Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Raus aus der Sackgasse

Glasehause­n im Eichsfeld war ein Sperrzonen­dorf. Als die Mauer fiel, spielte seine Bürgermeis­terin Mühle

- N Klaus

Stacheldra­ht legt sich wie ein ufeisen um das Dorf. Wenige Meter nach dem Ortsschild bedie Bewohner eine unbekannte er Westen. Für die Glasehäuse­r ur in eine Richtung hinaus aus matgemeind­e, die mitten in der er-sperrzone liegt. Fast 40 Jahre so. em in den ersten Jahren der hern Abriegelun­g werden die Beeilweise schwer gegängelt. Wenn ine Leiter an der Hauswand steht ht hochgebund­en ist, steht „der der Tür. Man hätte ja f iehen können. Bis sich 1989 die Mauer öffnet, geht das mal mehr und mal weniger intensiv so.

Gertrud Kunze, damals gerade wenige Wochen als Bürgermeis­terin eingesetzt, erinnert sich: „Ich habe das gar nicht geglaubt.“Sie sitzt am 9. November 1989 gerade mit ihren Kindern beim Mühle-spiel. Jemand kommt zu ihr und fragt, ob er Fliesen haben dürfe von der Gemeinde. Ganz beiläufig sagt der Mann: „Was macht ihr eigentlich hier? Halb Glasehause­n ist in Duderstadt.“

Gertrud Kunze wirkt ungläubig, wenn sie heute an diesen Moment vor 30 Jahren denkt. Duderstadt in Niedersach­sen? Das konnte nicht sein, das war ja im Westen – wenn auch nur wenige Kilometer entfernt. Glasehause­n im heutigen Landkreis Eichsfeld in Nordthürin­gen zählt etwas mehr als 160 Einwohner. Kurz hinter dem thüringisc­hen Ort beginnt schon Niedersach­sen. Einfamilie­nhäuser und Gehöfte reihen sich entlang der langen Dorfstraße aneinander. Die Angerlinde, die vor vielen Jahren einmal einem Sturm zum Opfer gefallen ist, gedeiht inzwischen wieder prächtig. Es gibt einen Gemeindesa­al. Das Dorf- und Vereinsleb­en ist intakt.

„Ich glaube doch, dass sich der Ort gut entwickelt hat“, sagt die einstige Bürgermeis­terin, die erst 2016 nach 27 Jahren ihr Amt abgab und seit 2018 Trägerin des Bundesverd­ienstkreuz­es ist. Bundespräs­ident Frank-walter Steinmeier hat es ihr in

Berlin überreicht. In der Laudatio hieß es: „Der ehemaligen Erzieherin ist es in besonderer Weise zu verdanken, dass sich ihr Heimatort Glasehause­n […] von einem aussterben­den Sperrzonen­dorf zu einem lebendigen Wohnort entwickelt hat.“

1989, an diesem 9. November, ist daran noch nicht zu denken, dass die Grenze offen bleibt. Den Fernseher habe sie an dem Abend nicht mehr einschalte­n wollen, sagt die 83-Jährige. Schließlic­h sei es spät gewesen. Erst am Tag darauf erfährt sie, dass doch etwas im Gange sein muss.

Der Anruf eines Nva-zuständige­n lässt nicht lange auf sich warten. Sie solle kein Auto mit West-kennzeiche­n in den Ort hineinlass­en. Zu spät. Die ersten Fahrzeuge mit Göttinger Kennzeiche­n passieren Glasehause­n. „Da habe ich mich noch herumgestr­itten“, erinnert sich Gertrud Kunze. Spätestens jetzt ist klar: Die Mauer ist auf und Glasehause­ns Dasein als Sackgassen­dorf hat ein Ende.

Die Bewohner wussten zu der Zeit wenig von dem, was sich um ihren Ort herum abspielte, hörten aber natürlich einige Dinge. Stolperdra­ht im Wald, Minen, abgerichte­te Schäferhun­de. Das Dörfchen war hermetisch abgeriegel­t.

Es sind Erinnerung­en, von denen in Glasehause­n seit Generation­en erzählt wird.

Erinnerung­en an ein Sperrzonen­dorf.

 ?? FOTO: ARCHIV SCHRÖDER
ARCHIV-FOTO: PETER RIECKE ?? e und
A FROMM
Oktober 1989 demonstrie­ren erstmals auch Er ur e gegen die Sed-herrschaf und die Missstände. Au mplatz waren von mehreren Tausend Demonstran­te „Wir sind das Volk!“zu hören.
Lutz Schröder im Mai 1990 an den Überresten der Ddr-grenze im Südharz.
ick auf den Friedhof von Asbach m Eichsfeld, aufgenomme­n um 90. Unmittelba­r am Grenzzaun elegen, war der Ort während der ilung schwer zugänglich. Asbach ehörte zu fünf hessischen Dörfern, e im September 1945 im Zuge des anfrieder Abkommens durch nen Gebietstau­sch zwischen merikanisc­her und russischer Betzungszo­ne nach Thüringen kaen. Im Gegenzug ging ein durch wjetisches Gebiet verlaufend­es ilstück der Bahnstreck­e Bebra– öttingen sowie zwei Thüringer Oran Hessen.
FOTO: ARCHIV SCHRÖDER ARCHIV-FOTO: PETER RIECKE e und A FROMM Oktober 1989 demonstrie­ren erstmals auch Er ur e gegen die Sed-herrschaf und die Missstände. Au mplatz waren von mehreren Tausend Demonstran­te „Wir sind das Volk!“zu hören. Lutz Schröder im Mai 1990 an den Überresten der Ddr-grenze im Südharz. ick auf den Friedhof von Asbach m Eichsfeld, aufgenomme­n um 90. Unmittelba­r am Grenzzaun elegen, war der Ort während der ilung schwer zugänglich. Asbach ehörte zu fünf hessischen Dörfern, e im September 1945 im Zuge des anfrieder Abkommens durch nen Gebietstau­sch zwischen merikanisc­her und russischer Betzungszo­ne nach Thüringen kaen. Im Gegenzug ging ein durch wjetisches Gebiet verlaufend­es ilstück der Bahnstreck­e Bebra– öttingen sowie zwei Thüringer Oran Hessen.

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