehmen ausschließen.
Die Fdp-fraktion beschloss: „Bei sicherheitskritischer Infrastruktur – wie beispielsweise 5G – sollte Europa bereit sein, auf die Nutzung chinesischer Technik zu verzichten, wie China auch bestimmte Bereiche von ausländischen Investitionen und Unternehmen ausnimmt.“Metin Hakverdi, der China-berichterstatter der Spd-fraktion, warnte vor „völlig unkalkulierbaren Risiken“. Sein Kollege, der Digitalexperte Jens Zimmermann, setzt sich dafür ein, sich nicht von einem Ausrüster abhängig zu machen. „Maximal ein Drittel der Technologien sollten von einem einzelnen Anbieter stammen“, sagte er unserer Redaktion. Huawei versuche mit Dumpingpreisen europäische Anbieter vom Markt zu drängen. „Damit Europa seine digitale Souveränität auch in Zukunft behält, ist es wichtig, den Anschluss bei dieser Schlüsseltechnologie nicht zu verlieren.“
Im Bundestag zeichnet sich eine
Allianz von Digitalexperten, Innenund Außenpolitikern ab. Für den anstehenden Cdu-parteitag liegen mehrere Huawei-kritische Anträge vor. Die Treiber der Boykottbewegung sind international die USA und in Deutschland die Sicherheitsbehörden. Aufsehen erregte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl. Die Infrastruktur könne kein Gegenstand für einen Konzern sein, „dem man nicht voll vertrauen kann“, sagte er im Bundestag. Die Möglichkeiten, Zulieferungen von Huawei komplett zu kontrollieren und durchzu
seien begrenzt, „um nicht zu sagen: aussichtslos“.
Kahl spielt auf sogenannte Backdoors an, Hintertüren in einer Software, die es ermöglichen, unter Umgehung der normalen Zugriffssicherung Zugang zum Computer zu erlangen. Die Geheimdienste unterstellen China Industriespionage im großen Stil. Sie wähnen chinesische Hacker hinter den meisten Cyberattacken. Dem 5G-netzwerk drohen drei Gefahren: Verlust der Vertraulichkeit (etwa Spionage), der Verfügbarkeit (Abschaltung) und der Integrität (Datenmanipulation).
Der „Sicherheitskatalog“soll für alle Anbieter gleich sein
Die Linie von Merkel und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) lautet: Über Huawei werde nicht politisch, sondern rechtlich und technologisch entschieden. Auch Innenminister Horst Seehofer (CSU) vertritt sie, gerät aber unter Druck. Hinter den Kulissen wird süffisant daran erinnert, dass er aus Ingolstadt kommt, dem Stammsitz des Herstellers Audi, der in China mehr Fahrzeuge als in Deutschland verkauft.
Merkel will Streit mit China vermeiden. Die Bundesnetzagentur und das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik haben einen Sicherheitskatalog für Netzwerkfirmen entworfen. Er ist für alle Anbieter gleich, ob Nokia, Ericsson, Cisco, Samsung oder Huawei. Unter anderem sollen sie eine Erklärung abgeben, dass man ihnen vertrauen könne. Sich allein darauf zu verlassen, halten die Kritiker für blauäugig.