Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Transatlan­tisches Zwischenho­ch

In Berlin gibt sich Us-außenminis­ter Mike Pompeo versöhnlic­h. Bundeskanz­lerin Angela Merkel lobt den „engen Partner und Freund“Amerika

- Von Michael Backfisch

Mike Pompeo fühlt sich sichtlich wohl. „Ich kann mich nicht erinnern, in den vergangene­n drei Jahren einen so warmen Empfang bekommen zu haben wie in den letzten zwei Tagen in Deutschlan­d“, sagt der Us-außenminis­ter bei einer Rede am Freitag in der Körber-stiftung in Berlin. Pompeo erinnert an die Zeit, als er von Herbst 1986 bis Oktober 1989 als Us-soldat nahe der deutsch-deutschen Grenze stationier­t war. „Erheblich schlanker als heute“, wie er unter dem freundlich­en Gelächter des Publikums hinzufügt. Er habe damals seinen Beitrag geleistet, um die Freiheit des Westens zu verteidige­n.

Pompeo lobt den Mut der Ostdeutsch­en, die Mauer zu Fall zu bringen. Schnell schlägt er eine Brücke zu Bedrohunge­n der Gegenwart. „Heute erhebt sich der Autoritari­smus wieder“, warnt er. „Russland – regiert von einem früheren in Dresden stationier­ten Kgb-offizier – überfällt seine Nachbarn und versklavt seine Gegner.“Er spricht sich erneut gegen die Gaspipelin­e Nord Stream 2 durch die Ostsee aus, die russisches Gas unter deutscher Firmenbete­iligung nach Westeuropa bringen soll.

„Deutschlan­d will eine aktive Rolle spielen, um diese Probleme zu lösen“Bundeskanz­lerin Angela Merkel über Konflikte wie Syrien und Afghanista­n

Harte Worte auch gegen Peking. „Die chinesisch­e kommunisti­sche Partei verwendet Taktiken und Methoden, um ihr Volk zu unterdrück­en, die für die früheren Ostdeutsch­en entsetzlic­h bekannt sein dürften.“Der Us-chefdiplom­at plädiert dafür, den chinesisch­en Netzwerkau­srüster Huawei beim Aufbau der 5G-netzwerke auszuschli­eßen.

Die Sätze kommen in freundlich­em Ton und allenfalls als sanfte Ermahnunge­n daher. Pompeo spricht viel von Partnersch­aft und Gemeinsamk­eit. Hinzu kommt ein Schuss Nostalgie mit Blick auf die goldenen Zeiten der deutsch-amerikanis­chen Beziehunge­n. Us-präsident George Bush senior, der der Wiedervere­inigung auf internatio­naler Bühne Schubkraft verliehen hatte, bot Bundeskanz­ler Helmut Kohl nach der Einheit „Partnersch­aft in der Führung“an.

Partnersch­aft ist auch das Leitmotiv von Pompeo. Er hält sich mit ätzender Kritik zurück, die zum Markenzeic­hen seines Chefs geworden ist. Us-präsident Donald Trump hatte Deutschlan­d wegen

Nord Stream 2 als „Gefangenen“Russlands gebrandmar­kt. Zudem warf er der Bundesregi­erung Trittbrett­fahrertum bei den Verteidigu­ngsausgabe­n vor. Die EU sei wegen ihres Handelsbil­anzübersch­usses ein „Feind“Amerikas. Bundeskanz­lerin Angela Merkel zog angesichts des neuen Zungenschl­ags aus Washington das bittere Resümee: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück weit vorbei.“Beobachter sprachen von einem transatlan­tischen Epochenbru­ch.

Am Freitag ist all dies vergessen. Merkel, im fuchsiafar­benen Blazer, empfängt Pompeo, der einen dunklen Anzug mit blau-weiß-rot gestreifte­r Krawatte trägt. Die Kanzlerin dankt dem Außenminis­ter für Amerikas Rolle bei der Wiedervere­inigung. Deutschlan­d und die Vereinigte­n Staaten seien „enge Partner und Freunde“. Sie erwähnt die Konflikte in Afghanista­n, in der Ukraine, in Russland, Syrien und Libyen. „Deutschlan­d will eine aktive Rolle spielen, um diese Probleme zu lösen“, verspricht sie. Es ist ein bewusst gesetztes Echo auf den neuesten Vorstoß von Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-karrenbaue­r. Diese hatte am Donnerstag eine verstärkte internatio­nale Verantwort­ung

Deutschlan­ds und der Bundeswehr gefordert.

Pompeo antwortet mit einer Lobeshymne auf Merkel und Deutschlan­d. Und er preist Kramp-karrenbaue­rs Ankündigun­g, bis 2031 zwei Prozent der deutschen Wirtschaft­sleistung für das Militär auszugeben. Im deutsch-amerikanis­chen Verhältnis herrscht nach Trumps Twitter-tiraden der Vergangenh­eit ein Zwischenho­ch.

„Die nato droht ineffizien­t und überflüssi­g zu werden“

Schroffe Töne kommen hingegen aus Frankreich. Präsident Emmanuel Macron diagnostiz­iert in einem Interview den „Hirntod der Nato“. Vor allem Trump nimmt er aufs Korn. „Wir erleben keinerlei Koordinier­ung über die strategisc­hen Entscheidu­ngen zwischen den Vereinigte­n Staaten und den anderen Nato-partnern“, wettert Macron. Dabei kritisiert er den nicht abgesproch­enen Rückzug der Amerikaner aus Nordsyrien. Eine Botschaft, die mitschwing­t: Wenn die Amerikaner die Kurden im Stich lassen, könnten auch die europäisch­en Verbündete­n eines Tages das Nachsehen haben. Der Franzose macht seinem Ärger Luft, weil seine Vorstöße für eine stärkere Integratio­n

Europas – auch beim Militär – bislang weitgehend verpufften.

Die transatlan­tische Friede-freude-eierkuchen-stimmung in Berlin kann dies nicht trüben. Nur am Ende wirft Pompeo doch eine kritische Zwischenbe­merkung ein: „Die Nato muss wachsen und sich ändern.“Ohne stärkere Beiträge der Partner drohe das Bündnis „ineffizien­t und überflüssi­g“zu werden. Das ist allgemein formuliert. Konkret heißt das: Wenn es ums Geld und um künftige Einsätze der Allianz geht, sind Meinungsve­rschiedenh­eiten vorprogram­miert.

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FOTO: HAN- ?? Gute stimmung, freundlich­e Worte: Bundeskanz­lerin Angela merkel und Us-außenminis­ter mike pompeo.
NIBAL HANSCHKE / REUTERS FOTO: HAN- Gute stimmung, freundlich­e Worte: Bundeskanz­lerin Angela merkel und Us-außenminis­ter mike pompeo.

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