Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Von Puerto Limón nach Valparaíso
Gigantische Schleusen, ein künstlicher See, kolossale Kolonialarchitektur – und jede Menge schlechtes Wetter: auf Expedition mit dem kleinen Kreuzfahrtschiff „Fram“
Feuchte 30 Grad treiben uns den Schweiß ins Gesicht, als wir am frühen Abend in Puerto Limón an der Atlantikküste von Costa Rica aus dem klimatisierten Bus steigen und an Bord der „Fram“gehen. Fast wirkt es, als habe die sich verfahren, denn an der Backbordseite steht in großen Buchstaben „Antarctica, Greenland, Spitsbergen, Norway“, die klassischen Zielgebiete der norwegischen Reederei.
Bei Hurtigruten denkt man erst mal an Eis, statt an Schweiß, an Eisberge und Nordlichter, nun erwarten uns aber Korallenriffe und weiße Sandstrände, präkolumbianische Kultstätten, Kolonialarchitektur und eine tropische Pflanzen- und Tierwelt in voller Pracht. Des Rätsels Lösung findet sich in der Geografie, denn auf dem Weg von und zur Antarktis bietet Hurtigruten zweimal im Jahr auch Expeditionskreuzfahrten entlang der südamerikanischen Küste an.
Gleich am dritten Tag hält die „Fram“auf ihrem Südkurs einen absoluten Höhepunkt bereit, der für einige, der nur 141 Passagiere, schon Grund genug war, diese Reise zu buchen: die Passage des Panamakanals. Als wir am frühen Morgen die Hafenstadt Colón erreichen, ist der Himmel grau und verhangen. Es regnet wie aus Kannen, doch zum Glück klart der Himmel im Lauf des Tages langsam auf, so dass wir gegen 14 Uhr, als unser Schiff endlich in den Kanal einfahren darf, nicht nass werden.
Fasziniert verfolgen die Passagiere die Einfahrt in die Gatún-schleuse, ein technisches Spektakel der besonderen Art. In der Schleuse bewegt sich unser Schiff nicht aus eigener Kraft, sondern wird auf beiden Seiten von den Lokomotiven einer Zahnradbahn „getreidelt“.
Knapp 26 Meter beträgt der Höhenunterschied, als die „Fram“nach 45 Minuten die zweite Schleusenkammer verlässt und in den Gatúnsee fährt. Obwohl er erst beim Bau des Kanals durch die Errichtung von Staumauern entstanden ist, wirkt dieser See mit seiner tropischen Vegetation an den Ufern natürlich.
„Hören Sie den Krach aus den Uferwäldern, das sind Papageien“, sagt Rudolf vom Expeditionsteam und fügt hinzu: „Der Gatúnsee ist längst zu einem wichtigen Biotop geworden, in dem sich die hiesige Flora und Fauna weitgehend ungestört entwickeln kann.“Die beiden weiteren Schleusen durchqueren wir bereits im
Dunklen, bevor die „Fram“am nächsten Morgen nach etwa 82 Kilometern an der Puente de las Américas den Kanal verlässt und den Pazifik erreicht.
Hurtigruten bietet keine klassischen Kreuzfahrten, sondern Expeditionskreuzfahrten an. Das klingt nach Abenteuer, hat aber in Wahrheit nur dem Namen nach mit jenen gefahrvollen Expeditionen zu tun, die Fridtjof Nansen und Roald Amundsen um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert mit jener legendären „Fram“unternahmen, nach der unser Schiff benannt wurde.
Die heutigen Expeditionen sind zwar weitgehend gefahrlos, richten sich aber dennoch an Reisende, die nicht allein unterhalten werden wollen, sondern Wert auf Natur- und Kulturerlebnisse legen und sich dann auch nicht scheuen, beim Ausbooten auch mal ein bisschen nass zu werden.
Statt eines Showensembles gibt es auf der „Fram“ein Expeditionsteam, dessen zahlreiche Mitglieder täglich Vorträge halten, die Ausflüge begleiten und die Reisenden auf jene Tiere aufmerksam machen, die wir von Bord aus entdecken können: Vögel wie Weißbauchtölpel, Pelikane oder Sturmtaucher, von Zeit zu Zeit auch Delfine und manchmal sogar den einen oder anderen Wal.
Zwischenstopp in der peruanischen Hauptstadt Lima
Aufgrund ihrer geringen Größe kann die nur 114 Meter lange „Fram“auch Orte ansteuern, die für übliche Kreuzfahrtschiffe unzugänglich sind. Manchmal macht uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung – wie am Tag nach der Kanalpassage, als wir das im panamaischen Nationalpark Darién gelegene Dorf Playa Muerto mit seinen nur etwa 200, weitgehend isoliert lebenden Menschen vom Stamm der Emberá besuchen wollen.
Da die Dünung an diesem Tag zu hoch ist, können wir nicht ausgebootet werden, was die Emberá aber nicht stört. So fahren sie mit ihren winzigen Booten zur „Fram“und kommen für zwei Stunden zu Besuch, singen, tanzen und verkaufen ihre aus Pflanzenmaterial hergestellten Körbe, Teller und Ketten.
Tage später bietet die peruanische Hauptstadt Lima das Kontrastprogramm – mit Verkehrschaos, aber eben auch viel Kultur, einem wunderschönen kolonialen Zentrum und präkolumbianischen Ausgrabungsstätten. In der doppeltürmigen Kathedrale an der Plaza de Armas weckt das prunkvolle Grabmal von Francisco Pizarro zwiespältige Gefühle, zumal der spanische Konquistador zwar ein mutiger und effizienter Militär, aber auch ein blutiger und gnadenloser Machtpolitiker war.
So rätselhaft wie faszinierend sind die berühmten Nazca-linien, die wir auf der letzten Station in Peru kennenlernen. Nachdem die „Fram“im Industriehafen von Puerto General San Martín festgemacht hat, bringt uns ein Bus zum Flughafen von Pisco, wo wir eine kleine Propellermaschine besteigen, die uns zu den berühmten Petroglyphen bringt. Nur aus der Luft ergeben die riesigen, in den Steinboden der Nazca-wüste geritzten Linien
Bilder. Nur vom Flugzeug aus kann man den Condor, den Pelikan, den Affen mit dem Ringelschwanz oder jene Figur entdecken, die merkwürdigerweise wie ein Astronaut aussieht.
Warum die Menschen der Paracas-kultur diese bis zu 20 Kilometer langen Linien in den kargen Wüstenboden geritzt haben, obwohl sie sie selbst wohl nie als Bilder sehen konnten, ist unter Experten bis heute nicht endgültig geklärt.
Der Blick aus 600 Metern Höhe auf die großartigen Petroglyphen gehört jedenfalls zu den spannendsten Momenten, der an Natur- und Kulturwundern so reichen Expeditionskreuzfahrt mit der „Fram“, die wir schließlich in Valparaíso verlassen. Von dort aus fährt sie weiter Richtung Antarktis.