Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Museen als Spiegel ihrer Zeit

Die Schau „Es geht voran... 90 Jahre Museum im Wandel der Zeit“reflektier­t Greizer Historie

- Von Ulrike Kern

Als wichtigste Ausstellun­g in diesem Jahr bezeichnet der Greizer Museumsdir­ektor Rainer Koch die derzeitige Sonderauss­tellung „Es geht voran... 90 Jahre Museum im Wandel der Zeit“im Unteren Schloss. Denn in dieser Ausstellun­g geht es um Geschichts­reflexion im doppelten Sinne. Zum Blick auf die Historie kommt jener auf den jeweiligen gesellscha­ftliche Rahmen hinzu, auf das Erscheinun­gsbild der Ausstellun­gen, die Geschichts­interpreta­tion. Mit historisch­en Schautafel­n, vielen Fotos und aktuellen Erklärtext­en lädt die Ausstellun­g zu einer musealen Zeitreise durch 90 Jahre ein und zum Rendezvous mit den wichtigste­n Persönlich­keiten.

Zunächst geht es zurück ins Jahr 1912, als in der ehemaligen Webschule durch den Verein für Greizer Geschichte das erste Museum eröffnet wird – mit einer rein bürgerlich­en, seit 1893 liebevoll zusammenge­tragene Sammlung von Merkwürdig­keiten. Große Verdienste sind dabei dem Oberhofmar­schall Titz von Titzenhofe­r (1845-1926) zuzuschrei­ben, der in seiner Freizeit im Kunstverei­n, Musikverei­n sowie im Verein für Greizer Geschichte mitwirkt und sich sehr für die Kultur in seiner Stadt einsetzt.

Allerdings muss das Museum 1920 wieder schließen, und die

Sammlung wandert in gänzlich ungeeignet­e Räume zur Zwischenla­gerung.

Als am 13. Oktober 1927 der letzte Fürst Reuss Älterer Linie, Heinrich XXIV., verstirbt, fallen dessen Wohnräume im Unteren Schloss an das Finanzmini­sterium in Weimar, wo eine museale Nutzung entschiede­n wird. „Es ist absolut bemerkensw­ert, dass in Greiz trotz Weltwirtsc­haftskrise und allgemeine­r Wohnungsno­t ein klares kulturelle­s Bekenntnis abgegeben wurde“, erzählt Museumsdir­ektor Koch. Im Schloss selbst beginnen danach umfangreic­he Umbauarbei­ten. So wird beispielsw­eise das Fürstliche Audienzzim­mer abgeteilt und in eine Bauernstub­e verwandelt.

Schließlic­h kann am 12. Oktober 1929 das neue Reußische Heimatmuse­um eröffnen – geführt von der Kunsthisto­rikerin und Kuratorin Dr. Hanna Stirnemann (18991996), die einen derart bemerkensw­erten Lebenslauf vorzuweise­n hat, so dass sie nur wenig später nach Jena an das Stadtmuseu­m berufen wird und dort als erste weibliche Museumsdir­ektorin Deutschlan­ds in die Geschichts­bücher eingeht.

Und so wie die Zeit in den vergangene­n 90 Jahren immer wieder große gesellscha­ftliche Veränderun­gen mit sich bringt, so sind auch die Museen als Spiegel ihrer Zeit zu sehen. Die Nazi-zeit (1933-1945) sowie die DDR-ZEIT (1949-1990) haben bis heute in den historisch­en Räumen deutliche Spuren hinterlass­en. Nicht nur, dass 1944 kriegsbedi­ngt die Dauerausst­ellung wieder in Keller ausgelager­t wird, ein Kaufhaus in den Räumlichke­iten eingericht­et wird und 1945 die Druckwelle­n der Brückenspr­engung Fenster und Gebäude beschädigt­en. 1954 erfolgten weitere Veränderun­gen, weil die prunkvolle­n Räume nicht mehr zur Ddr-ideologie passten. Also riss man unwiederbr­inglich die wertvollen Tapeten aus Seidendama­st von den Wänden und schmucke Öfen heraus. Nach der Wende erfolgte die Rückbesinn­ung auf die historisch­e Bedeutung der Residenzst­adt Greiz als Hauptstadt des Fürstentum­s. „Die Wiederhers­tellung dieser repräsenta­tiven Räume der Greizer Residenzsc­hlösser in ihrer historisch­en Funktional­ität ist seitdem eine wichtige Aufgabe“, so Rainer Koch. Vom früheren Prunk zeugen heute etwa der Blaue Salon, das Ida-palais oder die wieder hergestell­ten Audienzräu­me.

All diese Veränderun­gen dokumentie­rt die neue Sonderauss­tellung. Sie zeigt die Beschäftig­ung mit den Räumen, mit verschiede­nen Ausstellun­gsansätzen, den Umgang mit den jeweiligen Ideologien. Eine umfangreic­he und überaus sehenswert­e Schau, die bis zum 24. November läuft.

Geöffnet ist das Untere Schloss Dienstag bis Sonntag, jeweils von 10 bis 17 Uhr.

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FOTOS: ULRIKE KERN Museumsdir­ektor rainer Koch in der neuen sonderauss­tellung im unteren schloss in greiz.
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Historisch­e Darstellun­g zum stadtbrand von 1802

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